Europäische
Förderung für
bayerische
Inno­vationen

Viele bayerische Firmen entwickeln innovative Tools: Sie messen die Gefühle von Gamern beim Spielen, verbessern die Beleuchtung bei virtuellen Produktionen oder übersetzen mittels KI Drehbuchtexte in bewegte Bilder. Ermöglicht wird das auch durch die Creative Europe MEDIA Förderung für „Innovative Tools and Business Models“.
Text von Dominik Petzold
10 Minuten Lesezeit
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Wer würde nicht gern anderen Menschen in den Kopf schauen? Für Produzenten von Games und anderen Medien gilt das natürlich besonders: Sie möchten nur zu gern wissen, was ihren potenziellen Kund*innen, Spieler*innen und Zuschauer*innen gefällt – und was nicht. Hier setzt das junge Münchner Start-Up Brainamics an. Es hat eine besondere Methode zum Testen von Games entwickelt: Brainamics setzt den Gamern Elektroden auf den Kopf und misst während des Spielens die Hirnströme. Und erhält schließlich dank eines Deep-Learning-Modells Antworten auf die entscheidenden Fragen: In welchen Momenten des Games werden welche Emotionen ausgelöst? Und in welcher Intensität?

Das Verfahren mit den Elektroden heißt Elektroenzephalographie, kurz EEG. Manche kennen es aus der Arztpraxis: Was das EKG für das Herz ist, ist das EEG für das Gehirn. Philipp Zent, der Gründer und CEO von Brainamics, experimentierte damit während seines Informatik- und BWL-Studiums bei einem Münchner Hackathon, an dem er mit einem befreundeten Physikstudenten teilnahm. „Wir bekamen die EEG-Sensoren und man hat uns überlassen, was wir damit anstellen“, sagt Zent. „Wir waren begeisterte Gamer, hatten die Idee, die Sensoren zum Testing zu verwenden, und haben sofort begonnen, die Technologie zu entwickeln.“

Daran arbeiteten sie weiter und gründeten mit Unterstützung der Technischen Universität München das Start-Up Brainamics. „Wir wussten, dass Spielentwickler mit dem üblichen Game-Testing nicht allzu zufrieden sind“, sagt Zent. „Es basiert auf Befragungen, ist fehleranfällig und subjektiv. Wir wollen die Gefühle eines Spielers objektiv darstellen: Aufregung, Langeweile, Glück oder Furcht.“

Und das geht mit ihrem Tool so: Die zwölf Elektroden werden am Kopf des Gamers angebracht, zum Beispiel an der Stirn, oberhalb des präfrontalen Cortex, in dem in Glücksmomenten die Neurotransmitter Dopamin oder Serotonin ausgestoßen werden. Dadurch werden Synapsen und schließlich Neuronen aktiviert – und letzteres ist als elektrisches Signal über die EEG-Sensoren messbar. „Ein Deep-Learning-Modell leitet dann aus den gemessenen Werten ab, welche Emotionen wie stark zu welchem Zeitpunkt aufgetreten sind“, erklärt Zent. Das Ergebnis wird in einem Koordinatensystem visualisiert, wie wir es aus der Schule kennen: Auf der x-Achse werden die Gefühle dargestellt – zwischen sehr negativ und sehr positiv –, und auf der y-Achse deren Intensität.

Im Frühjahr 2022 brachte Brainamics das Tool auf den Markt und fand schnell Kunden. Dann wurde Ende des Jahres ChatGPT veröffentlicht und der Hype um generative KI und Large Language Models brach aus. „Diese Technologien wollten wir auch nutzen, um das Playtesting zu verfeinern“, sagt Zent. Und passenderweise war er damals auf einen Förderaufruf der EU aufmerksam geworden: die Creative Europe MEDIA Förderung für „Innovative Tools and Business Models“.

Philipp Zent, Gründer und CEO von Brainamics

Sie richtet sich an Firmen wie Brainamics, die innovative softwarebasierte Lösungen und neue Geschäftsmodelle für die audiovisuelle Branche anbieten. Die Anträge müssen über das „Funding & Tenders“-Portal der EU gestellt werden, die Creative Europe Desks stehen den Firmen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Im süddeutschen Raum sind Ingeborg Degener und Ewa Szurogajlo vom Creative Europe Desk München die Ansprechpartnerinnen.

Die Creative Europe MEDIA Förderung für „Innovative Tools and Business Models“ können Firmen für Projekte in der Entwicklungsphase beantragen, aber eben auch für existierende Produkte wie das Gametesting-Tool von Brainamics, das um neue Funktionen erweitert werden soll. Und auch Unternehmen können sich bewerben, die mit etablierten Produkten oder Dienstleistungen neue europäische Märkte erschließen wollen.

Gefördert werden zum Beispiel

  • Tools zur Untertitelung, Auffindbarkeit oder Empfehlungen europäischer Werke
  • Lösungen, die die Transparenz und Effizienz audiovisueller Märkte erhöhen, z. B. automatisiertes Rechtemanagement, Tools für Datenerfassung und Datenanalyse
  • Tools, die neue Technologien – wie KI – zur Unterstützung von Produktion, Finanzierung, Distribution und Promotion einsetzen
  • Geschäftsmodelle, die Synergien zwischen verschiedenen Auswertungsplattformen (Festivals, Kinos, VOD) optimieren
  • Lösungen, die zur ökologischen Nachhaltigkeit der Branche beitragen.

Geförderte Projekte erhalten bis zu 70 Prozent der förderfähigen Kosten als Zuschuss. Die Fördersumme ist nicht gedeckelt, das Budget jedoch begrenzt. Brainamics erhielt im Jahr 2023 eine Million Euro, um das Gametesting-Tool weiterzuentwickeln. Und mit dem hat das junge Münchner Unternehmen Erfolg: Seine Kunden kommen unter anderem aus England, Dänemark, Schweden, Finnland, Polen, der Tschechoslowakei, Israel und den USA.

K5: CEO Oliver Simon und Clarens Grollmann, Technical & Creative Director

Auf einen weltweiten Markt blickt auch die K5 Media & Investments GmbH. Das Münchner Unternehmen erhielt beim diesjährigen Creative Europe MEDIA Förderaufruf für „Innovative Tools and Business Models“ die höchste Summe: 1,29 Millionen Euro. Die Gelder werden in die Entstehung der neuen Software Illumina Twin fließen, die die Beleuchtung bei virtuellen Filmproduktionen vereinfachen und verbessern soll.

Bei diesen wird vor einer LED-Wand gedreht, auf die digitale Bilder projiziert werden. Somit gibt es zwei Sets: ein virtuelles und ein reales. Wenn sich die Lichtverhältnisse am realen Set ändern, wird das nicht in das virtuelle Set übertragen. Die nötige Anpassung in der Post-Production dauere lang und sei somit teuer, sagt Clarens Grollmann, der Technical & Creative Director bei K5. „Wir wissen durch Gespräche mit Produzenten, Kameraleuten und Beleuchtern, dass das Thema Licht bei virtuellen Produktionen ein Knackpunkt ist. „Die teure Nachbearbeitung frisst die Vorteile einer virtuellen Produktion schnell auf, vor allem wenn nur vereinzelte Szenen virtuell produziert werden“, so Grollmann. Mit der Software „Illumina Twin“ sollen die Lichtsituationen am virtuellen und realen Set gekoppelt werden. „Dadurch wird das Thema Beleuchtung gleich vor Ort gelöst“, sagt Grollmann. „Die Arbeit am Set wird unkomplizierter – es kann und muss mehr Arbeit bereits in der Pre-Production erfolgen.“

Oliver Simon, CEO der K5, ergänzt: „Nach vielen Gesprächen mit Branchenmitgliedern gehen wir davon aus, dass wir durch Illumina Twin die gesamten Produktionskosten bei virtuellen Produktionen um bis zu zehn Prozent senken können. Und zugleich wird die kreative Freiheit am Set größer. Die Förderung durch Creative Europe ermöglicht es uns, dieses hochambitionierte Projekt in Angriff zu nehmen.“

Auch viele andere bayerische Unternehmen konnten von den Fördermitteln bereits profitieren und anspruchsvolle Projekte umsetzen, zum Beispiel Yamdu, Benjamin Lochmann New Media, Malao (siehe Kästen) und Crew United (siehe Interview in dieser Film News-Ausgabe). Und bald können dank der Creative Europe MEDIA Förderung „Innovative Tools and Business Models“ weitere Projekte entstehen oder fortentwickelt werden. Aktuell können wieder Anträge eingereicht werden. Wie in jedem Jahr gibt es nur einen Förderaufruf – und der Einreichschluss ist am 16. Januar 2025.

Mehr Infos unter creative-europe-desk.de/media

3 weitere geförderte Innovationen

 

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Yamdu: Alle Daten in einer App

 

Mit der Applikation Yamdu lassen sich alle Daten von Film- und Fernseh­pro­duk­tionen in der Cloud verwalten: vom Skript über die Tagesdisposition bis zu den End-Credits. Neuigkeiten oder Drehplanänderungen werden auf die mobile App gepusht, sodass die ganze Crew jederzeit informiert ist. Yamdu kommt bei Studenten-, Dokumentar- und Spielfilmen zum Einsatz, bei Serien wie „Soko Linz“ oder „Rote Rosen“ und bei Showproduktionen wie „Last Week Tonight With John Oliver“ auf HBO. Für den internationalen Einsatz hat das Münchner Unternehmen Seriotec GmbH Yamdu inzwischen in über zehn Sprachen übersetzen lassen. Es unterstützt auch Währungen, Einheiten und Formatierungen anderer Länder und Territorien.

Die Creative Europe Media Förderung in Höhe von 875.000 Euro unterstützte Seriotec dabei, Yamdu international zu etablieren. „Wir haben die Summe zum Teil in Marketing- und Salesaktivitäten gesteckt, etwa in Messeauftritte oder die Teilnahme auf europäischen Festivals“, sagt Gründer und CEO Florian Reimann. „Wir konnten das Marketing-Material in diverse Sprachen übersetzen lassen und Yamdu in diversen Märkten bewerben.“ Weitere Fördergelder flossen zum Beispiel in die neue mobile App für iOS und Android, die in diesem Jahr gelauncht wurde. „Aber auch neue Features zur Zeiterfassung der On-Set Crew oder zur CO2-Bilanzierung wurden so beschleunigt“, sagt Reimann. „Und durch die Förderung sind auch neue Partnerschaften entstanden, zum Beispiel mit Crew United, die zeitgleich gefördert worden sind: Man kam ins Gespräch und schon ergab sich eine tolle Kooperation.“

Florian Reimann, CEO der Seriotec GmbH

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Das „Contacts Tool”: Wie man die richtigen Influencer findet

 

Die Benjamin Lochmann New Media GmbH aus Nürnberg hat ein „Contacts Tool“ programmiert, um auf Twitch, Tiktok, Youtube und Webseiten Influencer ausfindig zu machen, die vor Online-Zuschauern bestimmte Games spielen. Diese können dann kontaktiert werden, wenn man für ein ähnliches neues Spiel Marketing macht. „An die überberühmten Influencer kommt man als Indie-Produzent nur schwer ran“, sagt Benjamin Lochmann, der auch die Games-Firma Pixel Maniacs leitet. „Am effektivsten ist es, wenn man Leute kontaktiert, die 200, 300 Zuschauer haben.“

Wenn man diese überreden will, ein neues Game zu testen, kann man sein „Contacts Tool“ ebenfalls nutzen: Es umfasst auch Features zur Kontaktverwaltung und lässt sich im Nachgang zur Analyse des Marketings nutzen. In der Pressearbeit ist es ebenfalls einsetzbar. Mehrere Dutzend Unternehmen aus Deutschland, China, Australien, Kanada, England, Frankreich, Polen und anderen Ländern nutzen das „Contact Tool“, sagt Lochmann. „Can’t Drive This“, ein Game seiner Pixel Maniacs, wurde dank des Tools 4.300 Mal in Medien erwähnt.

Zur Weiterentwicklung seines Tools hatte Lochmann im Jahr 2023 eine Creative Europe Media Förderung in Höhe von 640.000 Euro erhalten. „Aber auch die Erstellung des Antrags hat mir schon viel gebracht“, sagt er. „Ich musste mir Zeit nehmen, um mal über Meta-Themen wie Sustainability nachzudenken – und seither sparen wir sehr viel Energie.“

Benjamin Lochmann, Chef der Benjamin Lochmann New Media GmbH

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Malao: KI-Revolution in der Projektentwicklung

 

Das Unternehmen Malao arbeitet an einem System, das sämtliche Tools für die Entwicklung von Filmstoffen umfassen soll: ein „Studio In Your Pocket“. Besonders interessant daran: Drehbuch-Texte sollen sofort in bewegte Bilder umgewandelt werden können – dank einer Kombination aus KI und Game-Engine-Technologie. „Dadurch können Filmschaffende ihre Visionen bereits in den frühen Entwicklungsphasen audiovisuell erleben und verfeinern“, sagt Mitgeschäftsführer Nils-Claudio Sierck.

Doch ihr System soll noch viel mehr können, es soll alle kreativen und kommerziellen Aspekte einer Filmproduktion zusammenführen. „In sechs eng miteinander verbundenen Hubs vereinen wir die kreative Arbeit an Worldbuilding, Charakterentwicklung und Storytelling mit den kommerziellen Bereichen Marketing, Finanzen und Franchise“, sagt Sierck. „Als konkrete Ergebnisse entstehen eine World- und Character-Bible, ein vollständig entwickeltes und previsualisiertes Drehbuch sowie ein durchdachter Businessplan.“

Das System soll immer den Bezug zwischen den verschiedenen Bereichen herstellen. Nils-Claudio Sierck gibt ein Beispiel: „Schreibt der Drehbuchautor ,Luna läuft vom Surfshop zur Schule‘, wird diese Szene in Echtzeit visualisiert. Wenn der Regisseur aber nun vorschlägt, das Ziel von der Schule zur Bibliothek zu ändern, passt sich die Visualisierung automatisch an – und das System erkennt auch die möglichen Auswirkungen auf das Budget oder die Locations und aktualisiert diese entsprechend. Das hilft, potenzielle Produktionsherausforderungen frühzeitig zu erkennen.“ Um diese zu meistern, soll die KI verschiedene Lösungsvorschläge anbieten.

Außerdem soll ein KI-gestütztes Bewertungssystem die kreative Qualität und das kommerzielle Potenzial des Projekts einschätzen. Trainiert wird das System hierfür mit Analysen zehntausender Filme, zudem fließen die Einschätzungen aller am Film beteiligten Kreativen sowie Entscheider in einen Bewertungsalgorithmus ein. „Wir haben zwei Schlüsselkomponenten für erfolgreiche Filme identifiziert: Sie müssen sowohl ,meaningful‘ sein – also sinnstiftend, mit einer klaren Botschaft und positiven Werten – als auch ,entertaining‘, also fesselnd und unterhaltsam“, sagt Sierck. Was nach einem revolutionären Produkt klingt, soll bis 2025/26 entstehen – und das auch mithilfe der Creative Europe Media Förderung in Höhe von 925.000 Euro.

Nils-Claudio Sierck, Mitgeschäftsführer von Malao

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Dominik Petzold
Fotos: Creative Europe, K5, Malao, Seriotec, Brainamics, Benjamin Lochmann New Media GmbH
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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