Das Festival
der Ent­deckungen

Nicht unbedingt einer Meinung sein, sondern mehr voneinander und der Welt wissen – so beschreibt Festivaldirektor Christoph Gröner die Kraft des Kinoerlebnisses. Gemeinsam mit der Künstlerischen Leiterin Julia Weigl wird er das Filmfest München nach der Interimszeit von zwei Jahren um weitere fünf Jahre verantworten. Ein Gespräch mit dem Leitungsduo über Ideen, Visionen und Erfahrungen.
Interview von Olga Havenetidis
8 Minuten Lesezeit

Lieber Herr Gröner, liebe Frau Weigl, Gratulation zur Verlängerung!

Vielen herzlichen Dank.

 

Sie sind beide vor zwei Jahren schon interimsmäßig als Leitungsduo angetreten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Julia Weigl: Wir haben diese Zeit als sehr intensiv erlebt, das passt aber natürlich zu den gesellschaftlichen Entwicklungen, die wir überall erleben und sehen. Die Filmbranche steckt im Wandel, sogar in vielen Teilen in der Krise. Demokratische Werte sind in sehr vielen Ländern in Gefahr, Kultur machen und unterstützen keine Selbstverständlichkeit mehr.

Christoph Gröner: Diese Verschiebungen spüren wir natürlich auch beim Festival machen, aber das spornt uns auch immer wieder aufs Neue an, eine Plattform für offenen Dialog zu sein und Brücken zu bauen, wo sie doch an vielen Stellen gerade abgerissen werden. Wir müssen weiter aufeinander zugehen, in der Filmbranche, in der Politik, in der Gesellschaft. Und unsere Gesellschafter, der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München zusammen mit BR und SPIO, unterstützen uns darin. Nur durch dieses Vertrauen konnten wir im letzten Jahr die Reichweite des Festivals deutlich steigern.

 

Nun kam die tolle Bestätigung für Ihren Erfolg. Welche neu angestoßenen Initiativen nehmen Sie mit rüber in die nächsten fünf Jahre?

Julia Weigl: Im Industrie-Bereich bauen wir jedes Jahr unser Programm weiter aus, Herzstück wird auch in den kommenden Jahren unsere CineCoPro Conference sein, die wir vor nun vier Jahren gemeinsam mit dem FFF Bayern ins Leben gerufen haben. Wir möchten deutsche Koproduktionen bei uns in München feiern, Produzierende inspirieren, neue internationale Partner kennen zu lernen und sich für künftige Projekte zusammenzutun. Dafür steht unsere Conference, aber auch unser CineCoPro Wettbewerb, der 2024 wieder eingeführt wurde – und in diesem Jahr fast zur Hälfte aus Weltpremieren bestehen wird.

Christoph Gröner: Darüber hinaus wollen wir weiterhin für Entdeckungen stehen – das zeigen natürlich auch diese Weltpremieren. Wir wollen neue Talente präsentieren, Impulsgeber sein und neue Facetten etablierter Filmschaffender herausarbeiten. Das macht uns enorm viel Spaß und hat bereits letztes Jahr mit Jessica Lange und Kate Winslet ganz wunderbar geklappt.

Welche neuen Konzepte würden Sie gerne noch entwickeln und umsetzen?

Christoph Gröner: Wir sehen den Weg zu einer Weiterentwicklung ganz stark von vertieften Kooperationen geprägt. Vom Museum Brandhorst und dem Amerikahaus über den Gasteig bis zum Deutschen Theater haben sich viele Beziehungen vertieft – ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor.

Julia Weigl: Wir entwickeln Konzepte mit diesen und anderen Partnern wie dem Festival der Zukunft oder den Kammerspielen auf Augenhöhe. Das öffnet Räume in jeder Hinsicht, die Orte, die Konzepte – und natürlich auch neue Zielgruppen.

 

Julia Weigl wird nun künstlerische Leiterin und Sie leiten nach wie vor das Festival künstlerisch zu zweit weiter. Wie können wir uns das vorstellen? Haben Sie eine Aufteilung?

Julia Weigl: Wir sehen uns weiterhin als Künstlerisches Leitungsduo und gestalten gemeinsam die großen inhaltlichen Linien und Perspektiven des Festivals. Das ist uns weiterhin ein großes Bedürfnis, hier für Dialog zu stehen und ein Miteinander nach innen und auch nach außen zu verkörpern. Aber natürlich werde ich mich mehr auf die Strukturierung der inhaltlichen Fragen und den Kontakt zum Programmteam konzentrieren und Christoph die Gespräche mit politischen Stakeholdern und Partnern führen.

Christoph Gröner: Ein Aspekt, der mir ganz wichtig ist. Im Titel Künstlerische Leiterin drückt sich aus, wie sehr Julia das Festival prägt. Und es ist international ein ganz wichtiges Signal, um Partnern zu verdeutlichen, dass jeder von uns beiden schnell entscheiden kann. Ein Vertrauenssignal nach innen und nach außen.

Ab diesem Jahr sammeln Filme, die beim Filmfest München den Förderpreis Neues Deutsches Kino gewinnen, FFA Referenzpunkte. Merken Sie schon einen Unterschied bei den Filmeinreichungen?

Julia Weigl: Tatsächlich merken wir keinen großen Unterschied, weil wir ja bereits seit Jahren die tolle Möglichkeit haben, aus außergewöhnlichen Projekten auszuwählen – und entsprechend die Reihe Neues Deutsches Kino hoffentlich wieder eine große Bandbreite des deutschen Filmschaffens zeigen wird. Wir sind gespannt auf die Reaktionen. Aber dass ein Erfolg hier nun auch die Finanzierung von Folgeprojekten mit sich bringt, freut uns ungemein.

Christoph Gröner: Wir sehen natürlich auch, dass genau diese Möglichkeit bereits große Anziehungskraft an anderer Stelle entfaltet. Unser CineCoPro-Wettbewerb, effektiv durch die Bayerische Staatsregierung über den FFF Bayern mit einer Preissumme von 100.000 Euro ausgestattet, zieht immer mehr Produzent*innen an – die Hälfte der Wettbewerbsfilme wird in diesem Jahr als Weltpremiere gezeigt. Zwar ist das kein Regularium, aber die Entwicklung zeigt: Koproduktion mit Deutschland wird immer wichtiger, und das Filmfest München ist dafür ein gutes Zuhause.

 

Das Filmfest München hat sich seit jeher durch seine charismatischen Programmer*innen ausgezeichnet. Bleibt es beim bisherigen Team oder gibt es Veränderungen?

Christoph Gröner: Wir haben im Programm natürlich ganz tolle Mitarbeiter*innen mit jeweils eigenen Schwerpunkten und Netzwerken, die ganz wichtig für das Festival sind. Eine Mischung aus Erfahrung und neuen Ideen ist für ein Festival sehr wichtig, und wir sind da sehr dankbar, mit jeder Programmsitzung immer wieder äußerst kreative Impulse für das Festival zu erleben.

Julia Weigl: Außerdem haben wir ja bereits im letzten Jahr eine neue Generation in unser Programmteam geholt, die natürlich auch weiterhin bei uns im Team sind.

In diesem Jahr bildet die Dach-Region den Schwerpunkt der CineCoPro Conference. Welche Highlights erwarten die Teilnehmer*innen?

Julia Weigl: Die Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren in der Region ganz offensichtlich noch einmal vertieft, gleichzeitig sind die Veränderungen sehr dynamisch. Neue Förderinstrumente entstehen und verändern sich laufend. Dass wir nun aus der erweiterten Dach-Region mit Südtirol spannende Produzent:innen bei uns begrüßen werden, zeigt sich schon an ersten Reaktionen der internationalen Partner.

Christoph Gröner: Und gemeinsam mit dem FFF Bayern und erstmals auch German Films stellen wir eine ebenso spannende deutsche Delegation zusammen. Man darf also inspirierende Diskussionen erwarten – und mehrere hochkarätige Weltpremieren aus den Regionen. Dazu in den nächsten Wochen mehr.

 

Mit dem Festival der Zukunft geht das Festival neue Wege der Zusammenarbeit. Wie wird die Verzahnung aussehen?

Julia Weigl: Wir arbeiten konzeptuell und kommunikativ bei einem XR Track zusammen, der sein Zuhause am Forum des Deutschen Museums findet. Für uns ist besonders spannend, dass wir ergänzend zu unseren jahrelangen Kooperationen mit der Kunstwelt, dem Theater oder der Buchbranche nun auch im Bereich Technologie und Wissenschaft neue Partner finden. Film ist das perfekte Amalgam, um verschiedene Ansätze von Kreativität zusammen zu führen.

Als zweitgrößtes Festival neben der Berlinale steht das Filmfest München unangefochten da – wie schätzen Sie Ihre Möglichkeiten ein, die Zahl der Uraufführungen weiter zu erhöhen und für die Industry noch wichtiger zu werden?

Christoph Gröner: Wir haben die Grundlagen dafür in den letzten Jahren gelegt. Klareres Profil und Vorteile bei den Akkreditierungen, internationalisierte Kommunikation, neues Design und mit den CineWaves einheitliche Preissymbole bei unseren Wettbewerben. All dies sind Elemente, die Anziehungskräfte entfalten – ganz natürlich.

Julia Weigl: Wir wollen das Erlebnis der letzten Jahre für Akkreditierte, mit München und dem Filmfest München als Ort des entspannten und gewinnbringenden Zusammenseins, natürlich weiter stärken. Wenn wir uns anschauen, wie viele Firmen und neue Partner Happy Hours oder andere Veranstaltungen bei uns unterstützen wollen, stimmen die ersten Indikatoren. Wir freuen uns darauf, dass viele Menschen nach München kommen und es noch mehr werden als im letzten Jahr.

 

Sehen Sie sich weiterhin als Boutique-Festival? Oder identifizieren Sie sich neu?

Julia Weigl: Diese Formulierung bezieht sich ja vor allem darauf, dass wir uns bei Premieren internationaler Filme ganz genau fragen: Können wir für einen von uns für toll empfundenen Film den richtigen Platz bieten? Deshalb schauen wir ganz genau, wie können wir Filme kontextualisieren, wie befördern wir die Sichtbarkeit, indem wir Filme mit internationalen Festivals gezielt und bewusst teilen.

Christoph Gröner: Im Sinne dieser Genauigkeit wollen wir weiterarbeiten. Im Vordergrund sehen wir uns als ein Festival der Entdeckungen und die Nr. 1 Plattform des deutschen Films in all seinen Facetten.

 

Sie schreiben, Sie möchten „Dialog ermöglichen“. Was wünschen Sie sich von Ihren Gesellschaftern, den akkreditierten Fachbesucher*innen und dem Publikum, damit das gelingt?

Christoph Gröner: Ganz einfach, das was jeden guten Dialog ausmacht. Zuhören, nicht gleich auf die eigene Haltung pochen oder ablehnen, sondern sich öffnen für den Austausch und ein Verständnis füreinander.

Julia Weigl: Film berührt uns, mal positiv, mal negativ – und im Kino miteinander. Das heißt nicht, dass wir danach die gleiche Meinung haben. Sondern mehr voneinander und der Welt wissen – das ist doch die Kraft des Kinoerlebnisses.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Olga Havenetidis
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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