Himmel
und
Hölle

Das Münchner Studio Nementic Games hat nach etlichen preisgekrönten Auftragsproduktionen erstmals ein Spiel nach eigenem Konzept entwickelt: das FFF-geförderte Game "A Divine Guide To Puzzle Solving". Trotz der herausfordernden Zeit ist es dem Studio gelungen, das Spiel fertigzustellen und zu veröffentlichen. Die Reviews: begeistert.
von Jürgen Moises
5 Minuten Lesezeit

Götter, die mit den Menschen sprechen oder ihnen Prüfungen auferlegen – das kennt man aus antiken Dramen, Sagen oder aus dem Alten Testament. Die Rätsel-Göttin Tobla taucht in den entsprechenden Texten aber nicht auf. Oder vielleicht nur in irgendwelchen apokryphen Schriften, die so gut wie niemand kennt. Wo Tobla auf jeden Fall eine zentrale Rolle spielt, das ist im FFF-geförderten Videospiel A Divine Guide To Puzzle Solving. Darin kidnappt Tobla einen Sterblichen. Weil sie jemanden braucht, um ihre neue Kollektion an Rätseln zu testen. Das geschieht zunächst auf fliegenden Himmelsinseln, danach geht es hinab in feurige, höllische Gruben. Und neben den Lösungen für die immer schwieriger werdenden Rätsel gilt es dort dann auch, den Ausgang aus der unwirtlichen Unterwelt zu finden.

Der Mensch als Spielball einer Göttin, die ihn entführt, ihn zuerst in den Himmel und dann in die Hölle steckt? Das könnte in der Tat der Plot von einem Drama sein. Oder sogar eine Horrorgeschichte. Das Ende März auf der Spiele-Plattform Steam erschienene First-Person Puzzle Abenteuer A Divine Guide To Puzzle Solving, dessen Prototyp-Entwicklung der FFF Bayern gefördert hat, erzählt das Ganze im Gegenteil aber recht leichtfüßig und eher mit den Mitteln der Komödie. Und ansonsten ist es bei dem von dem jungen Münchner Entwickler-Studio Nementic Games kreierten Spiel eh so, dass mehr als die übernatürliche Kidnapping-Geschichte das spannende Rätsellösen im Zentrum steht. Wer Tobla ist, warum sie das Ganze macht, das wird eher beiläufig, Stück für Stück in den Leveln beantwortet.    

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Tobla ist exzentrisch, lebhaft. Sie lacht gern, liebt das Spielen und vor allem ihre selber ausgedachten Spiele. Und sie hat einen zum Teil recht bissigen oder auch sarkastischen Humor. Das erfährt man, weil sie das Spielen, das Rätsellösen kommentiert: Als weibliche Stimme (gesprochen von Jessica Osborne) aus dem Off, während man sonst von ihr nur die Augen oder auch mal die Umrisse ihres Gesichts sieht. Auch von der Figur des Sterblichen, in dessen Rolle man als Spieler schlüpft, sieht man nicht viel. Da gibt es nur die rechte Hand, die man zum Lösen der vorwiegend physikalischen Rätsel braucht. Denn das geschieht in der Regel durch das Bewegen und Austauschen von Objekten. Dabei hilft einem zudem eine „uralte Macht“: der sogenannte Swap-, also Tausch-Strahl.

Mit der zugehörigen Tausch-Mechanik fing im Jahr 2021 auch alles an. Damals nahm das Team von Nementic Games an einem Game Jam, einem Spiele-Entwickler-Wettbewerb teil. Dort entstand spontan die Idee für die Mechanik. Die zugehörige Geschichte mit der Göttin Tobla wurde erst danach entwickelt und genauso die verschiedenen Nebenmechanismen, die das Rätsellösen abwechslungsreicher machen. Dazu gehören Bomben mit Zeitzählern oder rollende Objekte, die ihre Bewegung beibehalten, wenn sie vertauscht werden. Dann gab es auch noch weitere Ideen. Aber wegen der in der Games-Branche zuletzt deutlich spürbaren Krisenstimmung fanden die Spielemacher keinen Publisher und konnten diese nicht realisieren.

Dass sie das Spiel deshalb in Eigenregie fertigmachen mussten, erklärt auch, warum es statt der geplanten 40 jetzt nur 15 Level gibt, wie Sebastian Jantschke von Nementic Games erzählt. Und damit nur eine Spielzeit von drei bis vier Stunden. Dass das Spiel nur auf Steam und sonst keiner Plattform erscheint, liegt, sagt er, ebenfalls im Budget begründet. Und auch die Tatsache, dass es das Entwicklerteam von A Divine Guide To Puzzle Solving inzwischen nicht mehr gibt. Das heißt: Von den sechs festen und vier freien Mitarbeitern, die das Spiel in etwa 15 Monaten vorwiegend im Home-Office entwickelt haben, sind nur noch Sebastian Jantschke und Julian Ludwig als Gesellschafter übrig. Jantschke ist außerdem Projekt Manager, Texter und Game Designer. Ludwig Projekt Manager, Game Designer und Technical Artist.

Beide gehören auch zu den Gründern des Studios, das es offiziell seit 2018 gibt. Dessen außerdem aus zwei Programmierern, einem Game Designer und einer 3D-Künstlerin gebildetes Team aber auch schon im Studium an der Mediadesign Hochschule Projekte entwickelt hat. Das verbindende Element: Es waren alles Puzzle-Spiele. Denn die sind genauso wie interaktives Storytelling „genau ihr Ding“, wie Jantschke am Telefon verrät. Und so sind im offiziellen Portfolio von Nementic Games mit EXIT – The Trial of the Griffin, EXIT – The Curse of Ophir, Ravensburger Labyrinth und Ubongo! auch noch weitere Rätsel-Spiele zu finden. Im Gegensatz zu A Divine Guide… waren das aber Auftragsarbeiten, die neben Steam auch für iOS und Android und teilweise auch für PS4, PS5 und Nintendo Switch entstanden. Für diese Spiele gab es mehrere Nominierungen und Preise. Und bisher ist es so, dass sich Nementic Games mit solchen Auftragsarbeiten finanziert.

A Divine Guide To Puzzle Solving ist dagegen nun ihr erstes, komplett auf eigenen Ideen basierendes Spiel. Wobei es mit Games wie Portal oder The Talos Principle durchaus Vorbilder gibt, wie die Macher in ihrer Game-Beschreibung verraten. Auch in den bisherigen Besprechungen auf Steam gibt es solche Vergleiche. Ansonsten fielen die Rezensionen dort höchst positiv aus. Von einem „wundervollen Puzzle-Game“ ist die Rede, von einem „fesselnden Rätselabenteuer“. Und eine Spielerin schreibt: „Das Ende ist einfach mega!“ Wer sich davon überzeugen will, kann sich das Spiel bei Steam herunterladen, zu einem von den Machern bewusst sehr niedrig gehaltenen Preis. Aber – das sei schon mal verraten – auch wenn man am Ende sehr froh ist, aus der Hölle raus zu sein: Irgendwie vermisst man sie dann doch, die scharfzüngige Tobla und ihre herausfordernden, göttlichen Rätsel.    

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Jürgen Moises
Bilder: Nementic Games
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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