Sie ist
ein Multi­talent

und so etwas gibt es nicht oft
Jovana Reisinger, Autorin, Regisseurin, Schriftstellerin, Künstlerin, Modell etc. inszeniert gerade mit FFF Förderung ihren HFF Abschlussfilm "Unterwegs im Namen der Kaiserin" mit Maze Pictures als Produktionsfirma. Ein Porträt.
von Christoph Oellers
7 Minuten Lesezeit
Copyright: Thomas Gothier

Neulich, Ende Januar, gehörte Jovana Reisinger beim FFF Presse Lunch zu den geladenen Gästen. Reisinger, Jahrgang 1989, zählte eher zu den Jüngeren. Sie ist noch Studentin der HFF München und ihr Abschlussfilm hat die Nachwuchsförderung des FFF Bayern in Höhe von 65 000 Euro erhalten. Unterwegs im Namen der Kaiserin ist ein Langfilmprojekt im Fachbereich Dokumentarfilm, das Elisabeth, vorletzte Kaiserin Österreich-Ungarns, zum Ausgangspunkt hat. Ihre Ermordung lag im vergangenen September 125 Jahre zurück. ZDF, RTL und Netflix ließen Serien drehen, es gab die Kinofilme Film Sisi & Ich von Frauke Finsterwalder und Corsage von Marie Kreutzer.

Deswegen dreht aber nicht Jovana Reisinger. „Ich nehme die Figur nur als Vehikel.“ Reisinger wird sich ab Juli in den bayerischen Alpen die Kulisse zunutze machen, dabei die Jagd nach altersloser Schönheit zum Thema haben: drei Freund*innen unterwegs zum ewigen Jungbrunnen, den der Bergquell speisen soll.

„Es wird ein dialoglastiger Film. Da wird nur geredet.“ Gegen Naturidyllenkitschverdacht kontert das Drehbuch Innenszenen an Nichtoriginalschauplätzen. Ganz wichtig: Das kleine Fernsehspiel des ZDF tritt als Mitproduzent auf. Bei manch anderem Abschlussfilm oder Debütfilm sind Sender nicht dabei, mit ein Grund, aus dem es Protest von jungen Filmschaffenden gab wie den Appell „Angst essen Kino auf“, den über 1.000 Filmschaffende unterzeichnet haben und der Entscheider*innen auffordert, häufiger mutige Erstprojekte zu unterstützen. Auch Jovana Reisinger hat unterschrieben.

Für die Regisseurin hat Kaiserin Elisabeth auf der Hand gelegen als in Oberösterreich sozialisierte Tochter mit Wirtshaushintergrund. „Da war der Griff zur Monarchie sehr einfach“, sagt sie beim Treffen im Baader-Café. Außerdem stamme Elisabeth aus Bayern, sie habe in Niederbayern Abitur gemacht und lange in München gelebt. „Es wird ein lustiger Film.“ Sie hat das Baader gewählt, obwohl sie nicht im Gärtnerplatzviertel wohnt oder arbeitet, obwohl sie keine Stammgästin ist. „Das ist ein offener, etwas anderer Ort als die sonstigen designten Kaffeehäuser hier.“ Sie sitzt unter der Weltkarte, die fast so alt ist wie das Café:  mit Südamerika auf der rechten Seite unten und dem noch geteilten Deutschland im Herzen Europas. Reisinger trägt schwarzen Kapuzenpulli mit strassbesetztem Schriftzug: Everybody’s favourite Angel, den Cappuccino mit Hafermilch vor sich.

Treffpunkt: das Baader Cafe im Münchner Glockenbachviertel

Sie hat keine Zeit. Sie dreht nicht nur, sie schreibt auch. „Zurzeit bin ich mit meinem Schreibtisch verheiratet.“ Zurzeit lebt sie in Trennung. Zum Scheidungstermin wie zu anderem Privaten will sie sich nicht näher äußern. Das würde ihr Prinzip des autofiktionalen Erzählens unterspülen, ihre Autorinnenfreiheit beschneiden und zudem ihr soziales Umfeld ans Licht der Öffentlichkeit zerren. So hält sie es auch mit ihrem Instagram-Account. Sie versorgt ihre über 8.200 Follower*innen täglich mit acht bis zehn Stories, häufig teilt sie Cartoons, immer wieder ruft sie zu Demos gegen rechtsextrem auf, informiert über Abtreibungsgegner*innen, mal empfiehlt sie eine Inszenierung an den Münchner Kammerspielen, mal inszeniert sie Umfragen, was sie heute Nachmittag wohl vorhat: a) Termin bei der mexikanischen Botschafterin b) Scheidung c) Talk bei Lanz. Die Lösung präsentiert sie am Folgetag: nichts davon („hehe“).

Bis zum 1. April muss der Text für ihr nächstes, ihr fünftes Buch stehen (kein Scherz). Es vereint Essays zum Schlafen, Essen und zur Mode unter den Bedingungen des Klassismus. Klassismus meint, wenn Menschen qua Herkunft es schwerer haben, am sozialen, kulturellen oder ökonomischen Leben zu partizipieren. Reisinger beschäftigt, wie aus elitären Highend-Produkten Mainstream entsteht. Dazu zählt sie Luxusgüter wie Schönheitskuren, Champagner oder Austern, die erschwinglich werden, weil sie überall – etwa im Discounter –   zu haben sind. Sie spricht in dem Zusammenhang von „vermeintlicher Demokratisierung“. „Wenn dann aber das eurozentristische Schönheitsideal Stupsnase mit blonden Haaren ausgerufen wird und alle blaue Kontaktlinsen tragen, muss man sich fragen, was da passiert: Ist es Rassismus?  Ist es Sexismus? Man zwängt in jedem Fall anderen ein Schönheitsideal auf.“

Sie hatte das Treffen im Baader verschoben der Pressefotos fürs Buch wegen. Nach den Erfolgen bei den Independent-Verlagen (Verbrecher, Berlin / Korbinian, Berlin) ist sie in der Konzernwelt angekommen: Ihr jüngster Essay über die Menstruation erschien bei Reclam, Stuttgart, das kommende Buch wird bei Ullstein, Berlin, verlegt. „Da geht es natürlich um die Regeln des kapitalistischen Buchmarktes: um Sichtbarkeit, Präsenz, um Pressearbeit, Vertrieb und Lesungen und um Gagen. So ein Konzern hat andere Möglichkeiten.“  Seit dem Wechsel sei ihre Sympathie für die unabhängigen Kleinverlage weiter gewachsen.

Ende Januar stellte Jovana Reisinger beim FFF Presse Lunch ihr HFF München-Abschlussprojekt Unterwegs im Namen der Kaiserin vor

Reisinger spricht schnell; vermutlich so schnell wie sie denkt und liest. Fünf, sechs Bücher sind es gleichzeitig. Auf Instagram zeigt sie, wie die aktuelle Lektüre ihr Bett besetzt: Sieht aus wie ein domestizierter Semesterapparat, den Professor*innen in analogen Zeiten an geisteswissenschaftlichen Fakultäten eingerichtet hatten. Sie liest Literatur von und über Frauen. „Als Teenager habe ich superviel feministische Literatur gelesen und gar nichts verstanden.“ Sie nennt Gisela Elsner, Marlen Haushofer, Ilse Aichinger. Ein paar Männer liest sie auch: Ilija Matusko, der sich mit Verdunstung in der Randzone ebenso im autofiktionalen Sujet bewegt und gastrosozialisiert ist (S.136: „[…] ob man Stammgast ist oder nicht, entscheidet der Wirt.“). Oder Rainald Goetz (1983: Rasierklingenauftritt beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt / 2015: Büchner-Preis), von dem sie in Enjoy Schatz schreibt, wie er in Berlin-Mitte an ihr vorbeiradelte.

„Sie ist ein Multitalent – und so etwas gibt es nicht oft. Ich unterstütze sie da total“, sagt ihre HFF Professorin Karin Jurschick.  Reisinger sieht sich als Künstlerin in verschiedenen Sparten: Neben Film, Literatur, Kunst ist das seit letztem Jahr auch das Theater – die Illustration sowieso: Vor der HFF hat sie auf der Hochschule München Kommunikationsdesign studiert. „Ich wollte als Kind und Teenager Malerin werden.“ Eine Adaption von Spitzenreiterinnen hatte im Mai 2023 Uraufführung in Kassel, eine Woche später folgte das Münchner Resi. An deren Bühnenfassung hat sie mitgewirkt. Dem Abend gelingt beste Unterhaltung, die Vorstellungen sind stets ausverkauft.

Produzentin Caro Daube

Caro Daube, die für Maze Pictures Unterwegs im Namen der Kaiserin produziert, hat auch die Verfilmungsrechte von Spitzenreiterinnen erworben, um daraus eine Serie zu entwickeln. „Für mich ist Jovana der weibliche Fassbinder des 21. Jahrhunderts.“ Nach dem Buch und vor dem Dreh wird Reisinger an der Berliner Schaubühne die Uraufführung ihres Enjoy-Schatz-Buches unter der Regie von Sarah Kohm begleiten. Sie wird selbst auf der Bühne stehen.

„Nur weil es bei mir jetzt gerade funktioniert und ich mich nicht festlegen will, wäre es gefährlich, meinen Weg anderen zu empfehlen.“ Ihre Professorin sagt: „Der Weg ist nicht riskant für den, der es kann.“ Andersherum: „Dann ist es toll, wenn man ihn geht.“ Er mache sie vor allem finanziell unabhängiger. Seit zwei Jahren kann Reisinger von ihrer Kunst leben, muss nicht mehr in der Galerie jobben oder in Cafés bedienen. So scheint es auch mit ihrem großen Anliegen, mit dem Hauptthema Emanzipation der Frau zu sein: Sie geht ihren Weg. Um verändern zu können, hat sie keine Scheu, die Mechanismen des Mainstreams zu nutzen anstatt seine Falschheit wie eine Donna Quijote des 21. Jahrhunderts zu bekämpfen. Darin ähnelt sie zwei herausragenden Künstlerinnen der zeitgenössischen Popkultur: Billie Eilish und Taylor Swift.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Christoph Oellers
Bilder: Thomas Gothier, Caro Daube, Christoph Oellers

Redaktion und digitales Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Risiken tragen,
um künstle­rische
Freiheit zu
ermöglichen

„Ich
mach’
was
draus”

Im Januar gab es den Preis des Ministerpräsidenten für Schauspielerin und Produzentin Veronica Ferres. Ihre Firma Construction Film hat sie jüngst um zwei Personen vergrößert. Ein Gespräch über die Ausrichtung und Pläne des Unternehmens, das vor elf Jahren in München gegründet wurde.
Interview: Dominik Petzold
9 Minuten Lesezeit

Veronica Ferres hat ihre Firma Construction Film erweitert: Der neue CPO Tobias Rosen und Produzentin Julia Rappold arbeiteten zuletzt bei Sky Studios, bevor das Unternehmen fiktionale Eigenproduktionen einstellte. Im Interview ist auch der Produzent und kaufmännische Leiter Ralf Berchtold dabei, der seit über zehn Jahren für Construction Film arbeitet. Doch bevor die vier über die Ziele des Unternehmens sprechen, ist eine Gratulation geboten.

 

Frau Ferres, herzlichen Glückwunsch zum Preis des Ministerpräsidenten beim Bayerischen Filmpreis. Die Auszeichnung hat Sie spürbar bewegt. Wieso?

VERONICA FERRES  Ich stand bei der Verleihung im Prinzregententheater vor vielen Wegbegleitern, und vorher hatte ich eine „Privataudienz“ beim Ministerpräsidenten, der mir sagte, dass mich die Jury einstimmig vorgeschlagen hat. Das berührt einen einfach. Dieser Preis unterscheidet sich von den vielen wunderbaren Preisen, die ich für die Arbeit an einzelnen Filmen bekommen habe, denn er hatte mit meinem ganzen Werdegang zu tun. Frauen bekommen nur schwer eine Chance, wenn sie nicht in ein bestimmtes Raster passen. Ich habe nie in eine bestimmte Schublade gepasst und oft darunter gelitten. Aber vielleicht ist das genau der Grund, warum ich diese wunderbare Energie habe, besondere Geschichten zu erzählen.

 

War der Preis für Sie Anlass, Zwischenbilanz zu ziehen?

VERONICA FERRES  Ja, und zugleich ein Ansporn. Deshalb habe ich auf der Bühne zum Ministerpräsidenten gesagt: Es war die richtige Entscheidung, mir den Preis zu geben – ich mache etwas draus. Das ist gerade ein Höhepunkt in meinem Leben, ich fühle mich an meinem Platz sehr gut. Persönliches Glück hängt ja immer von der Antwort auf die Frage ab: Bist Du – auch beruflich – gern mit den Menschen zusammen, die Dich umgeben? Und das bin ich.

 

Gerade sind zwei neue Leute dazu gekommen. Wieso haben Sie Construction Film vergrößert?

VERONICA FERRES  Ich habe zehn Jahre gebraucht, um die Firma aufzubauen, mit wirklich ungewöhnlichen Projekten.

Unser USP sind die internationalen Koproduktionen und das Netzwerk, das ich seit der Oscar-Nominierung von Schtonk in Amerika aufgebaut habe.

Wir haben sehr klein angefangen und sind langsam, aber organisch gewachsen. Seit einiger Zeit stehe ich wieder mehr vor der Kamera, deshalb wollte ich die Firma so aufstellen, dass ich mich rausziehen und dabei wissen kann, dass das Schiff weiter Fahrt in die richtige Richtung aufnimmt. Tobias Rosen finde ich außergewöhnlich, visionär, stark und leidenschaftlich, und als es die Gelegenheit gab, habe ich mich sofort in die Idee verliebt, mit ihm zu arbeiten. So jemanden zu finden, ist ein großes Geschenk. Letztes Jahr habe ich in Montana neben Pierce Brosnan und Samuel L. Jackson eine Hauptrolle in Unholy Trinity gedreht – und trotzdem lief es in der Firma dank Tobias, meinem langjährigen Mitarbeiter Ralf Berchtold und dem gesamten Team großartig. Julia Rappold ist nun seit Januar bei uns und man spürt ihre tolle Energie jeden Tag im Büro. Es ist wunderbar, dem Team vertrauen und jederzeit sagen zu können: Ich bin dann mal weg.

TOBIAS ROSEN  Und ich muss dazu sagen: Es ist toll, in einer schwierigen Zeit für die Filmbranche den Mut zu haben, nochmal zwei Leute dazu zu holen.

VERONICA FERRES  Man muss antizyklisch denken, dann ist man immer vorn. Wir sind jetzt ein Team, das die gleichen Visionen, Ziele und moralischen Vorstellungen hat. Ich muss nicht mehr jeden Tag von halb neun bis abends zehn Uhr im Produktionsbüro persönlich anwesend sein. Mit Tobias Rosen, Julia Rappold, Ralf Berchtold, Alena Jelinek und Laura Roll sind hervorragende Produzent*innen in der Firma. Ich kann dank meiner Top-Agentin auf höchstem Niveau tolle Filme drehen, und das möchte ich gerne wahrnehmen.

Wieso drehen Sie jetzt als Schauspielerin wieder mehr in Deutschland?

VERONICA FERRES  Als ich die Firma vor zehn Jahren gegründet habe, waren einige Produzentinnen und Produzenten verwirrt und dachten: Jetzt kann man die nicht mehr besetzen, sonst mischt die sich in alles ein. In Amerika ist das anders, da haben fast alle Schauspielerinnen und Schauspieler Firmen. Erst in den letzten zwei, drei Jahren haben es die Produzentinnen und Produzenten akzeptiert und festgestellt: Die kann man ja wieder engagieren! Seitdem drehe ich auch wieder vermehrt in Deutschland.

 

Herr Rosen, Frau Rappold, was hat Sie an Construction Film angesprochen?

TOBIAS ROSEN  Ich finde die internationale Aufstellung toll. Da hat die Firma in den letzten Jahren ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt, sie denkt größer, internationaler und ohne Schranken. Wir wollen diesen USP bewahren und zugleich in Deutschland fragen: Was können wir den Streamern und dem TV-Markt anbieten, obwohl die Situation schwieriger ist als noch vor zwei Jahren? Auch im Dokumentarfilm-Bereich übrigens, mit relevanten Themen. Mit Blick auf den USP und die Ziele auf dem deutschen Markt war ich Veronica dankbar, dass sie bereit war, zu investieren und Julia dazuzuholen. Durch unsere Zusammenarbeit bei einem Development bei Sky kannte ich zudem schon das tolle Team der Construction Film und wusste: Auch menschlich passt es wunderbar.

JULIA RAPPOLD  Man hat einfach das Gefühl: Wir teilen die gleichen Werte. Wir arbeiten sowohl im Team als auch mit unseren Kreativen mit Wertschätzung und auf Augenhöhe füreinander. Das war mir sehr wichtig. Ideen werden in die Runde geworfen und die beste zählt. Unser Portfolio gemeinsam national ausbauen zu dürfen – sowohl im TV, Streaming- und Kino-Bereich – finde ich superspannend. Und beim internationalen Arbeiten werde ich sicherlich eine Menge lernen dürfen. Toll ist, dass sich auch unsere jeweiligen Netzwerke im Team so gut ergänzen.

VERONICA FERRES  Man spürt da einfach die Synergien, gerade auch mit unserer Produzentin Alena Jelinek, die in unserem Berliner Büro nochmal ein anderes Netzwerk hat als wir. Zudem hat sie hat eine tolle Serien-Expertise. Laura Roll hat als junge Produzentin und Absolventin der HFF München oft eine jüngere Sichtweise auf die Stoffe, was wunderbar ist.

RALF BERCHTOLD  Und wenn wir von Netzwerken sprechen, gehören nicht nur die Kreativen dazu, die die Quellen unserer Arbeit sind, sondern auch Produktionspartner, Förderer, Sender, Verleiher, Weltvertriebe, Serviceproduktionen und Servicepartner; national wie international. Auch da pflegen wir unsere Netzwerke, auch da ist uns Wertschätzung wichtig. Denn die Frage ist ja nach jedem Projekt für beide Seiten: Wollen wir nochmal mit den anderen zusammenarbeiten?

 

Kommen bei Projekten manchmal die falschen Personen zusammen?

TOBIAS ROSEN  So sehr man sich bemüht, mir ist das schon ein-, zweimal passiert. Das Entscheidende ist, wie man dann miteinander umgeht. Auch deshalb habe ich mich dafür entschieden, in diese Firma zu gehen. Selbst wenn man die Falschen zusammenbringt, kommt es darauf an, auf welche Werte man zurückgreift und wie man mit Partnern umgeht. Wenn man sich auf diese Basis verlassen kann, findet man bei Konflikten eine Lösung. In unserer Branche herrscht oft viel Druck, wir stellen sehr teure Produkte her. Das Ganze mit großem Respekt anzugehen, ist essenziell.

 

Welche Themen sind Ihnen inhaltlich wichtig?

VERONICA FERRES  Female Empowerment – und das gehen wir ohne Schranken im Kopf an.

Bei The Unvorgivable stand schon ein großer Hollywood-Regisseur fest, aber ich habe gesagt: Nein, das muss Nora Fingscheidt machen! Der Film ist die Königin, und der haben wir alle zu dienen. Und wenn man der Überzeugung ist, dass diese junge Regisseurin die richtige ist, auch wenn es um eine riesige Hollywood-Produktion geht, dann muss man das durchkämpfen, egal wie schwierig das erstmal sein kann. Female Empowerment können wir nur im Schulterschluss mit tollen Männern erreichen. MeToo hat nur geändert, dass einem zugehört wird, wenn man sich zu Machtmissbrauch äußert – aber der Machtmissbrauch findet noch statt. Das ist ein Thema, das uns aufwühlt.

Welche Projekte stehen in nächster Zeit an?

RALF BERCHTOLD  Zum einen die internationale Koproduktion Morning mit Benedict Cumberbatch und Laura Dern in den Hauptrollen, die wir mit Sunny March und der Augenschein Filmproduktion produzieren und der FFF Bayern aus dem internationalen Topf gefördert hat. Und zum anderen Alte Sorten, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ewald Arenz. Regie wird Michaela Kezele führen. Das Drehbuch schreibt sie zusammen mit Jane Ainscough, die viel Erfahrung mit der Adaption von Romanen hat. Marc Gabizon und sein Team von Wild Bunch sind bei diesem Projekt als Verleih und Koproduzent mit an Bord.

JULIA RAPPOLD  Im Mittelpunkt stehen hier zwei starke Frauenfiguren. Female Empowerment sagt sich ja immer so leicht, aber wir nehmen die Frauenfiguren wirklich ernst und erzählen sie in ihrer Besonderheit, ihrer Verletztlichkeit. Der Film wirkt auf den ersten Blick klein, aber er kann groß werden, denn er behandelt universelle Themen wie Identität, Familie, Verlust und die Suche nach dem persönlichen Platz in dieser Welt. Alte Sorten ist eine sehr poetische und wunderbare Heilungsgeschichte, die großes Kino ist. Ich kannte das Buch schon und war begeistert, dass die Veronica sich hier vor Jahren die Rechte gesichert hatte. Außerdem realisieren wir mit Pauline Roenneberg und Felix Bärwald den Debütfilm Kalter Hund als deutsch-österreichische Koproduktion mit Milk Pictures und Horse&Fruits. Wir wollen Pauline Roenneberg als Talent fördern und auch langfristig immer wieder mit neuen und talentierten Kreativen zusammenarbeiten – darin sind wir uns alle einig.

RALF BERCHTOLD  Das Construction Film Team ist jetzt wirklich sehr gut besetzt, weil wir mit unserem Team von Produzent*innen ein großes nationales sowie internationales Netzwerk abdecken und eine Expertise aus unterschiedlichen Bereichen vorweisen können. Außerdem haben wir mit Fabian Post einen hervorragenden Herstellungsleiter, der in der Herstellungabteilung von Bernadette Wörner unterstützt wird. Wir sehen uns daher für die Zukunft gut gewappnet.

 

Inwiefern ist München der perfekte Standort für Ihre Firma?

VERONICA FERRES  Wegen der Mentalität der Menschen. Ich bin seit 41 Jahren hier …

RALF BERCHTOLD  … obwohl sie aus Solingen kommt, ist sie inzwischen bayerischer als wir Bayern …

VERONICA FERRES  … und wir sind hier von der Mentalität ein bisschen anders, ein bisschen südländischer. Außerdem bietet der Standort der Firma großartige Möglichkeiten, auch durch den internationalen Topf des FFF. Wir alle lieben die Filmstandorte Köln, Hamburg und Berlin – aber München ist der ideale Ort für uns.

Copyright Construction Film

Das Produktionsteam: Veronica Ferres mit Julia Rappold, Ralf Berchtold, Alena Jelinek, Tobias Rosen und Laura Roll.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Interview: Dominik Petzold
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Bon
Cinéma

Kater
und
Krokodil
kommen

Sie waren zwei Mal hintereinander die Produzentinnen des erfolgreichsten deutschen Kinofilms des jeweiligen Jahres: Alexandra und Meike Kordes. Gerade realisieren sie den FFF-geförderten Family-Entertainment-Film Die Schule der magischen Tiere 3. Ein Zwischenbericht.
von Josef Grübl
8 Minuten Lesezeit
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Für die einen ist es nur Spielzeug: „Was macht dieses alberne Stofftier auf der Bühne“, fragt der von Justus von Dohnányi gespielte Schuldirektor. Für die anderen ist dieser tatsächlich etwas seltsam aussehende Stoffgeselle sehr viel mehr: Freund, Verbündeter, Spaßmacher, Goldkettenträger und Chaos-Stifter. „Ich bin der König vom Südpol“, behauptet Pinguin Juri von sich selbst. Sehen können diesen recht lebendigen und mitteilungsbedürftigen Südpolkönig allerdings nur die Kinder (sowie das Kinopublikum), für Erwachsene wie den Schuldirektor blieb er ein albernes Stofftier. Die Schule der magischen Tiere 2 basiert auf der gleichnamigen Buchreihe von Margit Auer, der Film lockte im Herbst 2022 mehr als 2,8 Millionen magische Tierfreundinnen und -freunde in die Kinos. Damit war er die mit Abstand erfolgreichste deutsche Kinoproduktion des Jahres.

Juri ist aber weder das erste, noch das einzige tierische Wesen mit magischen Kräften: 

Jedes Kind soll ein Tier bekommen, verspricht die von Nadja Uhl gespielte neue Lehrerin der Wintersteinschule, ein eigenwilliger Zoohändler (Milan Peschel) überreicht sie ihnen. Im ersten Film waren das der Fuchs Rabbat und eine Schildkröte namens Henrietta, in Teil 2 kamen das Chamäleon Caspar sowie der eingangs genannte Pinguin Juri hinzu. „Ich habe noch jede Menge weiterer Tiere im Kopf“, sagte Margit Auer im Herbst 2021 bei der Weltpremiere von Teil 1 in der Astor Film Lounge München. Neben ihr über den roten Teppich schritten auch zwei Schwestern, die dafür sorgten, dass es diese Tiere auf die große Leinwand schafften: Alexandra und Meike Kordes sind die Produzentinnen der derzeit erfolgreichsten Kinofilm-Reihe Deutschlands, mit ihrer in Berlin ansässigen Produktionsfirma Kordes & Kordes Film GmbH und ihrer Dependance Kordes & Kordes Film Süd in München arbeiten sie an weiteren magischen Tierabenteuern.

Die Schule der magischen Tiere 3 soll am 26. September 2024 in die Kinos kommen. Es ist einer der ganz großen Titel des Filmjahrs, nicht nur für die Produzentinnen, sondern auch für den Verleih und Koproduktionspartner Leonine Studios, die Kinobetreiber und das Publikum. Die Kernleserschaft der Bücher sei zwischen 6 und 10 Jahren alt, die Filme würden aber auch ein älteres Publikum ansprechen, sagt Alexandra Kordes. Das liege unter anderem an den vor der Kamera stehenden Kindern, die ja von Film zu Film ebenfalls älter werden. So sei etwa bereits Teil 2 etwas jugendlicher angelegt gewesen, erzählt die Produzentin, das würde sich in den kommenden Filmen fortsetzen.

Diese Filme sind bereits im Entstehen: „Wir drehen Teil 4 von Die Schule der magischen Tiere noch dieses Jahr“, sagt Meike Kordes, „Teil 3 haben wir im Oktober 2023 abgedreht, seit wenigen Wochen sind wir mit dem Schnitt fertig.“

Das sei aber erst ein Zwischenschritt, sagt die Produzentin, eigentlich würden sie ja zwei Filme auf einmal herstellen: den Realteil und den animierten Teil mit den magischen Tieren. Jetzt seien die Animationskünstler dran, die Fuchs, Schildkröte & Co. in den Film einbauen. Neben dem Animation Character Design gibt es einen hohen VFX-Anteil, bis zum Kinostart im Herbst ist also noch einiges zu tun.

Langen Atem hatten Alexandra und Meike Kordes aber schon immer, das gehört zu ihrem Beruf. Ihre Firma gründeten sie im Jahr 2003, erfolgreich waren sie schon lange vor den Magischen Tieren. Sie sind sehr vielseitig, produzierten Kinodramen (wie Poll) und Fernsehkomödien (Familie Lotzmann auf den Barrikaden), Kurzfilme oder Dokumentarfilme (Rosakinder). Ihren Durchbruch erlebten sie vor fast 18 Jahren mit dem intensiven Musikdrama Vier Minuten. Der Film über eine wegen Mord zu lebenslanger Haft verurteilte junge Frau (Hannah Herzsprung), die im Gefängnis auf eine betagte Musiklehrerin (Monica Bleibtreu) trifft und von ihr zu einer Klaviervirtuosin aufgebaut wird, feierte im Herbst 2006 seine Deutschlandpremiere bei den Hofer Filmtagen. Danach zog der Film von Regisseur und Drehbuchautor Chris Kraus um die Welt, lief auf hunderten Festivals und gewann zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem zwei Deutsche Filmpreise und vier Bayerische Filmpreise. Auch im Kino hatte die Kordes-und-Kordes-Produktion Erfolg: Allein in Deutschland kauften sich eine halbe Million Menschen ein Ticket.

Zu ihren ersten Family-Entertainment-Film kamen die beiden Schwestern zufällig. 

Und dieser Zufall begann in einem Kinderabteil der Deutschen Bahn und wurde schon oft erzählt: Dort saß vor etwa zehn Jahren Meike Kordes mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm, dort saß den beiden ein Vater gegenüber, der seiner acht- oder neunjährigen Tochter den ersten Band von Die Schule der magischen Tiere vorlas. „Das hat mir sofort gefallen“, erzählt die Produzentin, „deshalb habe ich versucht, einen Blick auf den Buchrücken zu erhaschen.“ Sie habe direkt ihre Schwester angerufen, diese habe noch am selben Tag beim Verlag wegen der Verfilmungsrechte angefragt. „So fing es an“, erzählt Meike Kordes, auch wenn es noch einige Jahre dauern sollte, bis aus dieser Anfrage ein Film wurde. In dieser Zeit erfreuten sich die Bücher von Margit Auer einer immer größer werdenden Beliebtheit – und die Verfilmungsrechte wurden immer gefragter. „Wir waren aber die Ersten und Einzigen, die danach gefragt hatten“, erinnert sich Meike Kordes an jenen Tag im Kinderabteil der Bahn. „Damals waren erst 20.000 Bände verkauft. Heute sind es neun Millionen.“

Im Februar 2019 förderte der FFF Bayern die Produktion von Die Schule der magischen Tiere mit einer Fördersumme von einer Million Euro. 

„Es war großartig, dass der FFF an uns und das Projekt geglaubt und damit den Erfolg der Reihe mit aus der Traufe gehoben hat“, erinnert sich Alexandra Kordes. Regie führte Gregor Schnitzler, gedreht wurde unter anderem auf einem Schloss in Niederösterreich, in den Bavaria Studios in Geiselgasteig, in den MMC Studios Köln – und im Münchner Rathaus. Der Film wurde produziert von Kordes & Kordes Film Süd, in Koproduktion mit Leonine Studios, Wega Film Wien und Clever Production. Wie sehr der FFF Bayern und die beteiligten Förderer (unter anderem Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg MFG, Medienboard Berlin-Brandenburg oder Filmförderungsanstalt FFA) an dieses Projekt glaubten, zeigt sich auch daran, dass sie Die Schule der magischen Tiere 2 förderten, noch bevor der erste Teil überhaupt in die Kinos gekommen war. Dessen Start wurde pandemiebedingt mehrmals verschoben, im Oktober 2021 war es dann aber so weit: 1,8 Millionen Fans wollten diesen Film in den Kinos sehen. Ein Jahr später kam die von Sven Unterwaldt unter anderem auch in Bamberg inszenierte Fortsetzung in die Kinos – und war noch erfolgreicher.

Aber noch einmal zurück zu den magischen Tieren: Deren Animation ist recht aufwändig und ihre Stimmen sind sehr prominent.

Bereits öfter im Einsatz waren Max von der Groeben (Fuchs), Katharina Thalbach (Schildkröte), Axel Stein (Pinguin), Rick Kavanian (Chamäleon), sowie Sophie Rois, die der zum Zoohändler gehörenden Elster ihre unnachahmliche Stimme leiht. 

„In Teil 3 kommt der Kater Karajan neu hinzu, gesprochen wird er von Ralf Schmitz“, verrät Meike Kordes. „Das zweite neue Tier ist das Krokodil Rick. Es ist kitzlig und vegan, gesprochen wird es von Felix Kramer.“ Das ist auch insofern eine Überraschung, da die Filme mitunter recht deutlich von den Büchern abweichen. Margit Auer hat bislang 14 Romane veröffentlicht, hinzu kommen zwei Nebenreihen (u.a. Die Schule der magischen Tiere – Endlich Ferien). Alexandra Kordes sagt dazu: „Die Buchreihe folgt einer dramaturgischen Struktur, die man filmisch nicht einfach adaptieren kann.“ In den Büchern seien die Geschichten eher episodenhaft erzählt, im Kino müsse man da anders herangehen. „Bei unserem ersten Gespräch mit Margit Auer haben wir das ganz offen mit ihr besprochen“, sagt die Produzentin. „Das hat Margit nachvollziehen können, sie hat uns ihr Vertrauen geschenkt.“

Alexandra Kordes und Meike Kordes führen seit mehr als zwei Jahrzehnten ihre Firma, sie ergänzen und unterstützen sich.

Während die vier Jahre ältere Alexandra „aus der kreativen Ecke“ komme, selbst inszeniert und in Babelsberg Kamera studiert hat, kümmert sich die 1973 geborene Meike um den unternehmerischen Part. „Ich habe in Babelsberg Produktion studiert und schon im Studium Filme produziert“, sagt sie. Die Schule der magischen Tiere 4 soll im Oktober 2025 in die Kinos kommen, über weitere Pläne wollen die beiden Schwestern noch nicht reden. Alexandra Kordes sagt aber: „Es mangelt uns nicht an Ideen, wir haben noch einiges vor mit dieser Marke.“ Jetzt gehe es erst einmal um die Fertigstellung und Herausbringung des dritten und vierten Films. „Danach schauen wir, was kommt“, sagt sie. „Es gibt auch noch andere Formate, an die wir denken.“

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Josef Grübl
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Sie ist ein
Multitalent

Von München
nach Hollywood
und zurück

In Philipp Kreuzers Laufbahn als Produzent gab es viele internationale Stationen. Aktuell bewegt er sich mit der Maze Pictures und dem Joint-Venture Supernix auf einer nicht nur in Sachen Glamour vielversprechenden Hauptachse: München – Penzing - Hollywood
von Christina Raftery
7 Minuten Lesezeit
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Es ist nicht das erste Mal, das „Hollywood“ nach Bayern kommt, diesmal jedoch in einer neuen Dimension. „Nicole Kidman dreht in Bayern“, titelte die Süddeutsche Zeitung im Januar fast lapidar. Tatsächlich ist mittlerweile bestätigt, dass die zweite Staffel der US-Streamingserie Nine Perfect Strangers mit Nicole Kidman unter anderem auf einem ehemaligen Fliegerhorst in Penzing bei Landsberg am Lech gedreht wird. Der FFF Bayern unterstützt das Projekt mit 1 Million Euro im Förderprogramm „Internationale Filme und Serien“, ein Vielfaches davon wird in Bayern ausgegeben und ungefähr 300 Arbeitsplätze entstehen rund um das Vorhaben. Magnet sind die großen Studioflächen, die Nähe zu den Alpen und die international bereits geschätzte „Hyperbowl“, ein ultramodernes Virtuelles LED-Studio zur Kreation animierter Welten für Filmszenen aller Art. Auch Sylvester Stallone soll in den Startlöchern stehen und dort im Sommer Teile der Fortsetzung von Cliffhanger (1993) drehen.

Die Ausrichtung zwischen internationaler Vernetzung und lokaler Verankerung manifestiert sich im Team hinter dem Nine Perfect Strangers-Projekt. Federführender Partner in Europa ist die „Supernix“, das seit der FFF-geförderten Actionkomödie Guns Akimbo mit Daniel Radcliffe (2018) bestehende Joint Venture zwischen der Maze Pictures und der Occupant Entertainment von Joe Neurauter, zugleich Geschäftsführer der Penzing Studios.

In der Küche seines charmanten Hinterhof-Büros in einer angenehm bodenständigen Gegend am Münchner Goetheplatz führt Kreuzer stolz einen Retro-Spielautomaten vor, ein Requisit aus Siberia (2020) von Abel Ferrara. Das Tundra-Drama mit William Dafoe lief im Wettbewerb der Berlinale und steht für eine Entwicklung, die die Maze Pictures seit ihrer Gründung 2015 angesteuert hat.

Startschuss für die internationale Ausrichtung war The Happy Prince (2018) mit Rupert Everett, Colin Firth und Emily Watson: „Bis heute unsere erste Visitenkarte“, so Kreuzer. „Dieser Film war der erste Gamechanger. Er wurde maßgeblich in Bayern gedreht und hat gezeigt, dass man aus Deutschland heraus eigene, große, starbesetzte und hoch budgetierte Kinofilme entwickeln und produzieren kann.“

Rupert Everetts Regiedebüt über Oscar Wildes letzte Lebensjahre im Exil, das in Sundance und Berlin Premiere feierte und für den Kreuzer und Co-CEO Jörg Schulze den Bayerischen Filmpreis erhielten, vereint inhaltliche Ambition, Star-Power und produzentisches Geschick.

In diesem Sinne als „Katalysator“ zu wirken, ist Kreuzers Anspruch, auch sein Werdegang belegt dies. Nach dem Jurastudium in München mit Stationen in Paris und Filmschule in Spanien war der in fünf Sprachen versierte Kreuzer in internationalen Medienkanzleien sowie bei Eurimages in Straßburg tätig, anschließend zehn Jahre in verschiedenen Positionen bei Bavaria Film, dort führte er die Tochtergesellschaft in Rom und den TV-Weltvertrieb und produzierte die ersten Filme.

Der wachsenden Expertise in großen Strukturen folgte mit der unabhängigen Maze Pictures der Entschluss zum kleinen, beweglichen Rahmen – allerdings breit aufgestellt mit engem Netzwerk und festen Partnerschaften. In der Tat kommt der labyrinthische Firmenname nicht von ungefähr: So sitzen Maze und Supernix in München, Berlin und Innsbruck. Eine Beteiligung gibt es darüber hinaus an der Red Balloon Film in Hamburg, während die Maze Pictures Swiss in Luzern digitale Strategien und Content für kulturelle Einrichtungen wie das Metropolitan Museum of Art in New York, das Kunstmuseum Basel oder das Frankfurter Städel produziert. „Auch hier greift unsere Kernkompetenz, mit Filmtalenten Narrative zu entwickeln“, erklärt Kreuzer den „kleinen, feinen“ Bereich der „Digital“.

Aus einer kleinen Struktur heraus grenzüberschreitend erzählen: dem „Türöffner“ mit The Happy Prince folgten nach Siberia, der Thriller Zero and Ones (2021) mit Ethan Hawke, für den Abel Ferrara den Regiepreis in Locarno gewann und die Supernix Produktionen wie

der FFF-geförderte Martial-Arts-Film Kung Fury 2 (2019) mit Michael Fassbender und Arnold Schwarzenegger,

das Re-Imagening der Cult-Comic Verfilmung The Crow (2022) und die Videospiel-Adaptation Return to Silent Hill (2023). 

Auf der diesjährigen Berlinale feiert Abel Ferraras dokumentarischer Essay Turn in the wound mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Patti Smith Premiere. In Postproduktion befindet sich die deutsch-kanadische Koproduktion Rumours (Regie: Guy Maddin) mit unter anderem Cate Blanchett, Charles Dance und Alicia Vikander. 

„Brücken zwischen klassischem Film, TV und digitalen Narrative auf verschiedenen Plattformen etablieren“ –  Philipp Kreuzers Vision ist zukunftsweisend. Neben den visuell innovativen Formaten, die mit Hilfe modernster Technik wie in den Penzing Studios entstehen oder die Kunst in Museen neu erzählen, setzt Kreuzer mit dem Team der Maze Pictures auch auf klassisches Fernsehen.

Internationales Profil gaben diesem Sektor beispielsweise vier Staffeln der mit Hilfe des FFF Bayern angeschobenen Thriller-Procedual Die purpurnen Flüsse (2018-2022), eine Koproduktion mit dem ZDF und France 2,

der BR-Polizeiruf 110: Die Lüge, die wir Zukunft nennen von Dominik Graf (2019; Drehbuch: Günter Schütter), die Emmy-nominierte Kinderserie Die Erben der Nacht (NDR, NRK, NPO, 2019) oder der unter anderem auf Netflix gezeigten Serie Sunshine Eyes (2022). Gemeinsam mit Dominik Graf und Günter Schütter entwickelt Maze mit FFF-Unterstützung aktuell Die Eiche über das legendäre Münchner Gaststättenhotel Deutsche Eiche. Aktuell wird mit Red Balloon Film die Verfilmung von Tanya Stewners Besteller-Reihe Alea Acquarius vorbereitet, ebenfalls als internationale Koproduktion.

Sein Faible für starke Themen konnte Philipp Kreuzer bei einem weiteren lokalen TV-Format verwirklichen. So ist ihm die FFF-geförderte BR/ORF-Serie Himmel Herrgott Sakrament von Franz Xaver Bogner nach der gleichnamigen Buchvorlage des Münchner Pfarrers Rainer M. Schießler ein großes inneres Anliegen: „Ich arbeite in München, habe lange in der Nähe der Kirche St. Maximilian gewohnt, Schießlers Geschichte hat mich sehr bewegt, sie war Inspiration für die Serienidee und ihre Hauptfigur. Und ich wollte immer eine Serie in meiner Heimatstadt machen.“ Ungeachtet der Kontroversen rund um die katholische Kirche gebe es „einen Grund, warum sich Religion so lange hält“: „Schießler will die Menschen mitnehmen und bietet dafür ein spannendes Narrativ – und seine Kirche ist voll.“ Und so geht es in der Serie nicht nur um einen Geistlichen zwischen sozialem Einsatz und Einsamkeit und das menschliche Bedürfnis nach Spiritualität, sondern auch die kreative Freude eines Produzenten, sich einem Thema aus einem liebgewonnenen Stadtteil („Ein Viertel in München ist eben anders als ein Kiez in Berlin“) zu widmen.

Knapp 30% Marktanteil im Bayerischen Fernsehen und Millionen Hits in der ARD-Mediathek – das ist nur vordergründig ein Kontrast zum „global scale“ der anderen Produktionen. Auch hier kamen erneut modernste Technik-Tools und die „Virtual Stage“ zum Einsatz: „Unser Horizont endet auch hier nicht an der Wand.“ Auch bei der wichtigen Infrastruktur in Penzing handele es sich nicht um „Prestige-Studioprojekte“, sondern den Ausbau der Infrastruktur an einem Standort, „an dem wir gerne arbeiten und uns auch politisch unterstützt fühlen“, so Kreuzer, der sich auch als Aufsichtsratsvorsitzender von German Films und im Produzentenverband engagiert.

„Früher wollte ich Diplomat werden“. Das kann der begeisterte Networker Philipp Kreuzer aktuell mehr denn je ausleben. Die „harte“ Akquise der Studioproduktion Nine Perfect Strangers, für die sich auch andere europäische Länder interessierten, ist der nächste Gamechanger, um Supernix und Maze Pictures zu einem Aushängeschild für erfolgreiche internationale Koproduktionen aus und in Bayern zu machen. Die Koordination von komplexen Produktionen mit internationalem Cast meistert Philipp Kreuzer mit seinen Partnern ebenso souverän wie jüngst die Mitorganisation der Matinee zu Franz-Xaver Bogners 75. Geburtstag im Kino Ottobrunn. „Dort habe ich mich als 12-jähriger mit meinen Freunden in Filme ab 16 reingeschmuggelt“, erzählt der aus Waldperlach stammende Kreuzer von seinen cineastischen Wurzeln. 2024 feierte er mit Gästen wie Ottfried Fischer, Christian Ude und Dieter Reiter ein filmisches Urgestein. Und fasst seine eigene Motivation zum Filmemachen prägnant zusammen: „Menschen wollen sich immer Geschichten erzählen lassen – und im Teamwork Geschichten erzählen.“ Mit dieser Einstellung wird er in den kommenden Monaten sicher auch Penzings Bürgermeister Peter Hammer unterstützen können. Der sagte der Süddeutschen Zeitung nämlich: „An die Rolle eines bayerischen Hollywoods werden wir uns noch etwas gewöhnen müssen.“

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Christina Raftery
Fotos: Berlinale, Port au Prince Pictures, Concorde Filmverleih, Tobis, Disney, Edel: Motion, BR/maze pictures GmbH / Hendrik Heiden, BR/ORF/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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„Ich mach’
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