Dance till
you break

Die Zeit für das Traumprojekt war gekommen: Die preisgekrönte Autorin und Regisseurin Maike Conway hat einen Tanzfilm gemacht. Das Dok.fest München präsentiert den FFF-geförderten Dokumentarfilm 2unbreakable als Uraufführung. Es geht um die Leidenschaft junger Breakdancer.
von Marga Boehle
7 Minuten Lesezeit

Die Idee zu dem Projekt wurde bereits 2016 geboren. Da wurde Maike Conway, versierte Regisseurin zahlreicher Fernseh-Dokumentationen, mit dem Bayerischen Fernsehpreis für Corinnes Geheimnis ausgezeichnet. „Damals fragte ich mich, was ich am allerliebsten machen würde und dachte, jetzt ist die Zeit für mein Traumprojekt gekommen, einen Tanzfilm,“ erzählt sie. Ihr war klar, dass es schwierig sein würde, prominente Tänzer*innen vor die Kamera zu bekommen. Sie fuhr in die Schweiz zu einem Battle, bei dem die berühmten Les Twins aus Frankreich eingeladen waren. Sie fragte erst gar nicht – sie zu engagieren war illusorisch. Aber sie sah und erlebte zum ersten Mal ein Breaking Battle in Groß auf der Bühne, war ganz vorne dabei, sah hautnah, wie die Dancer sich anbattlen – das war für sie der Break. Ihr war klar, dass es viel stärker ist, authentische BBoys und BGirls zu zeigen: Wer macht so etwas, wer schmeißt sich auf den Boden, gibt alles für den Tanz? Die Lebensgeschichten dahinter interessierten sie, und sie fing an, in der Szene zu recherchieren.

Der Ursprung des Breaking liegt in New York, wo in den 1970ern ein neuer Tanzstil geboren wurde. Ein Tanz von der Straße, wo sich Crews bilden und gegeneinander antreten, sich in einem Kreis antanzen und messen, wer der bessere Tänzer ist – das alles eher Freestyle, keine Battles. Heute messen sich BBoys und BGirls in Battles, die von einer Jury bewertet werden. Breaken ist eine Sprache, eine besondere Art der Kommunikation. Es gibt verschieden Elemente wie Toprocks, Powermoves, Flow verbindet die Elemente. Die Tänzer reagieren auf den Move, machen ihn kreativer. Sie wissen vorher nicht, was der DJ spielen wird, und müssen den Moment einfangen, ganz im Moment sein, ihn nehmen, um der Bessere zu sein. Sie reagieren aufeinander, es ist eine ständige gegenseitige Herausforderung.

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Erste Breaking Crews kannte Meike Conway schon von einigen Dokumentation fürs Fernsehen. Über die Saxonz hatte sie bereits früher gedreht und Joanna, BGirl Joanna, kennengelernt, die einzige Frau der Gruppe. Auch Serhat von der Sankofa Crew kannte sie von früheren Filmaufnahmen. Die Eltern des in Deutschland geborenen Serhat, der tanzt, seitdem er sechs Jahre alt ist, sind aus dem Autonomen Gebiet Xinjiang im Nordwesten Chinas über Kasachstan nach Deutschland geflüchtet. Serhat lebt in München, Joanna in Dresden. In ihnen hat Maike Conway ihre beiden Protagonist*innen gefunden.

Joanna, die mit 17 in die Crew The Saxonz als einziges BGirl aufgenommen wurde, trainiert im Landeskader Sachsen, um 2023 in den Bundeskader aufgenommen zu werden. Dafür muss sie in Vorentscheiden, sogenannten Ranking Battles, möglichst viele Punkte sammeln. Serhat ist bereits im deutschen Bundeskader. Das Breaken hat er als Junge im Jugendzentrum im Münchner Kieferngarten entdeckt, ist seit 2008 Mitglied der Sankofa Crew. Jetzt im deutschen Bundeskader für Olympia trainieren zu können, bedeutet ihm und der Familie viel. Zusätzlich hat er ein Studium begonnen, unterrichtet und verdient Geld mit Tanzauftritten, und ist fast jedes Wochenende unterwegs zu einem Battle. Ebenso Joanna, die arbeitet und sich mit ihrem Freund, ebenfalls ein Tänzer, um dessen kleine Tochter kümmert. Der  Bundeskader bietet viel – Coaches, Tanzlehrer*innen, Massagen, etwas Geld – und Wertschätzung, die sie nie hatten.

„Die Frage ist: Wie viel opferst du, um zu den Besten zu gehören? Breaking ist körperlich extrem herausfordernd. Wenn du nicht auf höchstem Level trainierst, ist es ein schönes Hobby, aber nicht der Bundeskader.“

Beide haben große Ziele: Der nächste Step wäre Olympia, denn Breaking wird in diesem Jahr in Paris als olympische Disziplin aufgenommen. Joanna und Serhat sehen darin eine Chance, ihre Kunstform sichtbarer zu machen. In den Olympia-Kader haben sie es allerdings nicht geschafft. Aber ist die Breaking Culture mit dem Leistungsgedanken im System Olympia überhaupt vereinbar? Was verändert sich dadurch? „Das Unplanbare geht in einen sportlichen Leistungsgedanken über,“ sagt Maike Conway. „Das ist schwierig zu vereinbaren. Die Frage ist: Wie viel opferst du, um zu den Besten zu gehören? Breaking ist körperlich extrem herausfordernd. Wenn du nicht auf höchstem Level trainierst, ist es ein schönes Hobby, aber nicht der Bundeskader. Das deutsche System ist noch ganz neu und hat noch nicht so viel Erfahrung wie das amerikanische, französische oder asiatische, mit dem sich die deutschen Bewerber dann aber messen müssen.“

Die Regisseurin bedauert, dass „Deutschland nicht so das Tanzland ist. Wir wachsen eher mit klassischer Musik, Ballett und Fußball auf. Ich finde es sehr schade, dass Kinder so wenig tanzen. Aber das wird besser.“ Die größere Szene sei allerdings die Hiphop-Szene und Streetdance. „Breaking ist noch einmal sehr viel härter.“ Sie ist selbst seit ihrer Kindheit begeisterte Tänzerin. Allerdings nicht Breaking, sondern Modern Dance, Jazz und Ballett. „Ich liebe Musik,“ sagt die Regisseurin. „Funk, Soul, Hiphop, Jazz. Mein Vater hat mich mit zwölf in einen Jazzclub mitgenommen, da habe ich den Schlagzeuger Art Blakey gehört, und es war um mich geschehen.“ Und sie liebt Breaken, könnte stundenlang zuschauen.

„Das deutsche System ist noch ganz neu und hat noch nicht so viel Erfahrung wie das amerikanische, französische oder asiatische, mit dem sich die deutschen Bewerber dann aber messen müssen.“

Meike Conway erzählt ihren Film auch für Menschen, die nicht so tanzaffin sind. „Ich mag Langzeit-Dokumentarfilme, vor allem mit jungen Leuten, und finde es faszinierend, wenn ich sie – wie in diesem Fall sieben Jahre lang – beobachten und filmisch begleiten kann.“ Dadurch, dass man sich so lange kennt, sei viel Vertrauen entstanden: „Hingehen, schauen was passiert – so wie im Battle begleitet man sie im Leben, erzählt ihre Geschichte.“

Conways filmischen Vorbilder sind vor allem die alten Tanzfilme, die sie mag: Hair, Cabaret, die Step Up-Filme mit tollen Tänzer*innen, aber eher dürftigen Geschichten. Dokumentarfilme über das Breaking sind rar. Bei ihrem ersten Kinofilm stieg der FFF Bayern mit Kino- und Verleihförderung ein. Johanna Teichmann und Martin Choroba von Moviepool produzierten.

Die größten Herausforderungen beim Drehen waren die Tänzer*innen selbst. „Sie leben sehr im Hier und Jetzt, aber ich muss Vorbereitungen treffen und mein Team buchen. Alles ist sehr spontan und schwierig zu planen. Irgendwie klappt es immer, ist aber nie mit Sicherheit verbunden. Das ist auch kompliziert in der Zusammenarbeit mit einem Fernsehsender, der natürlich wissen will, was man dreht,“ berichtet Conway von den Dreharbeiten.

Dokumentarfilme über das Breaking sind rar

Entscheidend bei dem Thema ist natürlich auch die Musik. Alle Musikrechte zu kaufen, hätte das kleine Budget gesprengt. Meike Conway fragte bei den Münchner Musikern Ami Warning, Jamaram und Ferge X Fisherman aus Nürnberg an und bekam von ihnen bereits vorhandene Musik. Nichts musste neu komponiert werden. Außerdem durfte sie den Soundtrack vom BOTY (Battle of the year) verwenden. Ihr Editor Hauke von Stietencron legte den Sound dann komplett unter die Tanzszenen, die geschnitten und montiert wurden, weil sie zu lang waren. Bei der Montage war die Autorin und Regisseurin immer dabei. Es ist ihr Metier, sie ist gelernte Cutterin.

Und Breaking ist ihre Film-Disziplin: Sie drehte bereits drei mal 30 Minuten über die Breakdance Crew The Saxonz 2020 fürs ZDF, und für ZDF 37° Mein Tanz, mein Battle – mit Breakdance Geschichte schreiben 2022. Bereits 2017 bekam sie den Auftrag, deutsche Breaking Crews zu recherchieren. Aus dieser Zeit verfügte sie über Filmmaterial vom ersten Battle, das sie nun verwenden konnte – so entstand eine Art Langzeitdokumentation.

2unbreakable läuft am 3., 6., und 11. 5. beim DOK.fest München, beim Goldenen Spatz und im Mai beim beim Festival in Schwerin. Kinostart ist am 20. Juni im Verleih von Cine Global.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Marga Boehle
Fotos: 2unbreakable/ DOK.fest München/ Cineglobal
Redaktion und digitales Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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