Ein kleines Schild mit der Aufschrift „Kino“ weist einem den Weg vom S-Bahnhof Tutzing zum Kulturtheater. Die Alteingesessenen werden es kaum beachten, denn das Kino in der Kirchenstraße existiert schon seit 1953. Siebzig Jahre lang hieß es „Kurtheater“, im Dezember 2023 zog sich Kinobetreiber Michael Teubig nach 20 Jahren aus Altersgründen zurück.
Damit war das einzige Kino Tutzings geschlossen. Die Pächter, Robert Harthauser und sein Sohn Maximilian, die das Kino unbedingt erhalten wollten, machten sich auf die Suche nach neuen Betreiber*innen. „Das Kino wird weitergehen!“ schrieben sie auf gelbe Zettel, die sie im Ort aufhängten. Es wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die sich „Tutzing macht Kino!“ nannte. Es kam ein neues Konzept ins Spiel – und mit ihm die Frau, die dem Kino heute vorsteht.
Lucie Vorlickova ist eine patente Persönlichkeit, das macht sich beim Treffen im Kino-Foyer des Kulturtheaters gleich bemerkbar, wo sie die erstaunliche Erfolgsgeschichte der Kinotransformation erzählt. Nach dem Aus des Kurtheaters schien es zunächst unmöglich, eine Nachfolge zu finden. Ein Kino mit nur einem Saal und 120 Plätzen ist heute nicht nur angesichts der Konkurrenz der Streaming-Kanäle schwer zu bespielen. Die 10.000-Seelen-Gemeinde hat eine attraktive Umgebung und ein großes Angebot an Outdoor-Freizeitaktivitäten, auch das füllt keinen Kinosaal. Im Fünf-Seen-Land gibt es außerdem die Breitwand-Kinos von Matthias Helwig. Die schwierige Bespielbarkeit des Tutzinger Kinos ließ sich den Bilanzen der letzten Kinojahre entnehmen: Die kommerziellen Anwärter*innen winkten ab.
So musste eine andere Lösung gefunden werden. Es entstand die Idee zu einem Bürgerkino. Bürgerkinos haben sich als Betriebsform neben den kommerziellen und den kommunalen Kinos erfolgreich etabliert, auch das Casablanca-Kino in Nürnberg, das regelmäßig mit den Programmprämien der BKM und des FFF Bayern ausgezeichnet wird, ist eines. Diese Form des Kinos lebt im Wesentlichen von der Bürgerbeteiligung und setzt damit unmittelbar auf das Commitment der Gemeinde. Es ist nicht nur ein Kino für die Bürgerinnen und Bürger – sondern eben auch eines von ihnen.
Lucie Vorlickova erzählt, wie sie das Projekt auf den Weg brachte: Seit ihrem Zuzug aus Prag vor knapp zehn Jahren interessiert die ehemalige Steuerberaterin und Unternehmerin das Leben in der beschaulichen Gemeinde. Ein Kino, das womöglich für immer geschlossen hat, wollte sie nicht hinnehmen. „Viele Geschäfte und Restaurants haben seit der Pandemie zugemacht“, erzählt sie, „es wurde immer dunkler in Tutzing. Jetzt leuchtet es wieder am Abend.“ Es gehe ihr dabei auch um Lebensqualität, um Abwechslung und Horizonterweiterung. „Kultur gehört einfach dazu. Das Kino hilft mit seinen Filmen, mit der Gegenwart zurechtzukommen, in Zeiten von Kriegen, Klima, Katastrophen.“