Ganz große Oper

Mitte September 2025 startete bei Disney+ die Serie Call My Agent Berlin. Neben dem deutschen Hauptsitz des Streamingdienstes, der in München liegt und verschiedenen Schauspieler*innen, sind weitere Akteure aus Bayern hinter der Kamera beteiligt: Koproduzent Marc Gabizon und Komponist David Reichelt. Ein Hintergrundbericht.
Text von Chris Schinke
6 Minuten Lesezeit

Mit Call My Agent Berlin brachte Disney+ im September 2025 eine deutsche Adaption des französischen Serienerfolgs Dix pour cent auf den Serienmarkt – gedreht wurde in Babelsberg und Berlin, verortet ist die glamourreiche zehnteilige Dramedy um eine Schauspielagentur in der Hauptstadtbranche. Doch hinter der offenkundig berlinerischen Oberfläche liegt eine Produktionsstruktur, die nicht unwesentlich von Akteuren mitgeprägt wurde, die in Bayern ansässig sind. Die Münchner Produktionsfirma Wild Bunch Germany war von Beginn an der Entwicklung beteiligt und fungiert neben Friday Film als federführende Produzentin. Auch der Score, der den Tonfall und die emotionale Wirkung der Serie prägt, stammt vom Münchner Komponisten David Reichelt.

Die charmante Serie blickt hinter die Kulissen der fiktiven Schauspielagentur Stern, in der reale Filmstars wie Moritz Bleibtreu, Heike Makatsch, Veronica Ferres oder Frederick Lau sich selbst spielen. Der Reiz des Formats – außerdem produziert von Henning Kamm und Showrunner Johann Buchholz sowie Barbara Mientus als Koproduzentin  – liegt in der Verbindung aus satirischem-selbstironischem Blick auf das Filmgeschäft und packender Dramahandlung. Ein Konzept, das bereits international erfolgreich war und nun kongenial für den deutschen Markt adaptiert wurde.

Veronica Ferres als Veronica Ferres auf der Comedy-Bühne

Für Wild Bunch-Produzent Marc Gabizon war von Anfang an klar, dass die Adaption nur dann funktionieren würde, wenn sie „den Geist der Originalserie“ aufgreift, aber eine eigene dramaturgische Identität entwickelt. Er beschreibt die Ausgangslage so: „Es gab schon vorher Versuche anderer Produktionsfirmen in Deutschland, die sich in Frankreich nach den Rechten erkundigt hatten. Es ist aber nie zustande gekommen.“ Gemeinsam mit der Friday Film habe man über mehrere Jahre Rechte verhandelt, Stoffentwicklung betrieben und Disney schließlich überzeugt.

Am Anfang der Produktion standen dabei auch Fragen nach dem Handlungsort der deutschen Version von Call My Agent. Neben Berlin kam u.a. auch die Idee auf, die Serie an den Medienstandorten Hamburg oder München anzusiedeln. Disney war dabei eine maximal urbane Kulisse wichtig, daher fiel die finale Entscheidung auf die Hauptstadt. „Wir wollten einen gewissen Glamour, einen glossy Look“, so Gabizon, „Die Serie spielt ja bewusst mit einer etwas idealisierten, glamourösen Version der Branche. Es ist eine stilisierte Erzählwelt. Berlin erschien uns schließlich als der naheliegendste und für das Publikum am natürlichsten wirkende Ort: Hauptstadt, Stars, Kreativszene – das ist in der Wahrnehmung stark mit Berlin verbunden.“

Ein münchnerisch-bayerischer Akzent kommt neben der in der Landeshauptstadt beheimateten Wild Bunch von David Reichelt, der in München komponiert und produziert. Für die musikdramaturgische Umsetzung arbeitete Reichelt eng mit dem Musikproduzenten Christian Prommer zusammen, der die Tracks und die Titelmusik verantwortet.

©Ina Chi

Der Münchner Filmusikkomponist David Reichelt

Reichelt entwickelte gemeinsam mit seinem Ko-Komponisten eine Klangwelt, die bewusst zwischen Glamour, Ironie und emotionaler Fallhöhe vermittelt – ein Spiegel der High-End-Bilder der Serie. „Wir wollten den klassischen Gestus, aber trotzdem etwas ganz Eigenes schaffen – also eine klassische Struktur, kombiniert mit Beats und modernen Elementen.“ Humor und Tempo spielen in der musikalischen Dramaturgie eine zentrale Rolle. Der Score ist auf das Timing der Serie abgestimmt, die von schnellen Dialogen, Walk-and-Talk-Szenen und Machtspielen geprägt ist. Das Hauptthema, intern „Spiel der Agenten“ genannt, ist darauf ausgelegt, diese Dynamik voranzutreiben und zugleich emotionale Tiefenschichten hörbar zu machen. „Wir bedienen Humor, aber auch Drama – immer mehrschichtig.“ So verweist Reichelt etwa auf die Beerdigungsszene am Ende der zweiten Folge, in der sich unter der Oberfläche von Trauer bereits Machtverschiebungen andeuten. Eine Spannung, die in der musikalischen Gestaltung reflektiert wird.

Der Score folgt einem bewusst überhöhten Ansatz, den der Münchner Komponist als „opernhaft“ beschreibt: Er soll die charakteristische Mischung der Serie aus Eitelkeit, Machtspielen, Drama und Leichtigkeit nicht bloß naturalistisch abbilden, sondern stilisiert verstärken. Die Musik dient dabei als kommentierende Ebene, die Emotionen überzeichnet oder ironisch bricht und sie zugleich auf eine größere erzählerische Bühne hebt. 

Große Bühne ist in Call My Agent Berlin allein schon wegen den zahlreichen Gastauftritten von Stars angesagt. Neben Veronica Ferres u.a. Emilia Schüle und Iris Berben. Großes Format aber hat auch das Stammensemble aus Dana Herfurth, Karin Hanczewski, Michael Kammer, Lucas Gregorowicz und Gabrielle Scharnitzky. „Am Anfang war die Begeisterung groß – viele haben gesagt: ‚Super, ich bin interessiert.‘ Aber wenn es konkret wurde, kamen Zweifel“, berichtet Gabizon im Hinblick auf die Akquise prominenter Gastauftritte. Die Selbstinszenierung sei verständlicherweise für manche Stars eine sensible Frage gewesen. Rollen wurden angepasst, Gespräche geführt, Figuren überarbeitet. Der Serie geht es nicht darum bloß Branchendynamiken zu persiflieren, sondern den Starfaktor für eine unterhaltsame wie realitätsnahe serielle Erzählung zu nutzen. Herrlich pointiert gelingt das etwa in einer frühen Episode, in der Heike Makatsch‘ Berühmtheit eine Hürde auf dem Datingmarkt darstellt.

Der Münchner Koproduzent Marc Gabizon (Wild Bunch Germany)

„Die Serie hat diese Leichtigkeit, mit der dramatische Situationen erzählt werden.“, so Gabizon. „Sie ist charmant, ironisch, menschlich. Die Agenten sind Figuren mit Sehnsüchten: nach Anerkennung, Macht, Liebe, Selbstverwirklichung. Das ist universell. Genau das hat uns überzeugt: Wenn die Figuren funktionieren, dann funktioniert die Serie. Es ist letztlich eine Serie über Beziehungen – nicht nur über Stars.“ Bei der Adaption wurde die Tonalität gezielt an den deutschen Markt angepasst. Das Erzähltempo wurde erhöht und emotionale sowie dramatische Momente stärker akzentuiert, während die ironische Grundhaltung des Originals erhalten blieb. Ziel war es, keine direkte Kopie der ohnehin nicht 1 zu 1 „duplizierbaren“ französischen Vorlage zu schaffen, sondern ein eigenständiges Format mit höherer erzählerischer Verdichtung und Tempo zu entwickeln.

Die größte Herausforderung lag in der extrem engen Produktionsplanung. Pro Episode standen relativ wenige Drehtage zur Verfügung – ein knapp bemessenes Zeitfenster, insbesondere für eine Serie mit komödiantischem Timing und prominenten Gastdarstellerinnen und -darstellern, deren Verfügbarkeit begrenzt war. Um den Drehplan einzuhalten, musste parallel an mehreren Sets gearbeitet werden. Verzögerungen hätten den gesamten Ablauf gefährdet, weshalb das Team äußerst präzise und unter hohem Zeitdruck agierte. Zwar konnten durch zusätzliche Partner einzelne Drehtage ergänzt werden, insgesamt blieb der Zeitrahmen jedoch sehr knapp. Gabizon beschreibt diese Phase als eine der herausforderndsten, zugleich aber auch produktivsten seiner Laufbahn.

Call My Agent Berlin erfährt seit seinem Start im Herbst überaus positive Aufnahme, beim Publikum und überwiegend auch bei Kritiker*innen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz bedeutete das jeweils Top-Charts-Platzierungen. Natürlich drängt sich da sie Frage nach einer Fortsetzung auf. Zusammen mit Friday Film würden Marc Gabizon und die Münchner Wild Bunch natürlich gerne an Staffel 1 anknüpfen. Allein in ihrer Macht liegt die Entscheidung nicht. „Disney hat eine außergewöhnlich breitflächige starke Kampagne gemacht, das Marketing war mehr als beeindruckend“, so Gabizon. „Die Resonanz in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist sehr positiv. Aber ob das ausreicht, entscheidet Disney nach internen Kriterien. Wir wissen, dass die Zahlen gut sind – ob sie ‚gut genug‘ sind, das wissen wir noch nicht. Wir bereiten eine zweite Staffel vor, aber die Entscheidung liegt nicht bei uns.“ Die Agentur-Sets im Studio Babelsberg existieren jedenfalls noch – schon mal eine gute Voraussetzung für eine mögliche Produktion von Season 2.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Chris Schinke
Redaktion: Olga Havenetidis
Gestaltung und digitales Storytelling: Schmid/Widmaier

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