Julia & Daniela

Die 59. Hofer Filmtage 2025 ehrten Julia von Heinz, Autorin und Regisseurin aus Herrsching am Ammersee sowie Professorin für Spielfilm-Regie an der HFF München, mit einer Hommage. Anlass für eine persönliche Würdigung durch ihre langjährigen Kamerafrau.
Text von Daniela Knapp
5 Minuten Lesezeit
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Ungefähr 2002 in Berlin: ich war an der SFOF – damals eine Kameraschule in Berlin – eingeladen, um meinen ersten Langfilm Mein Bruder der Vampir zu zeigen. Als Motivation vielleicht, oder ich weiß eigentlich gar nicht, warum.

Es waren interessierte Studenten und wir hatten eine nette Gesprächsrunde. Ich war ja nur wenige Jahre älter als die Studenten. Eine Studentin ist vorgeprescht und hat mich angesprochen, weil sie im Rahmen der Kameraschule als Regisseurin einen Kurzfilm mit dem Titel Lucie & Vera verwirklichen wollte. Ich sollte sie und ihren Kameramann, der mit ihr zusammen studierte, beraten. 

Ich hab später gemerkt, wie typisch das für Julia ist – wenn sie eine Idee hat, verfolgt sie die mit allen Mitteln – auch wenn die Umstände manchmal gar nicht so optimal sind.

Weil ich in Berlin auch ziemlich lost war – ich war gerade aus Ludwigsburg hergezogen – habe ich mich sehr über diese Aufgabe gefreut.

Glücklicherweise ist Julias Kameramann ausgefallen  – er wurde mit einem Praktikumsplatz nach Südafrika gelockt. Also fragte Julia mich, ob ich nicht als Kamerafrau einspringen würde. Es gab ein kleines Budget, und ich war natürlich hocherfreut, weil ich den Stoff auch sehr spannend fand.

Die Dreharbeiten waren ganz schön wild: Wir haben in einem Hochhaus ohne Strom, also auch ohne Lift, gedreht, Julias Mann John war als absolut toller Szenenbildner mit dabei und hat uns auch den Dolly über den Balkon mit einer Seilwinde hochgezogen. 

Julia von Heinz mit Thorsten Schaumann bei den 59. Hofer Filmtagen 2025, die der Autorin und Regisseurin eine Hommage widmeten

Julia war schwanger und war am Drehort im 11. Stock gefangen, weil sie den Weg nur ein Mal am Tag hoch- und runtergehen konnte. Marie Luise Schramm war als „Lucy“ schon dabei. 

Wir haben den Dreh gut überlebt und der Film hat einige schöne Preise gewonnen.

Lucie & Vera war die Ideenskizze für Julias ersten Langfilm Was am Ende zählt.

Das war vor 22 Jahren!
Was folgte kann man gut nachlesen, ich sags aber trotzdem: 

Der Deutsche Filmpreis „Bester Kinder und Jugendfilm“ für Julias Debütfilm, ein Film im Oscar-Rennen und vorher im Hauptwettbewerb in Venedig, baeyrische Film- und Fernsehpreise (ich weiß gar nicht, wie viele), eine wilde Serie, die am Stück zu Weihnachten in der ARD ausgestrahlt wurde, ein historischer Film mit dem Kamerakonzept eines französischen Gefängnisfilms und so weiter.

Wir haben fünf Filme und eine Serie zusammen gemacht, und vielleicht wollen jetzt alle wissen: Wieso klappt das so gut?

Wir waren in Israel, Polen, Ungarn, Mannheim und Friedrichsroda, in Kreuzberg und noch an vielen anderen Orten. Wir sind sicher 27 mal nachts um 4 zusammen zum Nachtdreh los oder vom Nachtdreh heimgekommen, haben vielleicht 1001 Szenen zusammen aufgelöst. Früher am jeweiligen Küchentisch und jetzt oft per Zoom, wo wir uns ab und zu zurufen: „Oh, jetzt kommen die Kinder, ich muss noch was kochen“ – „Oh ja, ich auch, aber die letzten zwei Einstellungen sind eh klar:“ Wir haben quasi einen ganzen WhatsApp-Kanal mit hin- und hergeschickten Frame Grabs, Mood Bildern und visuellen Fundstücken, die das Konzept des jeweiligen Projekts definierten und die Julia am Set immer vorzeigt als Erinnerung an das, was uns wichtig ist. Und immer der wichtige Moment am Set: der Blickwechsel nach dem „Danke, aus“, die Rückversicherung „War das gut? Brauchen wir noch eine?“

Momente, in denen ich Deinen Mut bewundert habe, liebe Julia:

 

Als Du nach einem Konzert in Israel Assaf  Avidan angesprochen hat und um die Rechte seinen Erfolgs-Songs als Abspannsong gebeten hast.

Wie Du, an Corona mit fiesen Symptomen erkrankt, in einem Zelt auf der Terrasse des Drehorts eine Szene mit Stephen Fry, Lena Dunham und 40 Komparsen inszeniert hast, über Handy, damit Du niemanden ansteckst.

Deine absolute Stärkte bei der Wahl des Kamerakonzeptes für Katharina Luther: „Wir nehmen als Vorbild den französischen Gefängnisfilm Un prophet: Wir drehen alles mit Handkamera, begleiten die Figuren und drehen keine Totalen! So sind die Filme, die mich berühren, und so steht das Historische den Emotionen der Darsteller nicht im Weg“, hast Du gesagt. Das haben wir durchgezogen, auch wenn uns möglicherweise bevorstand, dass wir Totalen nachdrehen müssen, wenn sie den Redaktionen fehlen.

Der Mut zum absoluten Wahnsinn der Serie Eldorado KaDeWe – das Go für sechs Folgen à 45 Minuten kam Ende Januar, der Sendetermin war Weihnachten.

 

 

Und zwei Dinge (von ganz vielen), für die ich Dir unendlich dankbar bin:

 

Ich musste während unseres Drehs aus meinem Folgeprojekt (einer riesigen Serie) aussteigen und du hast mir gesagt: „Ich bin an deiner Seite“ und das war nicht nur so dahingesagt!

Es gab den Moment, als ich Dir sagen musste, dass ich Hanni und Nanni nicht für dich drehen kann, weil ich Angst vor Kindern hatte (vor allem Angst vor Dreharbeiten mit Kinder, die ja immer schnell nach Hause müssen). Ich hab Dich echt im Regen stehen lassen. Du hattest auf magische Weise Verständnis für mich und hast mich trotzdem für dein nächstes Projekt gefragt.

Das Team von Was am Ende zählt. Der Film lief 2007 bei der Berlinale und gewann 2009 den Deutschen Filmpreis als Bester Kinder- und Jugendilm

Julia, ich kenne keinen Menschen, der so hart arbeitet wie Du und alles trotzdem so leicht aussehen lässt. Ich weiß, dass Dir das wichtig ist, und es gelingt Dir auch! Dir ist nie etwas zugeflogen, du hast immer ungewöhnliche Entscheidungen getroffen und bist bis zum Letzten dahinter gestanden.

Nun ist wieder alles offen: Das Arthaus Kino-Segment, in dem wir oft gearbeitet haben, ist stark herausgefordert, aber Du hast vorgesorgt und auch sehr kommerzielle Projekte gemacht und Deine Fühler ins Ausland ausgestreckt. Und Du hast diesen unbändigen Mut, alles zu wagen!

5 Filme in 22 Jahren mit Themen quer durch den Garten – ja, warum klappt das so gut? Ich glaube,  weil wir einander zuhören.

Liebe Julia,
Danke für Dein Vertrauen und die wilde gemeinsame Reise!   

Daniela

P.S. Und Danke nochmal an den Kameramann, der damals bei Lucy & Vera ausgefallen ist 🙂

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Daniela Knapp
Redaktion: Olga Havenetidis
Gestaltung und digitales Storytelling: Schmid/Widmaier

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