Zwischen Indie-Spirit und KI-Zukunft

Die Independent-Film-Szene hat viele Gesichter: filmbegeisterte Schüler*innen mit Smartphone, autodidaktische Kameratalente, kreative Hochschulabsolvent*innen und Quereinsteiger*innen – und nicht zuletzt all jene, die unabhängig von klassischen Förderwegen ihre Projekte umsetzen wollen. Beim Camgaroo Film Summit 2025, der am 7. Mai in der Münchner ASTOR Film Lounge stattfand, kamen sie zusammen. Was früher als reine Preisverleihung begann, hat sich mittlerweile zu einem regelrechten Think Tank des unabhängigen Films entwickelt. Ein Nachbericht.
Text von Chris Schinke
6 Minuten Lesezeit

Der Summit war Teil des neuen ganztägigen Camgaroo Film Festivals unter der Leitung von Gabriele Lechner, das sich zum Ziel gesetzt hat, unabhängiges Filmschaffen sichtbarer zu machen – und es zugleich mit aktuellen Debatten über Technik, kreative Ethik und Praxis zu verbinden. Natürlich fand am Abend auch wieder die renommierte Preisverleihung statt, bei der Filmemacher*innen in den Kategorien U18, Spaß/Comedy, Sci-Fi/Mystery/Action, Emotionen, Filmprojekte mit Einsatz von KI, Dokumentar- und Spielfilm geehrt wurden.

Was früher als reine Preisverleihung begann, hat sich mittlerweile zu einem regelrechten Think Tank des unabhängigen Films entwickelt. Der diesjährige Summit versammelte Expert:innen aus Recht, Technik, Kreativwirtschaft und VFX, die in Workshops und Keynotes nicht nur Wissen vermittelten, sondern vor allem eines taten: zum Selbermachen ermutigen. Dabei standen die Panels und Workshop diesmal ganz im Zeichen des Themas, das momentan so viele bewegt – der Künstlichen Intelligenz.

Wege aus der Nische

 

Den Auftakt bildete ein Gespräch, das bereits die Handschrift des folgenden Festivals trug: nahbar, motivierend und sehr ehrlich. Regisseur Marc Schießer und Kameramann Tobias Lohf erzählten im Talk “Behind the Scenes – Vom Camgaroo Award zur Prime Video Premiere” von ihrem Weg durch die Independent-Szene, der sie schließlich zum Streaming-Riesen Amazon Prime und ihrem dortigen Spielfilmprojekt „Trunk“ führen sollte. Die beiden sprachen dabei nicht nur von Durchbrüchen, sondern vor allem von Durchhaltevermögen. Vom Improvisieren, vom gemeinsamen Lernen, vom Gefühl, die ersten eigenen Kurzfilme auf der großen Leinwand zu erleben und was passiert, wenn der Traum vom eigenen Filmemachen für ein großes Publikum durch unablässige Arbeit und häufig auch, wie die beiden betonen, durch Selbstausbeutung, Wirklichkeit wird. Von der Produktion ihrer Webserie „Wishlist“ bis zu „Trunk“ gab das Produzentengespann Einblick in Alltag als Filmemacher inklusive wertvoller Tipps beim Umgang mit Budgets, schlaflosen Nächten während des Drehs sowie Feedback von Sendern und Streamern. Mit dem Publikum teilten die beiden ihre Vision vom Filmemachen, wie man zur eigenen Filmsprache findet und wie man sie im Angesicht künstlerischer Beschränkungen aufrechterhält.

 

Recht und Risiko

 

Im Anschluss gab Medienanwalt Michael Augustin in einer juristischen Masterclass Einblicke in Fallstricke und Grauzonen des unabhängigen Produzierens. Dass das Thema Filmrecht keineswegs trocken sein muss, bewies Augustin mit einer intuitiven Präsentation praxisnaher Beispiele – von Musikrechten über Verträge bis hin zu KI-generierten Inhalten, Produzentenabnahmen und Rechteübertragungen. In Zeiten von Künstlicher Intelligenz erweitert sich der Rechtekatalog ständig. Michael Augustins Präsentation zeigte eindrücklich wie wichtig es als angehender und auch erfahrener Kreativer ist, seine Rechte und Pflichten genau zu kennen.

Gäste des Camgaroo Filmfestivals 2025

KI als Ko-Regisseurin?

 

Ein programmatischer Schwerpunkt des diesjährigen Festivals lag auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Filmproduktion. Im Zentrum stand dabei eine ganz bemerkenswerte Keynote: Kessy Eberlein, AI Artist und Visual Storyteller, stellte unter dem Titel „Prompt, Please!“ ihre Arbeit mit generativen Bildsystemen vor – und mit ihr ein neues Verständnis kreativer Kollaboration. Als Ergebnis ihrer jüngsten Arbeiten präsentierte Eberlein einen für den Camgaroo erarbeiteten Trailer, der – wie könnte es anders sein – ein kesses Känguru im Award-Fieber vor Kinokulisse zeigte. Mithilfe des persönlichen KI-Assistenten Dori, einer customized AI, wuppt Eberlein ganze Produktionen allein und bewegt sich mit ihrer Expertise stets am Puls neuester Entwicklungen im Bereich der generativen KI. KI-Tools sieht die momentan vielgefragte Professionelle als „Superkräfte für kreative Köpfe.“ Beim Publikum stieß Eberleins Vortrag auf Interesse, was zahlreiche Wortmeldungen zeigten und durchaus auch auf kritische Diskussion. Macht KI in Zukunft nicht viele Kreativjobs überflüssig? Laut Eberlein gilt es für Kreativarbeiter dranzubleiben und sich beim Thema KI fortlaufend weiterzubilden. Im Umgang mit KI-Systemen qualifizierte Kräfte haben es in der Branche Film gegenüber unerfahrenen Kreativen definitiv leichter.

Zwischen Regulierung und Science-Fiction

 

Diese spannende Diskussion wurde in weiteren Keynotes differenziert vertieft. Wieder mit dabei: Michael Augustin, diesmal in seiner Rolle als juristischer Kommentator des kommenden EU AI Act. Unter dem Titel „Regulierte Kreativität?“ beleuchtete er Chancen und Risiken der bevorstehenden Gesetzgebung. Sein Fazit: Weder Euphorie noch Panik seien angebracht – es gehe um die bewusste Gestaltung eines Rahmens, in dem Kreativität mit Verantwortung möglich bleibt.

Mit einem anderen Blick, aber ebenso großem Weitwinkel, trat Tristan Post, CEO des AI Strategy Institute, auf. Sein Vortrag „Wenn Science-Fiction Realität wird“ verband technologische Entwicklung mit kulturellem Wandel. Science-Fiction habe unsere Vorstellung von Zukunft nicht nur abgebildet, sondern geprägt, so Post. Heute sei KI dabei, diese Visionen einzulösen – mit allen Ambivalenzen, die das mit sich bringt. Post entwarf das Bild einer KI, die nicht nur Werkzeuge bereitstellt, sondern Narrative beeinflusst – als neue Mitautorin unserer filmischen Imagination. Post sieht in der KI vor allem ein entschiedenes Instrument zur Demokratisierung filmischer Produktionsmittel. Filmemacher wie Gareth Edwards und sein Kinofilm „The Creator“ machten vor, wie mittels geschicktem KI-Einsatz Kosten bei der Produktion reduziert werden können. Etwaige Ohnmachtsempfindungen gegenüber der mächtigen Technologie zerstreute Post und animierte zum selbstbewussten Einsatz der neuen Tools: „Wir Menschen haben es in der Hand“. Der Film und das Kino haben beim Einsatz von neuer Technologie stets eine Vorreiterrolle gehabt – das sei auch im Bereich KI nicht anders.
Kontroverse trifft Kompetenz

Den Höhepunkt bildete das abschließende KI-Symposium, bei dem alle Sprecher:innen noch einmal gemeinsam auf der Bühne diskutierten – darunter Eberlein, Augustin, Post, sowie der Technikexperte Michael Lehmann-Horn und Produzent Max Wiedemann (LEONINE Studios) als Special Guest. Moderiert wurde das Gespräch von allseits informierten Tina Kaiser, die mit Charme und Tempo durch die kontroversen Positionen führte.

Eberlein pochte erneut auf die kreative Dimension von KI, Augustin zerstreute Ängste vor einer drohenden Überregulierung durch Behörden, Post sprach von KI als neuer Kulturtechnik – und Max Wiedemann brachte schließlich die Produktionspraxis ins Spiel: KI sei kein Feindbild, sondern ein strategisches Tool. Sie ermögliche es dem Unternehmen, Ressourcen zu bündeln – damit mehr Zeit für echte Kreativität bleibe. Voraussetzung sei dabei eine konstante Weiterbildung der Mitarbeiter:innen. Der Produzent verwies auch auf eine extreme Skepsis beim Publikum gegenüber KI – es bestehe unter diesen Bedingungen nun besonderes Interesse an menschlicher Kreativität. Dass bestimmte Jobs im Kreativbereich in Zukunft wegfallen werden, darin kam das Panel und auch das Publikum überein. Etwa im Bereich Synchronisation kommen durch die Stimmsynthetisierung große Herausforderungen auf die Kreativen zu. Gerade das Wegfallen von Assistenzen im Bereich Postproduktion erschwere den Einstieg junger Talente in die Filmbranche, so ein Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum. Kessy Eberlein hielt jedoch fest: „Die Möglichkeiten erweitern sich durch KI und neue Tätigkeiten werden entstehen.

Unabhängigkeit trifft Realitätssinn

 

Der Camgaroo Film Summit 2025 zeigte in vielerlei Gestalt, dass unabhängiges Filmschaffen heute mehr denn je eine Mischung aus Leidenschaft, technischem Know-how und rechtlicher Klarheit braucht. Die Herausforderungen werden nicht kleiner – aber die Werkzeuge zahlreicher. Dass ein Festival wie Camgaroo dabei nicht nur Preise vergibt, sondern Denk- und Diskussionsräume öffnet, macht seinen besonderen Wert aus.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Redaktion: Olga Havenetidis
Gestaltung und digitales Storytelling: Schmid/Widmaier

Zum nächsten Artikel

TV-Serien zu machen ist wie der Bau einer Kathedrale