Le sujet, c’est ça!

Gestern hat es begonnen, das 40. DOK.fest München 2025 und macht München für die nächsten elf Tage zum bedeutenden Treffpunkt für Doku­mentar­film­schaffende. Diese Ausgabe ist die letzte unter Daniel Sponsel, der ab Oktober das Amt der HFF München-Präsidenten bekleiden wird. Seine bisherige Stellvertreterin Adele Kohout übernimmt das Festival nach seinem Weggang. Es ist auch die erste Ausgabe mit neuem Profil: Das Programm ist erstmals nicht mehr nach den gewohnten Wettbewerbs- und Ländersektionen sortiert, sondern entlang übergeordneter Themenfelder. Und der Preis heißt nicht mehr Viktor, sondern Viktoria.
Text von Olga Havenetidis
8 Minuten Lesezeit
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Fußball-Metaphern, natürlich. Die wären in Diskussion mit Daniel Sponsel sehr wichtig, wie die künftige neue Leiterin des DOK.fest München Adele Kohout bei der Eröffnung der 40. Edition auf der Bühne im Gespräch mit Moderatorin Christina Wolf dem Publikum kundtat. Darunter vor allem dem neuen Team von Sponsel an der HFF München. Einen ganzen „Leitfaden“ für den Umgang mit ihm packte sie aus. Fußball-Methapern, deshalb „natürlich“, weil eine solche schonmal in der Film News Bayern stand: „München ist noch Dortmund“ lautete damals die Überschrift des Artikels über die Festivalausgabe im Jahr 2017. Damit brachte Sponsel den Bedarf des DOK.fest München an mehr Mitteln zum Ausdruck – um nicht mehr Borussia zu sein, sondern FC. Ein Blick in die Tabelle der Bundesliga 2016/2017 offenbart: Der FC Bayern wurde Meister, Dortmund landete hinter Leipzig auf Platz 3. Eröffnet wurde das DOK.fest München in dem Jahr bereits zum dritten Mal im Deutschen Theater in der Schwanthalerstraße. Dies war erstmals zum 30. Jubiläum 2015 der Fall gewesen.

Nun gab es gestern wieder ein Jubiläum zu feiern, das 40. Es gratulierte Ulrike Scharf, Staatsministerin im Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Dabei ging sie besonders auf die Themen der Dokumentarfilme ein, die ihr Fachgebiet intensiv berühren. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter gratulierte. „Das DOK.fest München geht uns alle an“, sagte er. In Zeiten wie dieser könne die Fiktion mit der Realität nicht mehr mithalten. Er hoffe, dass Filme, die sich mit den USA befassen, eines Tages als Retrospektive laufen.

Am Ende des offiziellen Parts sprach Daniel Sponsel über seinen Abschied vom DOK.fest und ging tief in die Vergangenheit. Er sprach über seine Kindheit und Jugend am Rand von Hamburg und wie er irgendwann sehen lernte, was es mit den Tümpeln, in denen er einst gespielt hatte, auf sich hatte – schmerzhafte Spuren des Zweiten Weltkriegs. Er spannte den Bogen bis zu seiner Begegnung mit Adorno und Erich Fried – vom letzteren erzählte der Eröffnungsfilm Friendly Fire. Regisseur Klaus Fried und Produzentin Julia Albrecht stellten den Film persönlich vor – eine Annäherung des Sohnes an den politischen Lyriker, der als Kind einer jüdischen Familie 1938 nach London emigrierte, mit seinen Kindern nie Deutsch sprach und mehrere der bekanntesten Liebesgedichte verfasst hat.

(c) Ronny Heine

Diese Ausgabe ist die letzte unter Daniel Sponsel, der ab Oktober das Amt der HFF München-Präsidenten bekleiden wird. Seine bisherige Stellvertreterin Adele Kohout übernimmt das Festival. © Ronny Heine

Friendly Fire läuft in der Reihe „Nie wieder ist jetzt? Filme über Erinnerung und Widerstand“, eine Reihe, deren Bedeutung Daniel Sponsel in seiner Rede hervorhob. Sechs weitere Filme sind hier zu sehe: In Die Möllner Briefe wird die Welle der Solidarität nach dem rechtsextremen Brandanschlag von Mölln 1992 anhand hunderter Zuschriften an die betroffenen Familien dokumentiert – ein kraftvolles Zeugnis zivilgesellschaftlichen Zusammenhalts. Im Osten was Neues begleitet einen ehemaligen Neonazi aus Ostdeutschland, der heute präventiv mit Jugendlichen arbeitet und dabei eindrucksvoll zeigt, wie Deradikalisierung gelingen kann. The Srebrenica Tape – From Dad, for Alisa ist ein sehr persönlicher Film: Der bosnische Filmemacher Emir M. übergibt seiner Tochter Alisa Videoaufnahmen, die er während des Krieges in Srebrenica gemacht hat. Der Film erzählt von Verlust, Weitergabe von Erinnerung und der Last familiärer Traumata. In Das Lied der Anderen geht es um die Geschichte von Protestliedern und Musik als Mittel des Widerstands – von den Bürgerrechtsbewegungen bis zur Gegenwart. It Happened on Our Ground blickt auf eine kleine deutsche Gemeinde, die sich jahrzehntelang geweigert hat, ihre NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, und dokumentiert den mühsamen Weg zu einer ehrlichen Erinnerungskultur. Schließlich porträtiert Soldaten des Lichts Überlebende der Résistance und zeigt, wie ihre Geschichten bis heute junge Aktivist:innen inspirieren, sich gegen aktuelle Formen von Ausgrenzung und Hass zu stellen.

Thema bei der Eröffnung war auch die neue Stuktur des kuratierten Programms: Die bisherigen Reihen wurden aufgelöst, die Filme sind nun thematisch gruppiert. Filme, die zuvor durch z.B. Länderzugehörigkeit getrennt gewesen waren, treten nun inhaltlich miteinander in Dialog, 2025 sind dies 105 Filme aus 58 Ländern.

Die Sektion „Migration und Grenzen“ nimmt geopolitische Verschiebungen in den Blick. Mit Filmen wie All Is Well, einer Beobachtung ukrainischer Geflüchteter in den Niederlanden, und On the Border, einer Analyse der EU-Grenzpolitik in der Sahara, werden gesellschaftliche Konfliktlinien sichtbar gemacht. Unter dem Fokus „Mensch und Natur“ hinterfragt Blame die Gefährdung der Wissenschaft durch Desinformation, während Only On Earth die fragile Balance zwischen Mensch und Umwelt in Galicien porträtiert. Kunst und kulturelle Praxis stehen im Zentrum von Filmen wie der Produktion Ai Weiwei’s Turandot, die den künstlerischen Dialog zwischen Ost und West dokumentiert, sowie Monk In Pieces, einer Hommage an die Komponistin Meredith Monk.

Die Wettbewerbe DOK.international, DOK.deutsch und DOK.horizonte bilden weiterhin das Herzstück des Festivals, auch wenn sie nun in die thematische Programmatik eingebettet sind. Neben Hauptpreisanwärtern wie Friendly Fire, Solidarity und Blame rücken Filme wie We Live Here und How to Build a Library Regionen in den Fokus, die im globalen Dokumentarfilm selten sichtbar sind.

 

(c) Edgar Reitz Filmproduktion

Boalândia

Vier der Filme und eine Experience im Programm hat der FFF Bayern gefördert

 

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Boalândia (Edgar Reitz Filmproduktion) ist ein Film über den kulturellen Widerstand in den Peripherien Brasiliens. Die Protagonist*innen des Films kämpfen mit den Mitteln der Kunst um Sichtbarkeit, besetzen die Städte und erheben ihre Stimmen gegen Diskriminierung, Polizeigewalt, Rassismus und Homophobie. Drei Jahre lang haben die Filmemacher mit Kollektiven und Aktivist*innen zusammengearbeitet und gelebt, sie im Amazonas Regenwald, bei Protesten in der Hauptstadt und in den Subkulturen der Metropolen begleitet. Mit eigenen Filmen, Musik, Spoken Word und Performances erkämpfen sich die Protagonist*innen Aufmerksamkeit inmitten einer kompromisslosen und hoch beschleunigten sozialen Realität. Für Buch und Regie sind Patrik Thomas und Mathias Reitz Zausingerverantwortlich.

(c) Südkino Filmproduktion

Endlich unsterblich

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Endlich unsterblich (Südkino Filmproduktion) von Autorin und Regisseurin Vera Brückner über die Band “Florian Paul und die Kapelle der letzten Hoffnung”, die will es nämlich wissen. Wie geht guter Pop? Wie geht eine ganze Karriere statt nur für wenige Wochen ein Hype zu sein? Stillstand ist in der Musikbranche der Untergang. Sänger und Frontmann Florian muss zwischen Tourneen und Gigs an neuen Songs arbeiten. Seine Band, die nur aus Profis besteht, sind die ersten die seine Ideen prüfen. Wir reisen mit einem, der “dazwischen” ist. Ein Romantiker, ein Getriebener, einer, der sein Leben zum Songschreiben macht. Ein Film zwischen München, Wuppertal und Mexiko. Über das Suchen und Finden von Musik und was bedeutet Musiker zu sein.

(c) madfilms Cruiziat & Egert

Ping Pong Paradise

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Ping Pong Paradise (madfilms Cruiziat & Ebert) von Autor und Regisseur Jonas Egert über den jungen Tischtennisverein TTC Neu-Ulm. Dieser hat 2022 das beste Vereinsteam der Tischtennis-Geschichte zusammengestellt. Während für die neue Mannschaft um den deutschen Weltstar Dimitrij Ovtcharov und schwedischen Newcomer Truls Möregårdh eine Erfolgssaison beginnt, verblasst für den eigentlichen Kader des Vereins – drei gesperrte russische Spieler – langsam der Traum von einer Zukunft in Europa. Sportlicher Druck, politische Sanktionen und angewandter Sportkapitalismus zermürben dabei nicht nur den Trainer des Vereins, sondern gleich den ganzen Club.

(c) Leykauf Film

Spring in Kangiqsualujjuaq

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Spring in Kangiqsualujjuaq (Leykauf Film) von Autorin und Regisseurin Marie Zrenner  In dem atmosphärischen Porträt der Inuit-Siedlung Kangiqsualujjuaq im arktischen Kanada geben drei junge Frauen Einblick in ihr Leben in einer Gemeinschaft auf dem Weg zur Rückeroberung von Identität und Selbstbestimmung.

(c) mYnsdstorm-Productions

Duchampiana

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Duchampiana (Tchikiboum, mYndstorm productions ) läuft im VR Pop-Up Kino im Futuro Haus – einer Kooperation zwischen dem DOK.fest München, dem XR HUB Bavaria und der Neuen Sammlung – wird außerdem die FFF-geförderte VR-Experience Duchampiana von Lilian Hess präsentiert. Die künstlerische, ortsgebundene VR-Installation hinterfragt die objektivierenden Darstellungen von Frauen in der Kunstgeschichte, indem sie Marcel Duchamps berühmten Akt, der eine Treppe herabsteigt, belebt und seiner Protagonistin ermöglicht, ihren Kurs drastisch zu ändern.

Im Rahmen des DOK.forum finden erneut Panels, Werkstattgespräche und Pitching-Veranstaltungen statt. Ein aktueller Schwerpunkt liegt auf der Rolle von KI in Bildbearbeitung und Archivrecherche. Der DOK.forum Marketplace bringt internationale Projektteams mit Produzent*innen und Sendern zusammen. Für den Nachwuchs gibt es mit dem Young DOK Award erstmals eine Auszeichnung für Filmschaffende unter 30 Jahren.

Das Festival bleibt hybrid: Neben den Vorführungen an rund 20 Münchner Spielstätten wird ein Großteil des Programms parallel auf der digitalen Leinwand unter dem Label DOK.fest@home verfügbar sein. Der Zeitraum dafür ist leicht verschoben: Findet das DOK.fest München in Präsenz vom 7. bis 18. Mai an vielen Spielorten statt, darunter erstmals im Bergson Kunstkraftwerk, im Münchner Volkstheater, im Kino Solln etc. und sogar im Open Air Kino, läuft die digitale Leinwand vom 12. bis 25. Mai 2025.

Die letzte Ausgabe unter der Leitung von Daniel Sponsel hat nun also begonnen – und er verabschiedet sich mit einem Tusch: Ab diesem Jahr erhalten Produzent*innen, deren Werke im Wettbewerb DOK.international Main Competition laufen und die Deutschland als Produktionsland nachweisen, FFA-Referenzförderung in Höhe von 50.000 Punkten. Diese Referenzförderung gilt allein schon für die Teilnahme am Wettbewerb.

Übrigens gratulierten bei der Eröffnung nicht nur die Redner*innen auf der Bühne, sondern auch die 1.300 Gäste im Saal – mit einem Geburtstagständchen.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Olga Havenetidis
Fotos: Hanfgarn und Ufer Filmproduktion, DOK.fest, Ronny Heine, mYnsdstorm-Productions, Leykauf Film, madfilms Cruiziat & Egert, Südkino Filmproduktion, Edgar Reitz Filmproduktion

Gestaltung: Schmid/Widmaier

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