Vernet­zungs­plattform für die junge Filmszene

Am 14. November 2025 startet das Festival of Future Storytellers. Viele berühmte Regisseur*innen zeigten hier, damals noch Festival der Filmhochschulen genannt, ihre ersten Filme. Der Blick in die Zukunft war also immer schon gegeben. Nun haben die künstlerischen Leiter*innen Christoph Gröner und Julia Weigl das Thema Zukunft neu aufgegriffen. Ein Gespräch kurz vor dem Start.
Interview von Olga Havenetidis
9 Minuten Lesezeit
Amos. Vogel Mexico 2024, Director: Iñaki S. G. Miranda Fiction, 22 Min.

Herr Gröner, Frau Weigl, morgen startet das Festival of Future Storytellers. Wie geht es Ihnen?

 

JULIA WEIGL
Wir können nicht erwarten, endlich loszulegen. Und freuen uns wahnsinnig auf die vielen Begegnungen und unsere Gäste!

CHRISTOPH GRÖNER
Und natürlich sind wir total gespannt, wie die ganzen Neuerungen und Veränderungen bei unseren Gästen, der Branche und unserem Publikum ankommen. Da sind wir immer etwas gespannt, aber vor allem ready to go!

(c) Joel Heyd

Christoph Gröner und Julia Weigl

Ihr Festival-Büro ist umgezogen, von der Sonnenstraße an den Pineapple Park. Wie hat sich das auf die Arbeit und das Team ausgewirkt?

 

CHRISTOPH GRÖNER
Zwar gehören Umzüge zum Kerngeschäft eines Festivals, wenn wir an unsere vielen Umzüge in und aus den unterschiedlichen Festivalzentren denken. So ein richtiges neues Büro für das gesamte Team ist allerdings schon eine andere Aufgabe. Zumal wir das erste Mal seit Ende der Neunziger ein neues Zuhause beziehen. Tapetenwechsel für den Teamspirit! Das tut uns allen gut, es fühlt sich jetzt mit dem Beginn der nächsten fünf Jahre als Leitungsduo an wie ein Neubeginn.

JULIA WEIGL
Mit dem Pineapple Park sind wir an einen wunderbaren kreativen Ort gezogen, den Michi Kern und sein Team, allesamt Zwischennutzungsprofis, in München gefunden haben. Mit Blick auf Alpen und Olympiapark wollen wir in dem alten Bürogebäude der deutschen Post kreative Werkstattatmosphäre mit guten Arbeitsbedingungen kombinieren. Denn nun ist das komplette Filmfest- und FOFS-Team gemeinsam auf einem Stockwerk in einem Gebäude. Da sprudeln die Ideen und Inspirationen nur so. Das haben wir in der Vorbereitung des Festivals gemerkt, und jeden Tag findet man im Büro an jeder Ecke ein neues schön gestaltetes Detail.

(c) Festival of Future Storytellers

Nine Days in August, Germany 2024, Director: Ella Knorz, Fiction, 17 min.

Weitere fünf Jahre gemeinsam als Leitungsduo: Was das für das Filmfest München bedeutet, haben Sie ja in verschiedenen Interviews, auch in der Film News Bayern, erläutert, und wir konnten es in der Edition 2025 erleben. Wie wirkt sich Ihr neuer Rückenwind nun auf das Festival of Future Storytellers aus, das ebenfalls von Ihnen als Festivaldirektor und Künstlerischer Leiterin gestaltet wird?

 

CHRISTOPH GRÖNER
Wir gehen alle Projekte mit dem gleichen Gedanken an: Was braucht ein Festivalkonzept für heute und morgen. Wir wollen nicht stehenbleiben, sondern im Einklang mit dem Team die Festivals immer weiterentwickeln, um unser Publikum zu erreichen, stetig zu erweitern – und immer wieder mit Kino zu begeistern.

JULIA WEIGL
…und natürlich steht auch das FOFS ganz im Zeichen von Kooperationen. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Institutionen zusammen, um audiovisuelles Erzählen aus unterschiedlichen Perspektiven zu erörtern. So greifen wir gemeinsam mit dem CreatifCenter der HFF München das Thema Games auf, mit dem FFF Bayern, dem Festival der Zukunft und dem XR Hub Bavaria die Welt von XR und VR, mit dem KI-Lehrstuhl der HFF München und der Kunsthalle München das Thema Künstliche Intelligenz und Zukunft. In unseren Talk und Lab Formaten erweitern wir also den klassischen Kurzfilm um weitere Formen des audiovisuellen Erzählens.

(c) Festival of Future Storytellers

Skin on Skin, Germany 2025, Director: Simon Schneckenburger, Fiction, 30 min.

Seit einem Jahr hat das legendäre Münchner Festival der Filmhochschulen, das bis zuletzt Filmschoolfest hieß, einen neuen Namen. Wieso?

 

JULIA WEIGL
Wir hatten die Neuausrichtung des Festivals bereits in den letzten beiden Jahren mit neuen Ideen und Initiativen vorbereitet – und jetzt sind wir stolz, dass wir so richtig loslegen können mit dem neuen Namen und dem neuen Branding. Filmhochschulen und Ausbildungsprozesse haben sich in den letzten Jahren stark verändert, ebenso die technischen und innovativen Möglichkeiten audiovisuellen Erzählens. All das wollen wir bei unserer wichtigen Plattform für den Filmnachwuchs nicht außenvorlassen, sondern mit in den Kern des Festivals rücken.

CHRISTOPH GRÖNER
Mit der Neupositionierung als FOFS – Festival of Future Storytellers, als Festival der Inspiration und der jungen Filmkreativen ist ja genau diese Hoffnung verbunden: Die Öffnung des Festivals zu anderen Orten wie dem Theatiner Kino und über den studentischen Film hinaus soll weitere Cinephile anlocken, die einfach junge Kreativität erleben wollen. Auch ohne konkrete Erwartung an die Form werden sie sicher mit vielen positiven Überraschungen belohnt. Deshalb stellen wir auch im Vergleich zum Einzelticket besonders günstige Festivalpässe in den Vordergrund – wir wollen, dass die Menschen nicht zu einem Screening gehen, sondern so oft wie möglich eintauchen in die Festivalerfahrung. 

Im letzten Jahr gab es einen sensationellen internationalen Workshop namens Hack the Future Lab mit Karen Palmer. Wie gehen Sie das Thema Zukunft dieses Mal an?

 

JULIA WEIGL
Wir hätten uns kein besseres erstes großes Lab-Format vorstellen können als das Hack the Future Lab mit Karen Palmer, die sich ja selbst Storyteller from the Future nennt. Die Eindrücke und Ergebnisse haben uns dazu motiviert, dem Thema Zukunftsideen und Technologie beim FOFS einen immerwährenden Raum zu geben.

CHRISTOPH GRÖNER
Wie bereits gesagt, kooperieren wir in diesem Jahr gleich mit mehreren Institutionen und Initiativen zu unterschiedlichen Zukunftsthemen: Mit dem Festival der Zukunft und dem KI-Lehrstuhl der HFF München. Mit letzterem bieten wir eine MasterClass mit dem wegweisenden Multimedia-Künstler Miguel Chevalier, der gerade eine große Einzelausstellung an der Kunsthalle München hat. Mit dem Festival der Zukunft, dem XR Hub Bavaria und dem FFF Bayern sprechen wir über die Themen von Extended Realities und schaffen ein neues Meet & Mingle für die junge Branche im Alten Simpl.

JULIA WEIGL
Und dann ist da noch Nelly Ben Hayoun-Stéphanian, eine wilde Filmemacherin und Künstlerin mit NASA-Vergangenheit und einem unglaublichen Zukunftsbewusstsein. Die schließt eigentlich direkt an Karen Palmer an mit ihren Visionen, die nie nur dys- oder utopisch sind.

(c) Festival of Future Storytellers

Soforem, Spain 2024, Director: Alejandro Ferpero Fiction, 14 Min.

Welche Länder haben 2025 besonders viele Projekte eingereicht?

 

CHRISTOPH GRÖNER
Wir haben aus sehr vielen Ländern Einreichungen bekommen, und wie immer entscheidet eine Vorauswahljury über die Struktur des Programms, in der diesmal tolle Expertise aus den USA, der Dominikanischen Republik und Ghana zusammenkam. Dazu kommt ja der DACH-Wettbewerb mit unseren jungen Kurator*innen. Im ganzen Programm ist also der junge Blick der Filmschaffenden noch einmal durch das Prisma junger Kuration gefiltert. Die Setzungen sind spannend – natürlich politisch, mitunter widerständig und aktivistisch. Wie jedes Jahr beschäftigen sich auch in dieser Edition die jungen Kreativen mit den Herausforderungen, aber auch Chancen, die unsere Welten und ihre Realitäten ihnen bieten. Das ist aufregend für uns und hoffentlich für unser Publikum.

JULIA WEIGL
Was uns auch sehr freut, wir konnten in diesem Jahr erstmalig eine Kooperation mit dem Locarno Film Festival eingehen. Wir präsentieren das Kurzfilmprogramm ihres Open Doors Programms, das Locarno Pro seit 2003 veranstaltet. Von 2025 bis 2028 wird dort der Fokus auf den afrikanischen Kontinent gelegt, und diesen Stimmen wollen wir bei unserem Festival auch einen Raum geben.

(c) Festival of Future Storytellers

Do Something, Germany 2024, Director: Sofija Zivkovic, Animation, 12 min.

Welche Filmhochschulen sind in diesem Jahr mit vielen und qualitativ herausragenden Beiträgen vertreten?

 

JULIA WEIGL
Für uns geht es nicht darum, eine oder wenige Filmhochschulen explizit hervorzuheben. Es geht vielmehr darum, die Kreativität der vielen unterschiedlichen Filmhochschulen auf der ganzen Welt ins Zentrum zu rücken und den Dialog der vielen Studierenden durch ihre wunderbaren Filme. Höchstspannend ist es, dass im diesjährigen Programm gleich sieben Filme aus Lateinamerika vertreten sind, vier darunter aus Kuba. Auch unser DACH-Wettbewerb hat sich toll entwickelt, mit vier Filmen aus der Schweiz, zwei aus Österreich und 19 Filmen aus Deutschland. Im gesamten Programm sind vier deutsche Koproduktionen und sechs Beiträge von der HFF München dabei.

Sind inhaltliche oder erzählerische Schwerpunkte zu erkennen?

 

JULIA WEIGL
Das ist eine schöne Frage. Inhaltliche Schwerpunkte lassen sich jedes Jahr ablesen: Natürlich spielen Coming-of-Age-Stoffe eine große Rolle, die gesellschaftspolitische Stimmung in der Welt, Klima- und Naturthemen. Alles in allem das, was uns Menschen ausmacht und gerade beschäftigt. Dahingehend bleibt das Festival of Future Storytellers ein Barometer und Spiegel der Gesellschaft. Was wir aber verändert haben, ist unsere Programmstruktur.

CHRISTOPH GRÖNER
Genau! Während wir die ersten Vorstellungen der Wettbewerbsreihen wie gehabt, in bunt gemischten Kurzfilmprogrammen abbilden, werden die Wiederholungsscreenings nun in sogenannten “Remixes” präsentiert.

JULIA WEIGL
Diese Remixes können Themen abbilden, wie etwa Romance, queere oder feministische Positionen. Unser Team hat sich dafür eindrückliche Querverweise überlegt…


CHRISTOPH GRÖNER
Die Programme sind nämlich nach Songtiteln benannt. Das Genreprogramm heißt “Bad Moon Rising”, das Coming-of-Age-Programm “Teenage Dirtbag”, das queere Programm “I’ve Got You Under My Skin”. Dieser spielerische Ansatz gefällt uns sehr und spricht hoffentlich weitere und neue Zielgruppen an. Denn am Ende sind wir eine Vernetzungsplattform für die junge Filmszene, aber auch ein Festival für das Münchner Publikum. Und das Musikalisch-Spielerische unterstützen wir, in dem wir mit “Munich Music Video” auch Video-Clips von Münchner Bands inklusive eines anschließenden Konzerts in der HFF München präsentieren.

(c) Festival of Future Storytellers

Far Away, Cuba 2025, Director: Féguenson Hermogène, Documentary, 21 Min.

Hochschulen allgemein sind heute noch stärker als in der Vergangenheit Orte der politischen Auseinandersetzung geworden. Wie greifen Sie das im Rahmenprogramm und in der Kommunikation auf?

 

CHRISTOPH GRÖNER
Wir nennen unser FOFS ein Festival der Inspiration – und das meint ganz schlicht: Brücken bauen. Wir werden in unserer Arbeit immer das Gemeinsame betonen, die conditio humana, die Fähigkeit, auch bei unterschiedlichen Haltungen, einander zu hören und in den Austausch zu gehen. Das ist natürlich in den aufgeladenen, komplexen Zeiten, in denen wir heute leben, nicht immer leicht.

JULIA WEIGL
Hochschulen bleiben ein Ort für kreativen Austausch, auch heute. Da geht es natürlich vorrangig vor allem um kreative Freiheit und Meinungsfreiheit. In Zeiten von Politisierung und Zuspitzungen, Social Media und verschwimmenden Grenzen von Öffentlichkeit und Privatem spitzen sich die Diskussionen auch an diesen Orten zu. Wir wollen aber nicht vergessen, dass Bildungseinrichtungen, ob Universitäten oder Kunsthochschulen per se eine Einladung zum kritischen Denken und Hinterfragen sind, also ein offener Raum, sich intellektuellen und kreativen Auseinandersetzungen zu widmen. Das gilt es auch im Hier und Jetzt zu schützen, aber immer im Blick auf ein zugewandtes Miteinander. Dazu wollen wir unser Publikum einladen, diese Haltung verkörpern wir. 

(c) Festival of Future Storytellers

Night of Passage, Austria 2024, Director: Reza Rasouli, Fiction, 20 min.

Und zum Schluss: Was wünschen Sie sich künftig für das Festival of Future Storytellers?

 

JULIA WEIGL
Uns ist es wichtig, die Ursprünge und Bedeutung des Festivals in die Zukunft zu tragen. Wir wollen weiterhin eine zentrale nationale und internationale Plattform für den Filmnachwuchs bleiben.

CHRISTOPH GRÖNER
Bei uns soll das Münchner Publikum und die Branche die Talente von morgen ganz früh entdecken. Wir wünschen uns deshalb volle Kinos und tolle Inspirationen, wie das Kino der Zukunft aussehen kann. Und grundsätzlich wünschen wir uns eine optimistische Stimmung, wie wir diese Zukunft gemeinsam gestalten können.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Olga Havenetidis
Redaktion: Olga Havenetidis

Gestaltung und digitales Storytelling: Schmid/Widmaier

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