Popkul­turell
relevant

Das Indie Games-Studio Jumpy Bit wurde von Robin Kocaurek und Marcel-André Casasola Merkle neu gegründet. Im Gespräch erzählen die beiden Geschäftsführer, wie sie mit dem kreativen Risiko umgehen, welche Herausforderungen bei der Entwicklung ihres neuen Spiels The Choices we make bestehen und warum ihnen eine Work-Life Balance für ihre Mitarbeiter*innen so wichtig ist.
Interview: Julia Wülker
6 Minuten Lesezeit

Ihr habt Jumpy Bit 2022 neu gegründet. Gerade erst haben die Gründer vom erfolgreichsten bayerischen Games-Studio Mimimi das Aus verkündet. Wie schätzt ihr die aktuelle Lage der bayerischen Games-Entwickler/Studios ein?

Mit Mimimi ist nicht einfach nur ein Studio weniger am Standort. Geschätzte Kollegen, Freunde und ihr Engagement in der Szene werden uns allen fehlen. Das „Modell Mimimi“ wirkte auf dem Papier ideal: Sie haben sich durch hart erarbeitete Expertise in einem Genre bei steigender Produktionsqualität an die Spitze gearbeitet. Das klang nach dem richtigen Weg. Dass das finanziell am Ende nicht ausreicht, ist neben einem Zeichen der Zeit auch eine Warnung an andere Studios. Wir sind deutlich kleiner und können potenziell schneller reagieren, aber die Suche nach Publishern wie auch Endkunden wird immer mehr zur Herausforderung. Auch das Wegbrechen der Bundesförderung trifft die Branche hart: Mit ihr konnten eigene Investitionen vervielfacht werden. Das können die Regionalförderer nur teilweise auffangen.

Ebenfalls von FFF Bayern gefördert: das Spiel Hauma

Was muss ein Studio erfüllen, um am Standort zu bestehen und international mitzuhalten?

Wenn es eine einfache Checkliste dafür gäbe, würden vermutlich mehr Menschen Spiele entwickeln. Eine eigene kreative Handschrift als Teil eines vermarktbaren Produkts ist in einem umkämpften Markt wichtiger, als Trends blind zu folgen. Internationaler Wettbewerb heißt allerdings auch, die Ressourcen wie die Bundes- und Regionalförderungen zu nutzen, um ein gewisses Risiko eingehen zu können. Wir sehen dieses kreative Risiko als die Chance herauszustechen. Der erste Titel ist für die wenigsten Studios der Durchbruch, aber der Aufbau der Expertise ist enorm wichtig. Ein Team mit dieser Erfahrung hat deutlich mehr Chancen am internationalen Markt. Um zu bestehen sind kurze Entwicklungszyklen und interessante Konzepte wichtige Bausteine.

Euer Projekt The Choices We Make wurde im Jahr 2023 vom FFF Bayern gefördert. Die Spieler*innen schlüpfen in die Rolle eines Solo-Indie Developers und entwickeln selbst ein Spiel, um nachempfinden zu können, wie sich das Entwickeln von Spielen anfühlt. Wie kamt ihr auf die Idee?

Die Entwicklung von Spielen fühlt sich selbst an wie ein großes Puzzle. Diverse Parameter und Unbekannte, die es irgendwie zu lösen gilt, eine Ansammlung an selbstgemachten Problemen. Und die Lösung ist eine Verkettung von Entscheidungen, die sich am Ende als Quersumme im Spiel finden. Und weil diese Momente so emotional sein können, Erfolge wie Misserfolge, ist es eigentlich ein perfekter Schauplatz für ein Spiel. Marcel hat vor einiger Zeit bereits einen Proof of Concept dazu entwickelt, der mit sehr einfachen Mitteln gezeigt hat, dass die Idee Potential hat.

 

Wer ist die Zielgruppe?

Auf der einen Seite sind da die, die sich selbst als Game- und Leveldesigner*innen sehen. Also eine engagierte Gruppe von Menschen, die sich dieses eine Stück über den reinen Konsum eines Spiels hinaus dafür interessieren. „Indie Games“ sind popkulturell relevant und ihre Entstehung bereits in Serien und Dokumentarfilmen festgehalten. Wir richten uns an dieses Publikum und wollen diese Erfahrung auf der anderen Seite nicht einfach zeigen, sondern eben erlebbar machen.

Der Debüttitel The Choices We Make bietet eine neue Perspektive auf das Medium selbst.

Das Spiel soll zur Reflexion über kreatives Schaffen an sich, die Arbeitsbedingungen der Branche und die Beziehung von Spielen und ihrer Umwelt einladen. Wie setzt ihr das im Spiel um?

Die einzige Ressource im Spiel ist die Zeit. So wie wir jeden Tag entscheiden, woran wir arbeiten, müssen das die Spieler*innen auch tun. Als Beispiel: Derzeit schreiben wir für die Filmnews ein Interview, das heißt diese Zeit wird nicht in meine Arbeit am Spiel gesteckt. Was bedeutet das für das Produkt in einem Jahr, was bedeutet das für den Release? Am Ende ihrer Projekte sollen die Spieler*innen immer die Spuren dieser Entscheidungen im eigentlichen Produkt wiedererkennen.

 

Welche sind die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?

Neben dem berühmten „Scope“, also dem Umfang des Spiels, gilt es herauszuarbeiten, wie sich das Spiel den Spieler*innen öffnet. Es soll zugänglich genug sein, dass jede:r Unbedarfte damit interagieren kann, ohne sich mit Spielentwicklung auszukennen. Aber es soll auch die Herausforderung abbilden, die uns jeden Tag begegnen und deren Lösung zu den echten Höhepunkten zählen, die wir so erleben.

Das Game lässt die Spieler*innen in die Rolle angehender Indie-Entwickler*innen schlüpfen, sie gestalten, testen und Entscheidungen treffen.

Auf dem Markt erhältliche Spiele, die sich mit der Entwicklung von Videospielen selbst beschäftigen, beschränken sich meistens auf den Aspekt der Simulation. The Choices We Make fokussiert sich dagegen auf die emotionale Geschichte, die hinter diesen Werken steht und bietet den Spieler:innen einen Perspektivwechsel. Wie kam es zu der Entscheidung? Was wollt ihr damit bezwecken?

Die Perspektive eines einzelnen Entwicklers ist für uns interessanter als die wirtschaftliche Komponente. Die angesprochenen Titel nutzen Gamedev als Kulisse, aber gehen wenig auf die kreativen Aspekte ein. Wir verzichten fast vollständig auf eine wirtschaftliche Simulation und fokussieren uns auf die Selbstwirksamkeit und kreativen Entscheidungen.

Die Spieler*innen erleben die Berg- und Talfahrten einer emotionalen Reise: vom ersten Sprite bis zum fertigen Spiel.

Jumpy Bit erklärt sich als Studio, das seinen Mitarbeiter*innen eine ausgewogene Work-Life-Balance bieten möchte. Welche Möglichkeiten bietet ihr dazu an?

Work-Life-Balance ist einer der Aspekte, auf die wir achten. Neben keinem Crunch haben wir auch eine reduzierte Wochenstundenzahl. Nachdem wir alle unterschiedliche Erfahrungen in der Branche gesammelt haben, versuchen wir vor allem basierend darauf Entscheidungen in der Firma so zu treffen, dass jede:r an den Dingen arbeiten kann, die sich richtig und gut anfühlen. Wir haben ein eigenes Kartenset entwickelt, das uns hilft, regelmäßig über Stolpersteine und Unklarheiten zu sprechen. Aber auch positive Aspekte und Gelegenheit für Lob bilden wir damit ab. Bisher funktioniert das ganz gut, das Kartenset haben wir auch schon an andere Teams verschenkt.

 

An welchen Projekten arbeitet ihr gerade außerdem?

Wir sind in der glücklichen Lage, uns einzig und allein dem derzeitigen Projekt widmen zu können. Unsere ungeteilte Aufmerksamkeit geht in The Choices We Make. Etwaige überschüssige Energien landen maximal in der „Sehr, sehr gute Ideen“ Schachtel für das nächste Projekt.

Über das Spiel

Der Debüttitel The Choices We Make bietet eine neue Perspektive auf das Medium selbst. Er lässt die Spieler*innen in die Rolle angehender Indie-Entwickler*innen schlüpfen, sie gestalten, testen und Entscheidungen treffen. Sie erleben die Berg- und Talfahrten einer emotionalen Reise: vom ersten Sprite bis zum fertigen Spiel. Sie lernen die Fallstricke kennen, spielerische Kniffe und wie wichtig ein Freundeskreis ist, auf den man sich verlassen kann. Sie entwickeln spielerische Miniaturen, die sie selbst spielen und mit anderen teilen können.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Interview: Julia Wülker
Redaktion und digitales Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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