Herr Zenglein, als Sie beschlossen haben, mit Crew United in anderen europäischen Ländern zu starten: Wie haben Sie da die Auswahl getroffen?
Wir haben 2019 mit Frankreich begonnen. Das ist das europäische Filmland schlechthin und hat auch ein großes Potenzial an Kund*innen. Nach dem westlichen haben wir uns als nächstes für unseres östliches Nachbarland entschieden: Polen. Das war nicht nur geografisch ein logischer nächster Schritt, da haben auch andere Aspekte eine Rolle gespielt. Wir waren schon lange im engen Austausch mit jemandem, den wir uns als Leitung für den Ausbau dort gewünscht haben – solche persönlichen Aspekte spielen auch eine große Rolle. In Griechenland war das ähnlich, da standen wir in einem intensiven Austausch mit einem deutschen Filmschaffenden, der sich dort als Service Producer selbstständig gemacht hat. In Italien gab es sehr enge Kontakte zu wichtigen Institutionen. Und für Spanien sprach, dass wir damit eine der meistgesprochenen Sprachen in unser System integrieren. Außerdem wird in Spanien viel produziert, was auch ein Entscheidungsfaktor war. Litauen und Rumänien sind dagegen Länder, die wegen ihrer Größe niemals profitabel für uns sein können. Die Idee ist, dass größere Länder wie Spanien und Italien langfristig diese kleineren mittragen.
Wie gut wird Crew United in all diesen Ländern angenommen?
Es gibt in keinem anderen Land ein vergleichbares Projekt wie Crew United, und die Recherchen vor Ort haben gezeigt, dass ein riesiges Interesse an einer Plattform wie unserer besteht. Doch die tatsächliche Umsetzung ist eine ganz andere Herausforderung. Das Projekt ist hochriskant. Crew United wird in allen Ländern sehr gut angenommen, aber solange eine bestimmte kritische Masse an Mitgliedern und Content noch nicht erreicht ist, ist für das nötige Wachstum an Registrierungen und zahlenden Mitgliedern eine intensive Betreuung durch die jeweilige Redaktion der Länder nötig. Es wird wohl immer mindestens fünf bis sieben Jahre dauern, bis ein Land profitabel ist. Auch weil jedes Land eine individuelle Strategie erfordert, da sich die Gegebenheiten in Bezug auf Struktur, Bedürfnisse und Historie deutlich unterscheiden. Das macht das Projekt aber auch unglaublich spannend, wir gewinnen täglich neue, einzigartige Einblicke, die in dieser Form bisher wohl noch nicht erfasst wurden.
Inwiefern?
Wir betrachten die Filmbranche in all diesen Ländern ganzheitlich und detailliert – einschließlich ihrer Geschichte, Arbeitsweisen, Arbeitskultur, Arbeitsbedingungen, Organisationsformen, gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fördersysteme. Wir sammeln umfassende Informationen, die selbst in den jeweiligen Ländern oft nicht in dieser Tiefe vorliegen. Durch den Austausch dieses Wissens zwischen unseren Länderredaktionen können wir es sofort in einen europäischen Kontext setzen. Dieser aufwendige und intensive Lernprozess befähigt uns nachhaltig, ein europäisches Netzwerk zu entwickeln, das alle Beteiligten einbindet. So stärken wir die Identität und Weiterentwicklung der europäischen Filmbranche und erzielen gleichzeitig positive Effekte in den einzelnen Ländern. Aber zugegeben: Das ist ein Projekt für die nächsten 30 Jahre.