Der Erste
seiner Art

Julia Eiber und Tim Schaer haben mit ihrem englischsprachigen und international ausgerichteten Podcast Meet the ADs eine Nischen-Marktlücke entdeckt. Im Gespräch mit internationalen AD-Teams von Im Westen nichts Neues, The Crown oder Tàr berichten sie, wie es zu dem Projekt kam, wie sie das Berufsbild transparenter nach außen tragen wollen und wo eigentlich die Unterschiede zwischen Regieassistent*innen und ADs liegen. Ein Interview.
Interview von Julia Wülker
9 Minuten Lesezeit
W

Wie und wann kamen Sie auf die Idee, den Podcast Meet the ADs zu starten? Was ist die Geschichte hinter Ihrem Projekt?

Wir kannten uns ursprünglich nur aus der gemeinsamen Verbandsarbeit für die ADU (Assistant Directors Union Deutschland), wo wir zusammen im Vorstand gearbeitet haben. Die Idee zum Podcast entstand im Sommer 2023 – nach den ersten Assistant Director Awards. Diese Awards wurden in Zusammenarbeit der AD-Berufsverbände aus Deutschland, UK, Schweiz, Italien und Frankreich ins Leben gerufen und haben in der Kategorie „Feature Film“ und „Series“ jeweils drei Gewinner-Teams prämiert. Als „Preisverleihung“ diente ein für die Öffentlichkeit zugänglicher Zoom-Call, den Julia moderiert hat. In diesem Call wurden mit allen Gewinner-Teams kurze Interviews geführt und dann die Möglichkeit gegeben, dass Zuhörer*innen Fragen stellen konnten. Sehr schnell ist aufgefallen: Der internationale Bedarf nach Austausch, Vernetzung und Vertiefung der Erfahrung unserer Profession ist extrem groß. Nach dem Call sind bei Julia unzählige positive Mails von ADs aus der ganzen Welt eingegangen, die sich mehr derartige „Veranstaltungen“ gewünscht haben. Da war die Idee zum Podcast nicht weit weg. Diesen haben wir dann – mit Hilfe der ADU – innerhalb von drei Monaten aus dem Boden gestampft und für die erste Folge die Gold-Gewinner der Kategorie „Serie“ eingeladen: Die ADs der 5.+6. Staffel Peaky Blinders aus England. Wir machen den Podcast in erster Linie zusammen, weil wir beide in unserer Vergangenheit schon öfter moderiert haben und extrem viel Spaß an unserer endlosen Liebe zum Kino haben. Der Podcast ist sozusagen ein „Hobby“, das wir glücklicherweise in der Öffentlichkeit austragen dürfen. Dabei ist die Aufgabenverteilung neben der inhaltlichen Recherche auch ganz verschieden: Tim kümmert sich um den „technischen“ Hintergrund, also die Aufnahme, das Equipment, aber auch das Schneiden und Mischen einer Folge und Julia macht die Gästeplanung, Social Media und die Pressearbeit.

„Während Cast und Regie sehr viel zum inhaltlichen Entstehen eines Films oder einer Serie sagen können, sind die ADs ja die Hauptverantwortlichen für das komplette Gerüst, in dem dieser Inhalt überhaupt erst gemacht wird.“

Es gibt sehr viele Podcasts – was zeichnet Ihren Podcast aus und unterscheidet ihn von anderen?

Einen Podcast, in dem ADs oder Regieassistent*nnen zu Wort kommen dürfen, gibt es noch nicht. Alle Formate, die sich mit dem „behind the Scenes“ eines Films oder einer Serie auseinandersetzen, laden verständlicherweise Cast oder Regie ein – manchmal vielleicht noch die verantwortliche Person der Bildgestaltung. Während Cast und Regie sehr viel zum inhaltlichen Entstehen eines Films oder einer Serie sagen können, sind die ADs ja die Hauptverantwortlichen für das komplette Gerüst, in dem dieser Inhalt überhaupt erst gemacht wird. Wir sind ziemlich stolz, der erste unserer Art zu sein und somit eine kleine Nischen-Marktlücke entdeckt zu haben. In unserem Podcast können wir also erfragen, welche logistischen Herausforderungen, komplexe Einstellungen oder zeitliche Einschränkungen es gab. Oben drauf können wir unser Berufsbild etwas transparenter nach außen tragen und vielleicht den ein oder anderen Nachwuchs begeistern. In jedem Gespräch gibt es meist einen Lerneffekt und manchmal erfährt man auch einfach das kurioseste Trivia-Wissen. Im Gespräch mit 1st AD Michael Lerman zu James Bond: Skyfall sind wir z.B. drauf ge-kommen, dass bei einem Dreh in fast 10 Ländern nicht etwa die Logistik problematisch war, sondern der Anschluss-Bartwuchs von Daniel Craig. Die Folge erscheint am 1. Juni.

Sie unterhalten sich hauptsächlich mit ADs aus dem anglo-amerikanischen Raum. Haben Sie von Anfang an geplant, den Podcast auf Englisch für ein internationales Publikum zu machen?

Ja, den Podcast auf Englisch zu machen, war von Anfang an gesetzt. Ganz einfach: Einerseits, um allen Interessierten auf der Welt die Möglichkeit zu geben, zuzuhören und andererseits, um überhaupt mit den tollen internationalen Kolleg*innen sprechen zu können und nicht nur auf Deutschland limitiert zu sein. Es geht ja um eine globale Vernetzung und einen länderübergreifenden Austausch von Erfahrung. Ab und an führen wir ein Interview auch auf Deutsch, wenn der Film oder der Gast eine primäre Relevanz und Popularität in Deutschland mitbringt. So haben wir zum Beispiel Anfang des Jahres mit dem früheren Regieassistenten und jetzigem Regisseur und Produzent Christopher Doll auf Deutsch über seinen Kinofilm Eine Million Minuten gesprochen.


An welche Zielgruppe ist Ihr Podcast gerichtet?

Primär ist die Zielgruppe natürlich jede Person, die im AD- oder Regieassistenz-System arbeitet. Nach einer Umfrage, die wir neulich gestartet haben, konnten wir aber auch erfreut feststellen, dass sich auch einige andere Filmschaffende und ein paar wenige „Nicht-Filmies“ unter den Zuhörer*innen befinden. Ein befreundeter Kameraassistent sprach uns drauf an, dass er unseren Beruf durch den Podcast nochmal ganz neu wahrnimmt. Am meisten freuen uns jedoch Nachrichten oder Mails von Menschen, die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen, wie zum Beispiel Runner, und denen unser Podcast hilft, etwas über den Beruf zu lernen. Und besonders toll ist die Reichweite in Länder, die wir nie erwartet hätten. Laut unserer Spotify-Auswertung wurden wir schon ein paar Mal in Kolumbien, Australien, Thailand, Ungarn oder Griechenland gehört.

Jeder Film oder Serie bringt danach natürlich ein eigenes Feld an interessanten und relevanten Themen mit.

Welche Themen liegen Ihnen am Herzen, die Sie im Podcast besprechen wollen?

Wir erfragen immer die wichtigsten „Kern-Punkte“, wie etwa die Größe und Aufstellung des AD Teams, Anzahl der Drehtage und Units, Länge der Vorbereitung und Angabe der Drehorte. Jeder Film oder Serie bringt danach natürlich ein eigenes Feld an interessanten und relevanten Themen mit. Mit den Gästen von Im Westen Nichts Neues ging es um das wochenlange Drehen in kalten, schlammigen Schützengräben, das Erreichen der minutenlangen Einstellungen und das Thema Sicherheit, wenn zum Beispiel Stuntmänner angezündet werden. Mit dem Team von 1899 stand Drehen im „Volume“ in Berlin im Vordergrund und Komparseninszenierung von digitalen Komparsen. Hingegen hat uns bei The Crown am meisten interessiert, wie es ist, 6 Staffeln einer historischen Serie zu begleiten, die durch alle erdenklichen Zeiten hüpft, aber ständig wechselnde Regisseur*innen hat. Da steht man als 1st AD gegenüber den einzelnen „Chefs“ nochmal vor einer ganz anderen Herausforderung.

Sie selbst arbeiten auch als Regieassistent*innen. Worin besteht der Unterschied zwischen Regieassistent*innen und ADs? Wo und wie grenzt sich das Berufsbild ab?

Richtig, wir arbeiten jedoch auch abwechselnd in beiden Systemen beziehungsweise kommen aus der Regieassistenz und haben nach und nach unseren Weg ins AD-System gefunden. Tim arbeitet mittlerweile als Key 2nd AD im fiktionalen Bereich und 1st AD in der Werbung. Bei Julia ist es ähnlich, sie war ebenfalls eine ganze Weile als Key 2nd AD unterwegs und steht nun mit einem Bein in der 1. Regieassistenz. Einer der größten Unterschiede zwischen dem internationalen Drehsystem, dem sogenannten AD-System, und dem Regieassistenz-System liegt darin, dass das AD-Department eine eigenständige Abteilung ist. Regieassistent*innen hingegen gehören zur Regie-Abteilung. Die Planung der Vorproduktion und die gesamte Kommunikation mit Agenturen und Schauspieler*innen liegt in den Händen der AD-Abteilung. Der Vorteil hierbei ist zum Beispiel, dass alle Informationen in einer Abteilung gebündelt werden und nicht über mehrere verstreut sind. Die Ansprechperson des Casts in der Vorbereitungszeit sind zum Beispiel auch die Ansprechperson vor Ort am Set. Darüber hinaus liegt die Struktu-rierung der Drehtage, deren zeitliche Einteilung und die Organisation der Set-Abläufe allein bei der oder dem 1st AD. Eine 1. Aufnahmeleitung gibt es im AD-System nicht, dafür aber Departments wie Unit, Location und Transportation.


Was könnten Hochschulen, Ausbildungsstätten tun, um das Berufsbild in Deutschland zu etablieren und nach internationalem Standard auszubilden?

Ehrlich gesagt, verdient diese Frage einen eigenen Artikel, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden! Sicherlich sind wir beide auch nicht die richtigen Ansprechpersonen, um das Thema politisch sowie fachlich zu erläutern. Hier geht es im Kern des Problems nämlich nicht nur um das Berufsbild der „ADs“, sondern jegliche Art von Ausbildung, die in Deutschland für viel zu viele Berufe im Film- und TV-Bereich fehlt. Erwähnenswert ist an dieser Stelle die Initiative IN FILM, deren Zielsetzung zur Nachwuchsförderung für Film- und Fernsehberufe es ist, die Professionalisierung und Qualifizierung für Film- und Fernsehschaffende durch eine fundierte und nachhaltige Aus- und Weiterbildung zu erreichen. Mit gemeinsamer Expertise von 15 assoziierten Berufsverbänden, worunter auch wir mit der ADU sind, arbeitet IN FILM daran, die Berufe aller beteiligten Gewerke zu definieren und sichtbar zu machen sowie langfristig eine Ausbildung stellen zu können. Darunter fällt auch der AD-Beruf.

„Wir freuen uns besonders auf die nächsten zwei Aufzeichnungen: mit den ADs vom Film Poor Things und der Serie Ted Lasso.“

Sie haben die ADs von großen internationalen Produktionen wie Tár, The Crown oder Im Westen nichts Neues bereits interviewt. Wer wäre noch Ihr*e absolute*r Traum-Interviewpartner*in?

Einige! Die Liste der kommenden Gäste, auf die wir uns extrem freuen, ist lang. Am schwierigsten ist es immer, einen Aufzeichnungstermin zu finden, der drei bis fünf drehenden ADs in verschiedenen Zeitzonen passt. Wir freuen uns besonders auf die nächsten zwei Aufzeichnungen: mit den ADs vom Film Poor Things und der Serie Ted Lasso. Tim´s absoluter Traum-Gast ist aktuell der 1st AD von Dune: Part 2, aber hier gestaltet sich die Terminkoordination leider extrem schwierig. Das heißt: Daumen drücken!

 

Über den Podcast


Präsentiert von der ADU (Assistant Directors Union Germany) nimmt Meet the ADs die ZuhörerInnen mit auf eine Reise hinter die Kulissen einiger der größten Filme und Fernsehs-hows – aus der Perspektive der RegieassistentInnen, die oft die wichtigsten Crewmitglieder hinter jeder Show sind. In jeder Folge führen die beiden Moderatoren Julia Eiber und Tim Schaer ein interessantes Gespräch mit einem anderen AD-Team aus aller Welt. Im Podcast werden zum ersten Mal überhaupt die Karrieren und Leistungen von Regieassistenten in den Mittelpunkt gestellt.

Alle bisherigen Folgen sind hier abrufbar
Direkt zur aktuellen Folge: bitte hier entlang

 

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Julia Wülker
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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