„Ich
mach’
was
draus”

Im Januar gab es den Preis des Ministerpräsidenten für Schauspielerin und Produzentin Veronica Ferres. Ihre Firma Construction Film hat sie jüngst um zwei Personen vergrößert. Ein Gespräch über die Ausrichtung und Pläne des Unternehmens, das vor elf Jahren in München gegründet wurde.
Interview: Dominik Petzold
9 Minuten Lesezeit

Veronica Ferres hat ihre Firma Construction Film erweitert: Der neue CPO Tobias Rosen und Produzentin Julia Rappold arbeiteten zuletzt bei Sky Studios, bevor das Unternehmen fiktionale Eigenproduktionen einstellte. Im Interview ist auch der Produzent und kaufmännische Leiter Ralf Berchtold dabei, der seit über zehn Jahren für Construction Film arbeitet. Doch bevor die vier über die Ziele des Unternehmens sprechen, ist eine Gratulation geboten.

 

Frau Ferres, herzlichen Glückwunsch zum Preis des Ministerpräsidenten beim Bayerischen Filmpreis. Die Auszeichnung hat Sie spürbar bewegt. Wieso?

VERONICA FERRES  Ich stand bei der Verleihung im Prinzregententheater vor vielen Wegbegleitern, und vorher hatte ich eine „Privataudienz“ beim Ministerpräsidenten, der mir sagte, dass mich die Jury einstimmig vorgeschlagen hat. Das berührt einen einfach. Dieser Preis unterscheidet sich von den vielen wunderbaren Preisen, die ich für die Arbeit an einzelnen Filmen bekommen habe, denn er hatte mit meinem ganzen Werdegang zu tun. Frauen bekommen nur schwer eine Chance, wenn sie nicht in ein bestimmtes Raster passen. Ich habe nie in eine bestimmte Schublade gepasst und oft darunter gelitten. Aber vielleicht ist das genau der Grund, warum ich diese wunderbare Energie habe, besondere Geschichten zu erzählen.

 

War der Preis für Sie Anlass, Zwischenbilanz zu ziehen?

VERONICA FERRES  Ja, und zugleich ein Ansporn. Deshalb habe ich auf der Bühne zum Ministerpräsidenten gesagt: Es war die richtige Entscheidung, mir den Preis zu geben – ich mache etwas draus. Das ist gerade ein Höhepunkt in meinem Leben, ich fühle mich an meinem Platz sehr gut. Persönliches Glück hängt ja immer von der Antwort auf die Frage ab: Bist Du – auch beruflich – gern mit den Menschen zusammen, die Dich umgeben? Und das bin ich.

 

Gerade sind zwei neue Leute dazu gekommen. Wieso haben Sie Construction Film vergrößert?

VERONICA FERRES  Ich habe zehn Jahre gebraucht, um die Firma aufzubauen, mit wirklich ungewöhnlichen Projekten.

Unser USP sind die internationalen Koproduktionen und das Netzwerk, das ich seit der Oscar-Nominierung von Schtonk in Amerika aufgebaut habe.

Wir haben sehr klein angefangen und sind langsam, aber organisch gewachsen. Seit einiger Zeit stehe ich wieder mehr vor der Kamera, deshalb wollte ich die Firma so aufstellen, dass ich mich rausziehen und dabei wissen kann, dass das Schiff weiter Fahrt in die richtige Richtung aufnimmt. Tobias Rosen finde ich außergewöhnlich, visionär, stark und leidenschaftlich, und als es die Gelegenheit gab, habe ich mich sofort in die Idee verliebt, mit ihm zu arbeiten. So jemanden zu finden, ist ein großes Geschenk. Letztes Jahr habe ich in Montana neben Pierce Brosnan und Samuel L. Jackson eine Hauptrolle in Unholy Trinity gedreht – und trotzdem lief es in der Firma dank Tobias, meinem langjährigen Mitarbeiter Ralf Berchtold und dem gesamten Team großartig. Julia Rappold ist nun seit Januar bei uns und man spürt ihre tolle Energie jeden Tag im Büro. Es ist wunderbar, dem Team vertrauen und jederzeit sagen zu können: Ich bin dann mal weg.

TOBIAS ROSEN  Und ich muss dazu sagen: Es ist toll, in einer schwierigen Zeit für die Filmbranche den Mut zu haben, nochmal zwei Leute dazu zu holen.

VERONICA FERRES  Man muss antizyklisch denken, dann ist man immer vorn. Wir sind jetzt ein Team, das die gleichen Visionen, Ziele und moralischen Vorstellungen hat. Ich muss nicht mehr jeden Tag von halb neun bis abends zehn Uhr im Produktionsbüro persönlich anwesend sein. Mit Tobias Rosen, Julia Rappold, Ralf Berchtold, Alena Jelinek und Laura Roll sind hervorragende Produzent*innen in der Firma. Ich kann dank meiner Top-Agentin auf höchstem Niveau tolle Filme drehen, und das möchte ich gerne wahrnehmen.

Wieso drehen Sie jetzt als Schauspielerin wieder mehr in Deutschland?

VERONICA FERRES  Als ich die Firma vor zehn Jahren gegründet habe, waren einige Produzentinnen und Produzenten verwirrt und dachten: Jetzt kann man die nicht mehr besetzen, sonst mischt die sich in alles ein. In Amerika ist das anders, da haben fast alle Schauspielerinnen und Schauspieler Firmen. Erst in den letzten zwei, drei Jahren haben es die Produzentinnen und Produzenten akzeptiert und festgestellt: Die kann man ja wieder engagieren! Seitdem drehe ich auch wieder vermehrt in Deutschland.

 

Herr Rosen, Frau Rappold, was hat Sie an Construction Film angesprochen?

TOBIAS ROSEN  Ich finde die internationale Aufstellung toll. Da hat die Firma in den letzten Jahren ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt, sie denkt größer, internationaler und ohne Schranken. Wir wollen diesen USP bewahren und zugleich in Deutschland fragen: Was können wir den Streamern und dem TV-Markt anbieten, obwohl die Situation schwieriger ist als noch vor zwei Jahren? Auch im Dokumentarfilm-Bereich übrigens, mit relevanten Themen. Mit Blick auf den USP und die Ziele auf dem deutschen Markt war ich Veronica dankbar, dass sie bereit war, zu investieren und Julia dazuzuholen. Durch unsere Zusammenarbeit bei einem Development bei Sky kannte ich zudem schon das tolle Team der Construction Film und wusste: Auch menschlich passt es wunderbar.

JULIA RAPPOLD  Man hat einfach das Gefühl: Wir teilen die gleichen Werte. Wir arbeiten sowohl im Team als auch mit unseren Kreativen mit Wertschätzung und auf Augenhöhe füreinander. Das war mir sehr wichtig. Ideen werden in die Runde geworfen und die beste zählt. Unser Portfolio gemeinsam national ausbauen zu dürfen – sowohl im TV, Streaming- und Kino-Bereich – finde ich superspannend. Und beim internationalen Arbeiten werde ich sicherlich eine Menge lernen dürfen. Toll ist, dass sich auch unsere jeweiligen Netzwerke im Team so gut ergänzen.

VERONICA FERRES  Man spürt da einfach die Synergien, gerade auch mit unserer Produzentin Alena Jelinek, die in unserem Berliner Büro nochmal ein anderes Netzwerk hat als wir. Zudem hat sie hat eine tolle Serien-Expertise. Laura Roll hat als junge Produzentin und Absolventin der HFF München oft eine jüngere Sichtweise auf die Stoffe, was wunderbar ist.

RALF BERCHTOLD  Und wenn wir von Netzwerken sprechen, gehören nicht nur die Kreativen dazu, die die Quellen unserer Arbeit sind, sondern auch Produktionspartner, Förderer, Sender, Verleiher, Weltvertriebe, Serviceproduktionen und Servicepartner; national wie international. Auch da pflegen wir unsere Netzwerke, auch da ist uns Wertschätzung wichtig. Denn die Frage ist ja nach jedem Projekt für beide Seiten: Wollen wir nochmal mit den anderen zusammenarbeiten?

 

Kommen bei Projekten manchmal die falschen Personen zusammen?

TOBIAS ROSEN  So sehr man sich bemüht, mir ist das schon ein-, zweimal passiert. Das Entscheidende ist, wie man dann miteinander umgeht. Auch deshalb habe ich mich dafür entschieden, in diese Firma zu gehen. Selbst wenn man die Falschen zusammenbringt, kommt es darauf an, auf welche Werte man zurückgreift und wie man mit Partnern umgeht. Wenn man sich auf diese Basis verlassen kann, findet man bei Konflikten eine Lösung. In unserer Branche herrscht oft viel Druck, wir stellen sehr teure Produkte her. Das Ganze mit großem Respekt anzugehen, ist essenziell.

 

Welche Themen sind Ihnen inhaltlich wichtig?

VERONICA FERRES  Female Empowerment – und das gehen wir ohne Schranken im Kopf an.

Bei The Unvorgivable stand schon ein großer Hollywood-Regisseur fest, aber ich habe gesagt: Nein, das muss Nora Fingscheidt machen! Der Film ist die Königin, und der haben wir alle zu dienen. Und wenn man der Überzeugung ist, dass diese junge Regisseurin die richtige ist, auch wenn es um eine riesige Hollywood-Produktion geht, dann muss man das durchkämpfen, egal wie schwierig das erstmal sein kann. Female Empowerment können wir nur im Schulterschluss mit tollen Männern erreichen. MeToo hat nur geändert, dass einem zugehört wird, wenn man sich zu Machtmissbrauch äußert – aber der Machtmissbrauch findet noch statt. Das ist ein Thema, das uns aufwühlt.

Welche Projekte stehen in nächster Zeit an?

RALF BERCHTOLD  Zum einen die internationale Koproduktion Morning mit Benedict Cumberbatch und Laura Dern in den Hauptrollen, die wir mit Sunny March und der Augenschein Filmproduktion produzieren und der FFF Bayern aus dem internationalen Topf gefördert hat. Und zum anderen Alte Sorten, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ewald Arenz. Regie wird Michaela Kezele führen. Das Drehbuch schreibt sie zusammen mit Jane Ainscough, die viel Erfahrung mit der Adaption von Romanen hat. Marc Gabizon und sein Team von Wild Bunch sind bei diesem Projekt als Verleih und Koproduzent mit an Bord.

JULIA RAPPOLD  Im Mittelpunkt stehen hier zwei starke Frauenfiguren. Female Empowerment sagt sich ja immer so leicht, aber wir nehmen die Frauenfiguren wirklich ernst und erzählen sie in ihrer Besonderheit, ihrer Verletztlichkeit. Der Film wirkt auf den ersten Blick klein, aber er kann groß werden, denn er behandelt universelle Themen wie Identität, Familie, Verlust und die Suche nach dem persönlichen Platz in dieser Welt. Alte Sorten ist eine sehr poetische und wunderbare Heilungsgeschichte, die großes Kino ist. Ich kannte das Buch schon und war begeistert, dass die Veronica sich hier vor Jahren die Rechte gesichert hatte. Außerdem realisieren wir mit Pauline Roenneberg und Felix Bärwald den Debütfilm Kalter Hund als deutsch-österreichische Koproduktion mit Milk Pictures und Horse&Fruits. Wir wollen Pauline Roenneberg als Talent fördern und auch langfristig immer wieder mit neuen und talentierten Kreativen zusammenarbeiten – darin sind wir uns alle einig.

RALF BERCHTOLD  Das Construction Film Team ist jetzt wirklich sehr gut besetzt, weil wir mit unserem Team von Produzent*innen ein großes nationales sowie internationales Netzwerk abdecken und eine Expertise aus unterschiedlichen Bereichen vorweisen können. Außerdem haben wir mit Fabian Post einen hervorragenden Herstellungsleiter, der in der Herstellungabteilung von Bernadette Wörner unterstützt wird. Wir sehen uns daher für die Zukunft gut gewappnet.

 

Inwiefern ist München der perfekte Standort für Ihre Firma?

VERONICA FERRES  Wegen der Mentalität der Menschen. Ich bin seit 41 Jahren hier …

RALF BERCHTOLD  … obwohl sie aus Solingen kommt, ist sie inzwischen bayerischer als wir Bayern …

VERONICA FERRES  … und wir sind hier von der Mentalität ein bisschen anders, ein bisschen südländischer. Außerdem bietet der Standort der Firma großartige Möglichkeiten, auch durch den internationalen Topf des FFF. Wir alle lieben die Filmstandorte Köln, Hamburg und Berlin – aber München ist der ideale Ort für uns.

Copyright Construction Film

Das Produktionsteam: Veronica Ferres mit Julia Rappold, Ralf Berchtold, Alena Jelinek, Tobias Rosen und Laura Roll.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Interview: Dominik Petzold
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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