Am 16. Februar 2024 meldete die russische Gefängnisverwaltung den Tod von Alexej Nawalny. Das Münchner DOK.fest-Publikum verbindet mit diesem Namen, zusätzlich zu all jenem, was es mit dem laut SPIEGEL „schärfsten Kritiker der russischen Regierung“ zu verbinden gibt, einen ganz besonderen Moment: den Moment, in dem das Festival im Mai 2022 das Festival eröffnete. Als Deutschlandpremiere lief der Film von Daniel Roher in München und zusätzlich zu der ganzen Aktualität, die im Leben wie im Film bedrückend erschien, bedeutete die Eröffnung damals aber auch im Widerspruch dazu einen Moment der Euphorie und Befreiung, weil sie die erste große gesellschaftliche Veranstaltung in der Stadt nach mehr als einem Jahr Pandemie war. All diese gegensätzlichen Gefühle tauchten bei der Todesmeldung wieder auf und auch die Erinnerung an das DOK.fest München, das in zwei Monaten wieder startet. Wird es dann wieder Filme geben, deren düstere Vorahnungen irgendwann Wirklichkeit werden? Bestimmt.
Ein Festival, das sich auf den Dokumentarfilm konzentriert und das so kuratiert wird wie von Daniel Sponsel und seinem Team, kann gar nicht anders, als sein Publikum mit der Wirklichkeit zu konfrontieren, kritisch zu konfrontieren. Bei einem Gespräch für die FilmNews Ende Januar im Stadtcafé, gegenüber von der Münchner Synagoge, antwortet er auf die Frage, wie sich die Suche nach dem neuen Festivalprogramm für Mai 2024 gestaltet: „Wir suchen Filme, die gesellschaftliche Veränderungen thematisieren.“
Gesellschaftliche Veränderungen gibt es wohl, seit es Gesellschaften gibt, so bewusst wie heute waren sie den Gesellschaften aber vielleicht nicht immer. Durch die zeitgenössischen Kommunikationsmittel folgt die Sichtbarmachung und Auseinandersetzung der Veränderung ihrem Phänomen auf dem Fuße, wenn sie ihr nicht sogar zum Teil vorausgeht. Aktuelle Veränderungen sind ebendiese, also Folgen der Digitalisierung, die durch KI sich ihrerseits verändert, und die auch zu den gegenwärtigen Herausforderungen für die Demokratie gehört. Die Art zu debattieren hat sich ebenso verändert, wie sich die Arbeitswelt verändern wird. Ökonomisches Wachstum stößt an Grenzen, der klimatisch bewohnbare Raum auf dem Planeten reduziert sich. Eine Pandemie haben wir gerade hinter uns, auch diese wirkt nach. Epidemiologen sprechen sogar von einem ganzen Zeitalter der Epidemien. Wenn das stimmt, dann haben wir noch einiges vor uns. Gesprochen wird auch vom Zeitalter der multiplen Krisen, auch ausgelöst durch Kriege.