Handels­kara­wanen auf hölzer­nen Bahnen

In Let Them Trade müssen handelnde Siedlungen indirekt zum Reichtum geführt werden, denn nur gemeinsam lassen sich die Bedürfnisse aller Bewohner*innen befriedigen. Das Nürnberger Entwicklungsstudio Spaceflower stemmt den bevorstehenden Release nicht nur dank bayerischer Förderung, sondern auch mit Berliner Publishing-Expertise.
Text von Pascal Wagner
7 Minuten Lesezeit
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Hölzerne Hufe klappern über ein eichengemasertes Hexagon, als ein Spielzeug-Fuhrwagen am Bergfried vorbeizieht. Das Fahrzeug gehört einem Händler aus Rosenauen, einem Holzfällerdorf im Westen einer Karte aus Sechsecken unterschiedlicher Farbe. Rosenauen liegt am Wald, und so ist sein Hauptexportprodukt klar. Der Karren voller Holz ist auf dem Weg ins östliche Nachbardorf Kornberg, einer kleinen Siedlung im satten Grasland. Auf dem Rückweg wird der Karren Kartoffeln mitbringen, so deckt der Händler der Grundbedarf der bäuerlichen Bevölkerung in beiden Dörfern. Im Bergfried klingeln die Kassen: Denn bei jedem Tauschgeschäft werden Steuern fällig.

Diese kleine Szene beschreibt das Grundkonzept des Nürnberger Indie-Games Let Them Trade im Kern. Spielende bauen unterschiedliche spezialisierte Dörfer auf die Hexkacheln einer kleinen Karte und nutzen dabei das umliegende Terrain, um ihre Ressourcenproduktion zu optimieren. Ähnlich wie in der Anno-Reihe von Ubisoft Mainz und Düsseldorf wollen alle Anwohner jedoch Grund- und Luxusbedürfnisse erfüllt haben, weswegen die einzelnen Siedlungen untereinander Handel treiben. Das läuft gänzlich automatisiert ab, die Spielenden optimieren die Geschäfte auf der Karte jedoch indirekt durch optimale Straßenführung und die stetige Verbesserung von Produktionsanlagen und Warenkreisläufen. Nur, wer Bedürfnisse und Steuerlast geschickt in der Waage hält und die Materialansprüche von Forschung und Burgverwaltung mit Bauvorhaben in den Dörfern in Einklang bringt, kann die Kartenziele erreichen und eine Partie Let Them Trade gewinnen.

Bevor all die Komplexitäten des Handels-Strategiespiels jedoch offenbar werden, sticht ein ganz anderes Merkmal von Let Them Trade ins Auge: Die charmante Holzoptik, die jede Siedlung und jede Figur wie direkt einem Kinderzimmer-Bausatz oder den Holzfiguren eines Worker-Placement-Brettspiels entsprungen wirken lässt. “Es war tatsächlich Zufall, dass das Spiel bei einer Brettspieloptik landete, auch wenn die Grundidee schon ein Brettspiel war”, offenbart Alexander Schmidt, Marketing Manager bei Spaceflower, den Entwickler*innen hinter Let Them Trade. “Der Grafikstil war unter anderem eine Möglichkeit für uns, mit einfachen Mitteln einen ansprechenden Look zu erzeugen. Also haben wir uns darauf beschränkt, Modelle mit recht einfacher Geometrie zu erstellen und viel Arbeit in das Texturing zu stecken. Trotzdem sollte das Spiel keinen typischen Low-Poly-Look haben.” Die Brettspielanleihen hören nicht beim Look auf, denn das Setzen der Dorfgebäude lässt sich durchaus mit der Platzierung von Spielsteinen vergleichen. “Let Them Trade war tatsächlich zuerst die Adaption eines Brettspiels, welches unser CEO Thomas Otto im Rahmen seines Game Design Studiums an der htw Berlin entwickelt hatte. Es hat sich dann aber nach und nach zu was ganz eigenem entwickelt.” Für die Umsetzung der Handelsmechaniken und der Infrastruktur hat sich das kleine Studio schließlich an Größen der Handelskettenspiele orientiert, allen voran das bereits erwähnte Anno, aber auch Verkehrssimulationen wie Mini Metro. Doch zunächst entstand das Spiel ganz ohne konkrete Inspiration von anderen Games und Brettspielen, “auch wenn es jeden an Catan erinnert”, sagt Schmidt lachend.

(c) ByteRockers’ Games/Spaceflower

Doch wer sind überhaupt Spaceflower – und was macht Let Them Trade zu einem so besonderen Vorzeigeprojekt, nicht nur für Bayern, sondern bis hoch nach Berlin? “Spaceflower ist das Herzenspojekt von Thomas und seinem Mitgründer Peter Eichinger gewesen“, so Schmidt. „Sie haben damals schon Spiele zusammen entwickelt und dann im April 2019 nach dem Studium zusammen gegründet. Let Them Trade war auch direkt das erste Projekt der beiden, und sie sind mit einer Konzeptförderung des FilmFernsehFonds Bayern nach der Gründung direkt in die Entwicklung gestartet.” Tatsächlich war der FFF Bayern von Anfang bis Ende Teil der Geschichte Let Them Trades: Denn neben der Konzeptförderung in Höhe von 20.000 Euro durchliefen Spaceflower den gesamten Förderzyklus und erhielten im Anschluss 80.000 Euro an Prototyp- und schließlich weitere 245.000 Euro an Entwicklungsförderung. “Die Förderung war die Möglichkeit für uns, als Indie-Studio ohne Track Record etwas auszuprobieren und ein Projekt zu verwirklichen, an das wir geglaubt haben. Wir haben alle Phasen der Förderung mit Let Them Trade durchgemacht und dabei vieles gelernt, was wir auch bei zukünftigen Projekten anwenden können. Ohne die Förderung wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Die Förderung hat uns außerdem erlaubt, auch mal Fehler zu machen, die uns sonst bei einem komplett selbst finanzierten Projekt richtig in eine Misere gebracht hätten”, so Schmidt.

Während Eichinger das Studio später verließ, um einen anderen Karriereweg einzuschlagen, wuchs Spaceflower weiter und fasste in einem ganz besonderen Nürnberger Indie-Verbund Fuß: Benjamin Lochmann, Gründer und CEO der erfolgreichen Entwicklungsfirma Pixel Maniacs, stieg als Gesellschafter bei Spaceflower ein, nachdem Otto ein Praktikum bei den Pixel Maniacs absolviert hatte. Nun sitzen Spaceflower gemeinsam mit anderen Studios im Büro-Hub der Spaceflowers am Rande Nürnbergs, eng verknüpft mit der lokalen Infrastruktur. “Das war ein großer Gewinn für uns. Viele Herausforderungen, die wir zu meistern hatten, haben die Pixel Maniacs schon gemeistert und konnten uns da guten Input liefern und haben es auch immer bereitwillig getan. Auch ist es einfach super motivierend, nicht alleine in einem Büro zu sitzen, sondern auch andere Entwickelnde mit anderen Projekten um sich rum zu haben. Das regt auch die Kreativität nochmal mehr an”, freut sich Schmidt. Und über die Connection mit den Pixel Maniacs entstand auch eine bayerisch-berlinerische Kooperation, wie sie sonst eher selten ist: Der Kontakt zu ByteRockers’ Games, ein erfolgreiches Indie-Studio, das zu diesem Zeitpunkt beginnen wollte, auch selbst Spiele zu publishen. ByteRockers’, die einiges besser machen wollen, als sie es bei manch anderem Publisher erlebt haben, steuerten einen Teil des Development-Budgets bei und nahmen Let Them Trade als ihr erstes externes Projekt unter ihre Fittiche. Maik Reichelt, CEO von ByteRockers’, sieht einen großen gegenseitigen Gewinn in der Zusammenarbeit. “Wir hatten genaue Vorstellungen davon, was wir besser machen wollten als viele andere Publisher, die wir ja zum Teil selber kennen und erlebt haben. Spaceflower wiederum zeichnet sich durch absolute Zuverlässigkeit und unerschütterliche Motivation aus. Und wir lernen durch unser erstes extern zu publishendes Spiel auch Dinge kennen, die uns in 17 Jahren interner Entwicklung und Publishing bisher nicht aufgefallen sind. Ich denke, dass wir sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit sind.”

(c) ByteRockers’ Games/Spaceflower

Was für die beiden Partner im Frühjahr anstand, ist der Vollversion-Release von Let Them Trade am 24. Juli 2025 – dicht gefolgt von der gamescom. Und da der Endspurt eines Projekts meist nahtlos in den Beginn des nächsten übergeht, blicken auch Spaceflower natürlich nicht untätig in die Zukunft. “Mit ByteRockers‘ Games haben wir einen tollen Partner, mit dem wir auch gerne in Zukunft noch an weiteren Projekten arbeiten wollen. Wir sitzen auch schon am Konzept fürs nächste Projekt und hoffen auch da auf die Zusammenarbeit mit dem FFF Bayern. In diesem Projekt und auch in Zukunft wollen wir uns auf kleinere Spiele konzentrieren, die schneller marktfähig sind und schneller den Spielenden gezeigt werden können”, offenbart Schmidt. Bisher ist das Player-Feedback positiv, vor allem der Release der Steam-Demo brachte neben erstarktem Interesse auch eine Menge an konstruktivem Feedback interessierter Spielender, mit dem sich Spaceflower bis zum Release noch auseinandersetzt. Wer die Demo selbst anspielt, wird schnell merken: Die Kernmechanik von Let Them Trade funktioniert nicht nur, sie entwickelt schnell auch einen ähnlichen “Nur noch eine Runde”-Sog wie der Großvater der Hexfeldstrategie, Sid Meier’s Civilization. Eine Parallele, die Großes für das Klötzchen-Kleinod aus Franken verspricht.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Pascal Wagner
Redaktion: Olga Havenetidis
Gestaltung und digitales Storytelling: Schmid/Widmaier

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