„Perfekte Show,
in der das Kino
gefeiert wird“

Die Münchner Firma if… Productions war mit dem Projekt Das Lehrerzimmer für den Oscar nominiert. Ein paar Fragen an Produzent Ingo Fliess über Monate zwischen der Premiere bei der Berlinale 2023, der Verleihung des Deutschen Filmpreises und der Oscar-Nacht.
Interview von Olga Havenetidis
4 Minuten Lesezeit

Das Team if… Productions mit seinem Oscar-nominierten Regisseur İlker Çatak beim Empfang in der Villa Aurora.

Lieber Ingo Fliess, das waren ja mit Sicherheit eineinhalb aufregende Jahre für Sie. Haben Sie, als Sie erstmals mit dem Projekt Das Lehrerzimmer zu tun hatten, vor sich gesehen, was kommen würde?

Nicht im entferntesten. Noch vor der Premiere auf der Berlinale 2023 haben wir verzweifelt einen Weltvertrieb gesucht, zunächst wollte den Film niemand haben, es hieß er habe „no international potential“. Insofern ist alles, was seitdem passiert ist, ziemlich märchenhaft.

 

Das Lehrerzimmer war nach Es gilt das gesprochene Wort Ihre zweite Zusammenarbeit mit İlker Çatak, momentan arbeiten Sie mit dem Autor und Regisseur an Gelbe Briefe. Wie kam es zu Ihrer Verbindung?

Ich unterrichtete damals gelegentlich an der Hamburg Media School, wo İlker Regie studierte. Er fiel mir auf, in seiner engagierten und zugleich demütigen Art, zugleich schien er wirklich zu brennen für Film. Wir blieben in Kontakt und verabredeten ein gemeinsames Filmprojekt, noch bevor er den Student Academy Award für Sadakat bekam.

Insofern ist alles,
was seitdem passiert ist, ziemlich märchenhaft.

Es gab für Das Lehrerzimmer eine Einladung nach Toronto, Ihr Team und Sie wollten aber lieber zur Berlinale. Warum?

Es war eine strategische Entscheidung für das Festival mit dem stärkeren Markt. Im Nachhinein die richtige Entscheidung.

 

Wie hat sich der Erfolg beim Deutschen Filmpreis 2023 auf Sie als Independent-Produzent ausgewirkt?

Die Preisgelder haben sehr geholfen den nächsten İlker-Çatak-Film zu finanzieren, überhaupt gab es viel Rückenwind. Und die Kinozahlen sind stark gestiegen nach dem Lola-Wochenende.

Es gab die Oscar-Kandidatur, dann die Shortlist und am Ende die Nominierung. Wie sind diese Stufen für if… Productions abgelaufen?

Es war wie ein eigenes Filmprojekt, unser Büro war monatelang Reisebüro und Eventagentur. Vor allem aber hat İlker unglaubliche Energie, Zeit und Enthusiasmus in die Kampagne investiert – er war auf Dutzenden Veranstaltungen in den USA, hunderte Interviews und Empfänge – und so wurde er vom bis dahin international unbekannten Regisseur zum Oscar-Nominee. Das ganze if… Productions-Team, aber auch German Films, Sender und Förderer, unsere PR Ulrike Körner und Barbara van Lombeek, unser Weltvertrieb Be for Films – alle waren hoch engagiert und eingebunden. Als die Nominierung, gegen jede Wahrscheinlichkeit angesichts der Konkurrenz, tatsächlich klappte, konnten wir alle unser Glück nicht fassen. Der gemeinsame Zoomcall zur Verkündung der Nominierungen wird uns wohl allen noch lange in Erinnerung bleiben: Leonie Benesch am Filmset in der Schweiz, İlker im Büro unseres französischen Verleihs in Paris, wir mit Freund*innen im if-Büro, unser Sales-Agent Pamela Leu mit unserer internationalen PR in Brüssel …

 

Der gemeinsame Zoomcall zur Verkündung der Nominierungen wird uns wohl allen noch lange in Erinnerung bleiben:

 

Was war Ihr persönlicher Eindruck von der Oscar-Verleihung? So, wie Sie es sich immer vorgestellt haben?

Eine in jeder Hinsicht perfekt gestaltete Show, in der das Kino gefeiert wird. Ich fand es umwerfend. Hinzu kam, dass wir merkten, wie der Druck der letzten Monate abfiel. Als Billie Eilish sang, war ich nicht mehr von dieser Welt …

Gibt es Tipps, die Sie durch die Erfahrungen in diesem internationalen Preis- und Nominierungssegen, an die jungen Talente weitergeben würden?

Ein amerikanischer Manager, mit dem ich darüber sprach, sagte zwei schlaue Dinge, wie ich fand. Auf meine Frage, was ich jetzt ändern solle, meinte er „You have to protect the process“, also die Arbeitsweise schützen, die uns so weit gebracht hat. Und: „Educate the industry“, also nicht nach dem Markt schielen, sondern Filme und Serien entwickeln, mit denen das Publikum nicht rechnet.

 

Wie geht es mit if… Productions weiter? Behalten Sie Ihre Linie bei, oder nehmen für Sie bisher ungewöhnliche Projekte an?

Wir versuchen vor allem das Niveau und die Budgets zu halten und zu steigern. Am Ende geht es ja doch nur um Qualität. Durch die neue Zusammenarbeit mit Trimafilm wagen wir uns aber jetzt auch in den Serienbereich vor.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Interview und Redaktion: Olga Havenetidis
Foto: if… Productions
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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