Es
passiert
was

Um inklusivere Strukturen in der deutschen Filmindustrie zu diskutieren, veranstaltete das Filmfest München mit der Evangelischen Akademie Tutzing vom 28. bis 30. November 2023 die FFF-geförderte Tagung „Teilhabe im Film (Vol.2)“. Dabei ging es auch um die Frage, was sich seit der ersten Tagung im März 2022 an Teilhabe entwickelt hat.
von Wenke Bruchmüller
5 Minuten Lesezeit
Copyright: Bojan Ritan / FILMFEST MÜNCHEN

Ein zweites Mal diskutierten und vernetzten sich Branchenvertreter und Filmschaffende in Tutzing am Starnberger See in Vorträgen, Workshops, Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen über die Zukunft der Filmbranche in Sachen Teilhabe. Auch interessierte Laien konnten sich für die Tagung anmelden. Der Hintergrund: Immer noch sind Minoritäten, queere Personen und auch Frauen vor und hinter der Kamera nicht adäquat repräsentiert. Ob in der Narration, indem zum Beispiel Migrant*innen stereotype eindimensionale Rollen verkörpern. Oder durch die vorhandenen Strukturen, wie durch die Besetzung von Entscheider*innen, die nach Ansicht vieler Teilnehmer*innen der Tagung ebenfalls noch nicht das Abbild der gegenwärtigen Gesellschaft spiegelt. Die daraus abgeleitete Folge: Auf der großen Leinwand oder auf dem Endgerät zuhause würden wir die immergleichen Geschichten sehen. Stimmen von etwa BIPoC oder queeren Filmemacher*innen seien zu wenig repräsentiert oder würden gar diskriminierend dargestellt.

In Tutzing ging es immer wieder um zwei Probleme: Dass es erstens nicht sein kann, dass eine essentielle Antidiskriminierungsarbeit oft nur ehrenamtlich stattfindet. Und zweitens, dass es für mehr Teilhabe im Film mehr als nur Worte auf schillernden Diversitäts-Panels mit großer Reichweite oder kurzfristigen diskriminierungskritischen Workshops braucht. Oft laufen solche Panels Gefahr, eine Art Diversitäts-Washing zu betreiben, wenn zum Beispiel nach einem Antirassismus-Workshop „wichtige Transferleistungen in die Praxis der Filmbranche nicht stattfinden.“ Denn „danach geht die Arbeit, um die Strukturen inklusiver zu gestalten, normalerweise erst richtig los“, so Filmregisseur, Drehbuchautor sowie Initiator der Queer Media Society Kai S. Pieck, der ebenfalls an der Tagung in Tutzing teilnahm.

Nach dem Auftakt mit einer Filmvorführung von Merle Grimmes FFF-gefördertem Debütfilm Clashing Differences ging es am nächsten Tag zunächst darum, was seit dem ersten Treffen bei der Konferenz in Tutzing vor eineinhalb Jahren passiert ist. Fatih Abay, Diversity, Equity & Inclusion Officer der European Film Academy (EFA), die 1989 hauptsächlich von männlich weiß gelesenen Filmschaffenden gegründet wurde, hat seine Stelle im Juni 2022 angetreten – sie wurde im Anschluss an die erste Tutzinger Tagung neu geschaffen.

Copyright: Bojan Ritan / FILMFEST MÜNCHEN

Dass auch die reinen Strukturen der Branche benachteiligend sein können, erkannte die European Film Academy durch den neuen Direktor und Geschäftsführer Matthijs Wouter Knol, der seit 2021 die EFA leitet. Bis vor kurzem war ihr Vorstand überproportional westeuropäischen besetzt; die Interessen von osteuropäischen Filmen oder indigenen Perspektiven waren weniger beziehungsweise gar nicht vertreten. Dieses Ungleichgewicht ändert die EFA gerade: Seit 2024 wird die Zusammensetzung des Vorstands neu strukturiert, indem 15 Regionen festgelegt werden, die dann Vertreter*innen in den Vorstand schicken. Darüber hinaus ist einer der Sitze im Vorstand für eine*n transnationale*n ethnische*n Vertreter*in reserviert. Das erste Mandat für diese Position wird mit einem gewählten Mitglied aus der sámischen Bevölkerung werden. Der Vorstand sei dadurch für die Mitglieder der European Film Academy repräsentativer und die Interessen der zu vertretenden Länder gleichberechtigter.

Copyright: Bojan Ritan / FILMFEST MÜNCHEN

Auch Benita Bailey und Sophya Frohberg legten dar, was das Netzwerk Schwarze Filmschaffende e.V. seit der ersten Teilhabe-Tagung bewirken konnte. „Das ehemalige Netzwerk ist nun als Verein eingetragen,“ so Benita Bailey, die als Schauspielerin und Filmemacherin den Verein mitgründete.

Der Regisseur Duc Ngo Ngoc stellte mit dem von ihm gegründeten Workshop „Dreh’s um“ eine Filmbildungs-Initiative vor, die jungen Deutsch-Vietnames*innen niedrigschwelligen Zugang zur Filmproduktion ermöglicht. Für den Workshop drehen die Teilnehmenden dokumentarische Kurzfilme über Identitätsthemen mit dem Ziel, den „Filmnachwuchs in Deutschland zu fördern, um eine diverse Teilhabe an Filmhochschulen zu ermöglichen und Diversität langfristig in der Branche zu stärken,“ so Ngo Ngoc. 

Copyright: Bojan Ritan / FILMFEST MÜNCHEN

Apropos, Filmuniversität: Netflix & die MaLisa Stiftung schufen die Stelle Diversity & Inclusion Strategy Manager für deutsche Filmhochschulen, die Aida Begović und Lucca Veyhl gemeinsam besetzen. Extern beraten beide deutsches Filmhochschul-Personal, damit die Hochschulen inklusiver werden.

Mit dem vom FFF Bayern mitgestalteten Gesprächsformat „Data Diversity“ ging es in Tutzing auch um die Gefahr von Fehlern in der Datenerhebung in populären Medien, aufgrund von Bias-generierten Daten. Wie im amerikanischen Videospiel Grand Theft Auto, in dem Neben-Spielfiguren stereotyp gestaltet sind. Zudem ging es unter anderem um die von Künstlicher Intelligenz generierten Image Captions, die den Konsument*innen politische Minoritäten oft vorenthalten, indem sie sie nicht als Daten in der Bildbeschreibung aufnehmen

Das vom FFF Bayern initiierte Format „Meet the Funders“ diente am zweiten Abend dazu, die anwesenden Filmschaffenden mit Förderinstitutionen aus ganz Deutschland zusammenzubringen. Alle, sowohl die Vertreter*innen der Förderungen als auch die Filmschaffenden, hatten die Aufgabe, sich mit mindestens drei Personen zu unterhalten und sich spezielle Notizen zur weiteren Vernetzung zu machen, falls eine solche, etwa aufgrund eines konkreten Film- oder Serienprojekts, erwünscht war.

Copyright: Bojan Ritan / FILMFEST MÜNCHEN

Nach zwei Tagen endete die Tagung mit der großen Frage: „Wie geht es weiter?“ Einige Teilnehmer*innen berichteten, sie seien in Sachen Diversity so aktiv in Workshops und auf Panels, dass sie gar nicht zu ihrem eigentlichen Beruf kämen, als Darsteller*innen etwa oder als Autor*innen. Merle Grimme betonte, wie wichtig es sei, „soft-skill-Effekte“, also Sensibilität für Teilhabe in allen Positionen bei der Produktion zu haben anstatt die unrealistische Erwartungshaltung, allein durch ein diverses Team, Diskriminierungen partout ausschließen zu können: „Wir müssen verstehen, dass Diversität in der Besetzung und die Etablierung von antidiskriminierenden und inklusiven Produktionsstrukturen zwei unterschiedliche Dinge sind. Eine diverse Besetzung verändert noch nichts an den bestehenden Strukturen, die Diskriminierung und Ausschluss begünstigen können. Aber sobald die Strukturen kritisch betrachtet und verändert werden, ergibt sich die diverse Besetzung bei Team und Cast von ganz allein.“

Copyright: Bojan Ritan / FILMFEST MÜNCHEN

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Wenke Bruchmüller
Fotos: Internationale Münchner Filmwochen GmbH/ Bojan Ritan
Redaktion und digitales Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Get
funded

Get
Funded

Nach der Deadline ist vor der Deadline: Während nach und nach die Ergebnisse des vergangenen Jahres bekannt werden und sich abzeichnet, dass 2023 eine Rekordsumme aus dem europäischen Förderprogramm Creative Europe an die Film- und Gamesbranche in Bayern ging, stehen bereits neue Einreichtermine vor der Tür. Lesen Sie hier mehr über die Termine und weitere Meldungen des Creative Europe Desk München
6 Minuten Lesezeit

In der aktuellen Runde der Creative Europe MEDIA Förderung stellt die Europäischen Kommission  insgesamt knapp 186 Millionen Euro für die Unterstützung der europäischen audiovisuellen Branche zur Verfügung. Sieben verschiedene Förderaufrufe, die sich an Produktionsfirmen, Verleihunternehmen, Weltvertriebe, Filmfestivals und VOD Anbieter richten, sind noch offen. Zwei weitere Aufrufe warten im sogenannten cross-sektoralen Bereich von Creative Europe auf Projekte aus dem Bereich Medienkompetenz sowie innovative Vorhaben, die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der audiovisuellen Branche beitragen.


Die aktuellen
Förderaufrufe

TV & Online Content

Produktionsförderung für international finanzierte Filmen und Serien können unabhängige europäische Produktionsfirmen beantragen, wenn bereits bindende Finanzierungszusagen von mindestens zwei Sendern oder Streaminganbietern aus verschiedenen MEDIA Ländern vorliegen (als Vorverkauf oder Koproduktion). Mindestens 40% der Finanzierung müssen zudem bestätigt sein und das Projekt insgesamt zu mindestens 50% aus europäischen Quellen finanziert werden. Anträge sind spätestens am ersten Drehtag zu stellen. Creative Europe bezuschusst bis zu 20 Prozent der Gesamtkosten. Die Höchstsumme für Dokumentarfilmprojekte beträgt 300.000 Euro, für Animationsprojekte 500.000 Euro; für fiktionale Projekte gelten gestaffelte Höchstsummen: 500.000 Euro bei Produktionsbudgets unter 10 Millionen Euro, eine Million Euro bei Budgets zwischen 10 und 20 Millionen Euro und zwei Millionen Euro bei Budgets über 20 Millionen Euro

Mit 2 Millionen Euro unterstützte Creative Europe MEDIA die Produktion der Epos-Serie Hagen von Constantin Television.

Constantin Film Verleih

(Creative) Innovation Lab

Unternehmen und Organisationen – auch Start-Ups – mit innovativen, auf Einsatz digitaler Technologien basierenden Lösungen und Projekten für die audiovisuelle Branche und mindesten eine weitere Sparte der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. Musik, Theater, Literatur usw.) sind die Adressaten dieses Aufrufs. Förderfähige Projekte sollen mindestens eines der folgenden Themen berühren: (1) Virtual Worlds als neues Umfeld für die Promotion europäischer Werke, das  Erreichen neuer Publikumsschichten und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kultur- und Kreativindustrien inklusive der audiovisuelle Branche, (2) Innovative Tools für Produktion, Finanzierung, Vertrieb oder Werbung europäischer Werke/Inhalte, die durch neue Technologien (KI, Big Data, Blockchain, virtuelle Welten, NFT usw.) ermöglicht oder verbessert werden, (3) „Greening“ Lösungen zur Verringerung der Umweltbelastung durch die Kultur- und Kreativwirtschaft einschließlich der audiovisuellen Branche, in Übereinstimmung mit dem Green Deal der EU Kommission und deren Initiative „New European Bauhaus“. Creative Europe kann sowohl die Entwicklung neuer Projekte als auch die Fortentwicklung und Verbreitung bestehender Lösungen fördern und übernimmt dabei bis zur 60% der Gesamtkosten.

European Film Distribution

Unabhängige Verleihunternehmen können bei Creative Europe MEDIA Referenzmittel beantragen, um diese in Koproduktion, Lizenzen sowie die Herausbringung von neuen europäischen Filmen im Kino und online zu reinvestieren. Die Referenzsumme wird berechnet auf der Basis von Kinobesucher*innenzahlen für neuere (Copyright ab 2020) nicht-nationale europäische Filme im Jahr 2023.

Mit einer Oscar-Nominierung und dem Europäischen Filmpreis in Kategorie „Bester Animationsfilm“: Die spanisch-französische Koproduktion Robot Dreams kommt ab dem 9.5. mit Unterstützung von Creative Europe MEDIA in die Kinos in Deutschland (Verleih: Plaion Pictures)

Plaion Pictures

Films on the Move

Weltvertriebe und Verleihfirmen können bei Creative Europe MEDIA bis zu 90% der Kosten für ihre europaweiten Herausbringungskampagnen neuer (Copyright ab 2022) europäischer, nicht-nationaler Filme für das Kino und/oder online beantragen. Der antragstellende Weltvertrieb koordiniert dabei eine Gruppe von Verleihunternehmen aus mindestens sieben Ländern, darunter mindestens zwei kleinere Länder, und reicht die Fördergelder an die teilnehmenden Verleihfirmen weiter. Letztere erhalten bis zu 70% der Herausbringungskosten des Films im eigenen Land – deutsche Verleihfirmen bis zu 150.000 Euro pro Film. Der Weltvertrieb kann ebenfalls Kosten geltend machen.

European Film Sales

Europäische Weltvertriebe können in Brüssel Referenzmittel beantragen, die in Koproduktionen, Erwerb von Vertriebsrechten und Marketingmaßnahmen neuer europäischer Filme investiert werden können. Als Berechnungsgrundlage werden u.a. die von Verleihfirmen an MEDIA im Rahmen der Förderlinie „European Film Distribution“ gemeldete Kinobesucher*innenzahlen aus dem Jahr 2023 einbezogen.

European Festival Networks

Durch die Förderung von Aktivitäten von Festival-Netzwerken soll eine intensive Zusammenarbeit von Festivals und größere Verbreitung europäischer Filme erreicht werden. Ziel ist außerdem der Austausch von Best Practices und Wissen innerhalb des Netzwerks. Netzwerke müssen aus mindestens vier Festivals – einem Koordinator und drei Mitgliedsfestivals – bestehen, welche die MEDIA Zugangsvoraussetzungen erfüllen (u.a. Programmierung von mindestens 50% Filme aus mindestens 15 MEDIA Ländern). Zusätzlich können Festivals, welche die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, am Netzwerk teilnehmen, erhalten jedoch keine MEDIA Gelder. Creative Europe MEDIA bezuschusst die Netzwerke mit bis zu 90% der förderfähigen Kosten; pro Mitgliedsfestival beträgt die Höchstfördersumme 100.000 Euro.

Die italienisch-französische Romanadaption Der Kolibri – Chronik einer Liebe mit einem großartigen Schauspielensemble startet die MFA+ mit Verleihunterstützung von Creative Europe MEDIA am 16.5. in Deutschland.

MFA+Film Distribution

European VOD Networks & Operators

Mit bis zu 60% der Gesamtkosten unterstützt Creative Europe länderübergreifende Kooperationen von mindestens zwei VOD Plattformen aus verschiedenen MEDIA Ländern sowie VOD Plattformen, deren Angebot in mindestens zwei MEDIA Ländern abrufbar ist. Mindestkriterien bzgl. der europäischen Dimension des Filmkatalogs müssen eingehalten werden: u.a. mindestens 500 audiovisuelle Werke; mindestens 30% der Werke aus MEDIA Ländern; Werke aus mindestens fünf MEDIA Ländern in mindestens fünf verschiedenen Sprachen. Förderfähig sind gemeinsame grenzüberschreitende Aktivitäten mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität von europäischen VOD Plattformen zu stärken sowie Zugang zu, Auffindbarkeit und Sichtbarkeit von europäischen audiovisuellen Werke zu verbessern.

European Carbon Calculator

Einheitlicher CO2-Rechner für die Filmbranche in Europa: Mit 650.000 Euro unterstützt Creative Europe die Entstehung eines Webtools zur Standardisierung der Messung der CO2-Auswirkungen von europäischen audiovisuellen Werken. Das Münchner Unternehmen Seriotec GmbH, das auch hinter dem Produktionssoftware Yamdu steht, führt ein Konsortium an, dem auch die CO2-Messungsspezialisten von KlimAktiv sowie der Experte für „grüne“ Filme, Philip Gassmann angehören.

Zum Start in den Frühling bringt 24 Bilder Film mit Unterstützung von Creative Europe MEDIA den belgischen Abenteuerfilm Die kleine Glocke Bim rettet Ostern in die Kinos (ab 29.2.2024).

24 Bilder Film

MEDIA Einreichtermine

 


Films on the Move
14. März 2024, 18. Juli 2024


European VOD Networks & Operators
9. April 2024


European Festival Networks
11. April 2024


European Film Distribution
25. April 2024


TV & Online Content
14. Mai 2024


European Film Sales
20. Juni 2024


 

Einreichtermin im Bereich Cross-Sector

 


(Creative) Innovation Lab
25. April 2024


Information und Beratung

Creative Europe Desk München
Sonnenstraße 21, 80331 München
Tel.: 089-54460330
E-Mail: info@ced-muenchen.eu
Web: www.creative-europe-desk.de

Alle Neuigkeiten und Informationen zum Creative Europe MEDIA Programm sind hier zu finden: https://creative-europe-desk.de/media

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Termine

Next
Level

Im Dezember hieß es Abschied nehmen von der langjährigen FFF Förderreferentin Michaela Haberlander, die nach mehr als 27 Jahren in den Ruhestand gegangen ist. Ein paar Highlights aus dem Tusch zum Übergang in ihren neuen Lebensabschnitt aus Social Media von der Branche und uns.
Texte: So viele!

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Das Filmfestival
über gesell­schaft­liche
Verände­rungen

Aktuelle
Kino­starts

FFF-geförderter Filme

Chantal im Märchenland

Komödie

Produktion
Constantin Film

Verleih
Constantin Film Verleih

Drehbuch & Regie
Bora Dagtekin

 
 

Kinostart: 28. März 2024

Youtube

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More Information

Sterben

Drama

Produktion
Port au Prince Film & Kultur Produktion
Schwarzweiss Filmproduktion
Senator Film Produktion

Sender
ZDF, Arte

Verleih
Wildbunch Germany

Drehbuch & Regie
Matthias Glasner

 
 

Kinostart: 25. April 2024

Youtube

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More Information

Max und die Wilde 7 – Die Geister-Oma

Kinderfilm

Produktion
Neopol Film Kellner & Zapf
Neue Bioskop Film
Rat Pack Filmproduktion

Sender
HR, SWR

Verleih
Weltkino

Drehbuch
Winfried Oelsner
Lisa-Marie Dickreiter


Regie
Winfried Oelsner

 
 

Kinostart: 1. Mai 2024

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Redaktion: Olga Havenetidis
Gestaltung:
Schmid/Widmaier

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Wenn das
Gefühl die
Wirklichkeit
erreicht

Termine
März bis
August

 

 

 


7.–10. März 2024
Nonfiktionale – Festival des dokumentarischen Films
Bad Aibling


7.–17. März 2024
Internationale Kurzfilmwoche Regensburg
Regensburg


8.–16. März 2024
South by Southwest
Austin, Texas


8.–17. März 2024
Filmfestival Türkei Deutschland
Nürnberg


13.–18. März 2024
Landshuter Kurzfilmfestival
Landshut


14.–17. März 2024
Internationales Kurzfilmfestival Bunter Hund
München


15.–22. März 2024
Séries Mania
Lille


4.–7. April 2024
Internationale Grenzland–Filmtage
Selb


8.–10. April 2024
Mip TV
Cannes


5.–10. April 2024
Canneseries
Cannes


 

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16. April 2024
Film Academy Day
München, Geiselgasteig


15.–18. April 2024
Kino Kongress
Baden–Baden


18. April 2024
Deutscher Computerspielpreis 2024
München


1.–12. Mai 2024
@home: 6.–20. Mai 2023
DOK.fest München
München


2. Mai 2024
FFF Empfang im Rahmen des DOK.fest München
München


3. Mai 2024
Deutscher Filmpreis
Berlin


10./11. Mai 2024
Kurzfilmtage Thalmässing
Thalmässing


14.–25. Mai 2024
Festival de Cannes
Cannes


14.–22. Mai 2024
Marché du Film
Cannes


16. Mai 2024
FFF Press Lunch International
Cannes


19. Mai 2024
FFF Business Lunch
Cannes


27.–29. Mai 2024
Re:Publica
Berlin


6.–9. Juni 2024
Cine Gear Expo L.A.
Hollywood


28. Juni – 6. Juli 2024
Karlovy Vary International Film Festival
Karlovy Vary


25.–27. Juni 2024
Euro Cine Expo
München


27.–30. Juni 2024
Festival der Zukunft
München


28. Juni – 7. Juli 2024
Filmfest München
München


10.–14. Juli 2024
Musikfilmtage Oberaudorf
Oberaudorf


20.–28. August 2024
Fünf Seen Filmfestival
Fünf Seen Land


 

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Förder­meldung

Popkul­turell
relevant

Das Indie Games-Studio Jumpy Bit wurde von Robin Kocaurek und Marcel-André Casasola Merkle neu gegründet. Im Gespräch erzählen die beiden Geschäftsführer, wie sie mit dem kreativen Risiko umgehen, welche Herausforderungen bei der Entwicklung ihres neuen Spiels The Choices we make bestehen und warum ihnen eine Work-Life Balance für ihre Mitarbeiter*innen so wichtig ist.
Interview: Julia Wülker
6 Minuten Lesezeit

Ihr habt Jumpy Bit 2022 neu gegründet. Gerade erst haben die Gründer vom erfolgreichsten bayerischen Games-Studio Mimimi das Aus verkündet. Wie schätzt ihr die aktuelle Lage der bayerischen Games-Entwickler/Studios ein?

Mit Mimimi ist nicht einfach nur ein Studio weniger am Standort. Geschätzte Kollegen, Freunde und ihr Engagement in der Szene werden uns allen fehlen. Das „Modell Mimimi“ wirkte auf dem Papier ideal: Sie haben sich durch hart erarbeitete Expertise in einem Genre bei steigender Produktionsqualität an die Spitze gearbeitet. Das klang nach dem richtigen Weg. Dass das finanziell am Ende nicht ausreicht, ist neben einem Zeichen der Zeit auch eine Warnung an andere Studios. Wir sind deutlich kleiner und können potenziell schneller reagieren, aber die Suche nach Publishern wie auch Endkunden wird immer mehr zur Herausforderung. Auch das Wegbrechen der Bundesförderung trifft die Branche hart: Mit ihr konnten eigene Investitionen vervielfacht werden. Das können die Regionalförderer nur teilweise auffangen.

Ebenfalls von FFF Bayern gefördert: das Spiel Hauma

Was muss ein Studio erfüllen, um am Standort zu bestehen und international mitzuhalten?

Wenn es eine einfache Checkliste dafür gäbe, würden vermutlich mehr Menschen Spiele entwickeln. Eine eigene kreative Handschrift als Teil eines vermarktbaren Produkts ist in einem umkämpften Markt wichtiger, als Trends blind zu folgen. Internationaler Wettbewerb heißt allerdings auch, die Ressourcen wie die Bundes- und Regionalförderungen zu nutzen, um ein gewisses Risiko eingehen zu können. Wir sehen dieses kreative Risiko als die Chance herauszustechen. Der erste Titel ist für die wenigsten Studios der Durchbruch, aber der Aufbau der Expertise ist enorm wichtig. Ein Team mit dieser Erfahrung hat deutlich mehr Chancen am internationalen Markt. Um zu bestehen sind kurze Entwicklungszyklen und interessante Konzepte wichtige Bausteine.

Euer Projekt The Choices We Make wurde im Jahr 2023 vom FFF Bayern gefördert. Die Spieler*innen schlüpfen in die Rolle eines Solo-Indie Developers und entwickeln selbst ein Spiel, um nachempfinden zu können, wie sich das Entwickeln von Spielen anfühlt. Wie kamt ihr auf die Idee?

Die Entwicklung von Spielen fühlt sich selbst an wie ein großes Puzzle. Diverse Parameter und Unbekannte, die es irgendwie zu lösen gilt, eine Ansammlung an selbstgemachten Problemen. Und die Lösung ist eine Verkettung von Entscheidungen, die sich am Ende als Quersumme im Spiel finden. Und weil diese Momente so emotional sein können, Erfolge wie Misserfolge, ist es eigentlich ein perfekter Schauplatz für ein Spiel. Marcel hat vor einiger Zeit bereits einen Proof of Concept dazu entwickelt, der mit sehr einfachen Mitteln gezeigt hat, dass die Idee Potential hat.

 

Wer ist die Zielgruppe?

Auf der einen Seite sind da die, die sich selbst als Game- und Leveldesigner*innen sehen. Also eine engagierte Gruppe von Menschen, die sich dieses eine Stück über den reinen Konsum eines Spiels hinaus dafür interessieren. „Indie Games“ sind popkulturell relevant und ihre Entstehung bereits in Serien und Dokumentarfilmen festgehalten. Wir richten uns an dieses Publikum und wollen diese Erfahrung auf der anderen Seite nicht einfach zeigen, sondern eben erlebbar machen.

Der Debüttitel The Choices We Make bietet eine neue Perspektive auf das Medium selbst.

Das Spiel soll zur Reflexion über kreatives Schaffen an sich, die Arbeitsbedingungen der Branche und die Beziehung von Spielen und ihrer Umwelt einladen. Wie setzt ihr das im Spiel um?

Die einzige Ressource im Spiel ist die Zeit. So wie wir jeden Tag entscheiden, woran wir arbeiten, müssen das die Spieler*innen auch tun. Als Beispiel: Derzeit schreiben wir für die Filmnews ein Interview, das heißt diese Zeit wird nicht in meine Arbeit am Spiel gesteckt. Was bedeutet das für das Produkt in einem Jahr, was bedeutet das für den Release? Am Ende ihrer Projekte sollen die Spieler*innen immer die Spuren dieser Entscheidungen im eigentlichen Produkt wiedererkennen.

 

Welche sind die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?

Neben dem berühmten „Scope“, also dem Umfang des Spiels, gilt es herauszuarbeiten, wie sich das Spiel den Spieler*innen öffnet. Es soll zugänglich genug sein, dass jede:r Unbedarfte damit interagieren kann, ohne sich mit Spielentwicklung auszukennen. Aber es soll auch die Herausforderung abbilden, die uns jeden Tag begegnen und deren Lösung zu den echten Höhepunkten zählen, die wir so erleben.

Das Game lässt die Spieler*innen in die Rolle angehender Indie-Entwickler*innen schlüpfen, sie gestalten, testen und Entscheidungen treffen.

Auf dem Markt erhältliche Spiele, die sich mit der Entwicklung von Videospielen selbst beschäftigen, beschränken sich meistens auf den Aspekt der Simulation. The Choices We Make fokussiert sich dagegen auf die emotionale Geschichte, die hinter diesen Werken steht und bietet den Spieler:innen einen Perspektivwechsel. Wie kam es zu der Entscheidung? Was wollt ihr damit bezwecken?

Die Perspektive eines einzelnen Entwicklers ist für uns interessanter als die wirtschaftliche Komponente. Die angesprochenen Titel nutzen Gamedev als Kulisse, aber gehen wenig auf die kreativen Aspekte ein. Wir verzichten fast vollständig auf eine wirtschaftliche Simulation und fokussieren uns auf die Selbstwirksamkeit und kreativen Entscheidungen.

Die Spieler*innen erleben die Berg- und Talfahrten einer emotionalen Reise: vom ersten Sprite bis zum fertigen Spiel.

Jumpy Bit erklärt sich als Studio, das seinen Mitarbeiter*innen eine ausgewogene Work-Life-Balance bieten möchte. Welche Möglichkeiten bietet ihr dazu an?

Work-Life-Balance ist einer der Aspekte, auf die wir achten. Neben keinem Crunch haben wir auch eine reduzierte Wochenstundenzahl. Nachdem wir alle unterschiedliche Erfahrungen in der Branche gesammelt haben, versuchen wir vor allem basierend darauf Entscheidungen in der Firma so zu treffen, dass jede:r an den Dingen arbeiten kann, die sich richtig und gut anfühlen. Wir haben ein eigenes Kartenset entwickelt, das uns hilft, regelmäßig über Stolpersteine und Unklarheiten zu sprechen. Aber auch positive Aspekte und Gelegenheit für Lob bilden wir damit ab. Bisher funktioniert das ganz gut, das Kartenset haben wir auch schon an andere Teams verschenkt.

 

An welchen Projekten arbeitet ihr gerade außerdem?

Wir sind in der glücklichen Lage, uns einzig und allein dem derzeitigen Projekt widmen zu können. Unsere ungeteilte Aufmerksamkeit geht in The Choices We Make. Etwaige überschüssige Energien landen maximal in der „Sehr, sehr gute Ideen“ Schachtel für das nächste Projekt.

Über das Spiel

Der Debüttitel The Choices We Make bietet eine neue Perspektive auf das Medium selbst. Er lässt die Spieler*innen in die Rolle angehender Indie-Entwickler*innen schlüpfen, sie gestalten, testen und Entscheidungen treffen. Sie erleben die Berg- und Talfahrten einer emotionalen Reise: vom ersten Sprite bis zum fertigen Spiel. Sie lernen die Fallstricke kennen, spielerische Kniffe und wie wichtig ein Freundeskreis ist, auf den man sich verlassen kann. Sie entwickeln spielerische Miniaturen, die sie selbst spielen und mit anderen teilen können.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Interview: Julia Wülker
Redaktion und digitales Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Eine ganz
andere
Schönheit

Eine ganz andere Schön­heit

Mit I wanna be ur dog lassen uns Kathrin Brunner und Oliver Czeslik in die Wahrnehmungswelt von Hunden eintauchen. Die Weltpremiere der vom FFF geförderten VR-Experience war auf der Art Basel Miami. In München wird sie beim DOK.Fest gezeigt.
von Jürgen Moises
7 Minuten Lesezeit

Hunde gelten als die treuesten Freunde der Menschen. Aber was sie fühlen oder sehen, wenn sie mit uns zusammen sind, oder wie sie allgemein die Welt wahrnehmen, das bleibt trotzdem ein Rätsel. Gut, es gab Spielfilme wie Hachiko, Trickfilme wie Susi und Strolch, Romane wie Fünfzehn Hunde oder Comics wie Mein Freund Toby, die uns die Welt der Hunde näherbringen wollten. Und zuletzt hatten etwa Filme wie Cow oder EO versucht, uns die Welt aus der Perspektive von Tieren zu zeigen. Jedoch war dort vieles Fantasie und Projektion. Und die am Ende wohl wirkliche letzte Hürde zwischen Mensch und Tier blieb bestehen. Mit I wanna be ur dog unternehmen Kathrin Brunner und Oliver Czeslik nun einen neuen Anlauf, uns die Welt aus der Hunde-Perspektive wahrnehmen zu lassen. Ihre Mittel dafür lauten: Virtual Reality, Film sowie Neuro- und Body-Feedback. Oder allgemeiner: Kunst und Wissenschaft.

Erstmals öffentlich zu erleben war die interaktive VR-Eperience von mYndstorm, wie sich die im bayerischen Haar und Berlin ansässige Produktionsfirma von Brunner und Czeslik nennt, vom 29. November bis 3. Dezember 2023 in Florida. Dort hatte I wanna be ur dog als Wettbewerbsbeitrag auf der Art Basel Miami seine Weltpremiere.

Clara Sayffaerth (LMU München), Oliver Czeslik und Kathrin Brunner beim Empfang im Frost Science Museum

Auch Mind The Brain! haben die beiden dort als US-Premiere präsentiert, den ersten Teil ihrer „Delimination“-Trilogie, von der I wanna be ur dog die Fortsetzung bildet. Mind The Brain! war von einem Schlaganfall von Czeslik inspiriert, den er 2016 hatte. Der führte zu einer Dysfunktion in seinem Gehirn und dadurch einer ungewöhnlichen Störung oder eher Erweiterung der Wahrnehmung. So konnte er, so seine Wahrnehmung, etwa durch eine Wand schauen.

Eine besondere, „sehr aufregende“ Erfahrung waren auch die Tage in Miami, wie man von Oliver Czeslik am Telefon erfährt. Der deutsche Generalkonsul von Miami Christofer Burger war bei der Premiere. Und dann noch „Delegierte aus der ganzen Welt“, darunter Vertreter von Firmen aus Frankreich, Taiwan oder Kanada. Die hätten, so Czeslik, gestaunt, „dass Bayern mit solchen Innovationen aufwartet“. Auch Kurator*innen von verschiedenen Festivals waren da, wodurch sich etwa eine Einladung zum Filmfestival in Istanbul im kommenden Mai ergeben hat.

Die Amerikaner selbst seien, sagt Oliver Czeslik, ebenfalls „sehr angetan“ gewesen von I wanna be ur dog und Mind The Brain!, das sie im Auditorium der Universität Miami aufgebaut hatten. Mind The Brain! lief in Miami außer Wettbewerb. „Es war angekündigt als große Show und als Performance, das haben wir auch gemacht, vor 150 bis 200 Teilnehmern.“

In München ist die die Premiere der VR-Experience, die genauso wie Mind The Brain! vom FFF Bayern gefördert wurde, im Mai beim DOK.fest geplant. Als Kooperation mit dem XR Hub Bavaria. München ist auch der Ort, wo die Dreharbeiten und die „Data Shoots“ stattfanden und aus dem die daran beteiligten Hunde sowie ihre Herrchen oder Frauchen stammen: Lola, ein Mini-Labrador-Mix, mit der man virtuell über eine Wiese laufen kann. Lucky, ein silberner Labrador und Blindenführhund, mit dem man die Welt rund um den Pasinger Bahnhof erlebt. Und die französische Bulldogge Dalbert, mit dem man zusammen seinem Herrchen Tomas beim Surfen auf dem Eisbach zusehen und auf der Wiese chillen kann. Erleben kann man das alles zunächst in Form von Videobildern. Danach geht es in die VR und rein in die Perspektive der Hunde. Da lässt sich dann erfahren, was die Hunde sehen, fühlen, riechen oder hören.

Möglich wird das durch Sensoren und medizinische Geräte, mit denen man die Atmung, die Gehirnwellen und die Hautleitfähigkeit messen kann, sprich: die Aktivität der Schweißdrüsen. „Wenn man sehr aufgeregt ist, dann sind die sehr aktiv“, erklärt Kathrin Brunner, die gemeinsam mit Oliver Czeslik ebenfalls einen Hund hat. „Das heißt auch auf gut Bairisch: man schweißelt.“ Wenn man als Hundebesitzer plötzlich sehr ängstlich werde, erzählt sie, nähmen das die Hunde besonders intensiv wahr. „Wir haben in unserer Pasing-Situation eine Stelle, da geht unsere blinde Hauptperson über die Ampel und wir wissen, dass sie Angst vor den Elektroautos hat, die sie nicht hört. Und man sieht wirklich, wie ihre Schweißsäule neben dieser Ampel stehen bleibt. Das kann ich tatsächlich richtig wahrnehmen.“

Weil man aber trotzdem nicht im Kopf des Hundes steckt, sei das natürlich „unsere Interpretation, wie das aussieht“, erläutert Brunner. „Wir haben das mit Partikelwolken animiert. Aber ich glaube, man kann sich viel besser in einen Hund hineinversetzen, wenn man das mal so sieht.“ Was man auch sieht, ist, wie die blinde Hundebesitzerin durch Pasing läuft und wie sie gelaufen ist. „Also, man sieht eigentlich, wie die Zeit stehen bleibt. Hunde haben eine ganz andere Zeitwahrnehmung. Was ja auch im Film interessant ist: Wie bringe ich Raum und Zeit zusammen? Das kann ich anhand dieser Szene sehr gut verstehen.“

Noch genauer beschreibt Oliver Czeslik den „Hundeblick“: „Gehen wir in die Hundeperspektive, dann auch in die Höhe des Hundekopfes. Die Welt wird völlig entwässert, also die Farben werden viel, viel grauer.“ Denn Hunde sind rotgrünblind und „sehen nicht so farbig wie wir. Das hat eine ganz andere Schönheit.“

Um das möglichst realistisch darstellen zu können, haben Brunner und Czeslik mit Wissenschaftler*innen und Hunde-Expert*innen zusammengearbeitet. Und wie bei Mind The Brain! war auch die Firma Brainboost aus Zell in der Nähe von München beteiligt, die dort Brain-Computer-Interfaces für die medizinische Rehabilitation herstellt. Hinzukamen Laiendarsteller, die im Gegensatz zum Team nie wussten, was im Drehbuch steht. „Dadurch haben wir“, so Czeslik, „echte Emotionen gefilmt.“ Er und Brunner vergleichen das mit der Arbeitsweise von Regisseuren wie Ken Loach und Miloš Forman. „Das haben wir übertragen in VR, um auch so eine Brücke zwischen Kino und VR zu schlagen“, erzählt Czeslik. Da zeigt sich auch der berufliche Hintergrund. Oliver Czeslik arbeitet seit Jahrzehnten als Regisseur, Autor und Dozent im Film- und Theaterbereich. Kathrin Brunner war 20 Jahre lang im Video-On-Demand-Bereich für Firmen wie Maxdome tätig.

Während sie bei Mind The Brain! den bekannten Arthouse-Regisseur Fred Kelemen engagiert hatten, hat Czeslik bei I wanna be ur dog diesmal selbst Regie geführt. Er hatte vor Jahren auch die ursprüngliche Idee, die sah aber damals noch anders aus. Und zwar wollte der 59-Jährige schon lange die berühmte Performance I like America and America likes Me von Joseph Beuys nachstellen, der 1974 mehrere Tage mit einem Kojoten in einer Galerie in Manhattan verbrachte. Ein Kojote ließ sich aber nicht auftreiben und so kamen sie über ihren chinesischen Mauerhund Sammy auf die Alternatividee. Der Titel wiederum stammt vom gleichnamigen Stooges-Song. Interpretiert wurde der Protopunk-Song von 1969 als Ausdruck von verdeckter Wollust, Selbstverachtung und gesellschaftlicher Entfremdung. Und er wurde, wie Czeslik sagt, damals als „Provokation“ empfunden.

„Bei uns ist das weniger als Provokation gedacht, sondern wirklich als ein Mitempfinden“, so Czeslik. Gleichzeitig sei die Arbeit aber auch „im Sinne von Beuys“ als „radikale Infragestellung unserer sehr einfachen und beschränkten Weltsicht“ gedacht. „Wir versuchen in unseren Arbeiten die Menschen zu ermutigen, aus den geschlossenen Kreisläufen ihrer konditionierten Sichtweisen herauszutreten, um zu erkennen, wie viel mehr in uns steckt.“ Um damit auch „verantwortungsvoller mit uns und unseren Mitgeschöpfen zu existieren“. Wer einen Hund hat, kann ihn übrigens zu den Vorführungen beim DOK.fest München mitbringen. Denn wie schon in Miami seien dort „Bring your own dog“-Screenings geplant, verrät Brunner. Und sie erzählt dazu eine Anekdote aus Miami: „Es gibt eine finale Szene, da geht es um das gemeinsame Träumen zwischen Mensch und Hund. Und da ist tatsächlich ein Malteser genau in dieser Szene seinem Besitzer auf den Schoß gesprungen. Der fühlte sich seinem Hund, glaube ich, sehr nah, und das hat der Hund gespürt.“

Auch Hunde schätzen XR-Experiences, in denen Hunde vorkommen

Im Januar gab es dann noch eine Auszeichnung für ein ganz anderes FFF-gefördertes Projekt, an dem Myndstorm beteiligt war: Die Experience Duchampiana, bei der Duchamps Akt die Treppe nicht hinab-, sondern hinaufsteigt, von Regisseurin Lilian Hess, myndstorm productions und Tchikiboum, gewann den hochdotierten Eurimages New Lab Award – Outreach auf dem Rotterdamer Filmfestival.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Jürgen Moises
Fotos: mYndstorm productions
Redaktion und Digital Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Next Level

Der Humor
bei all
dem Schmerz

Den Stoff optioniert hatten sie bereits vor zehn Jahren, 700 Romanseiten galt es zu verfilmen: Treasure, der neue FFF-geförderte Kinofilm von Julia von Heinz und John Quester wurde in der Reihe Berlinale Special Gala uraufgeführt. Die Hauptrollen spielen Lena Dunham und Stephen Fry.
von Chris Schinke
8 Minuten Lesezeit

Die Bergung manch eines Schatzes verlangt von Suchenden, eine Reise auf sich zu nehmen. Besondere Schätze erfordern zudem nicht nur eine Reise durch den Raum, sondern auch zurück in der Zeit. Von einem solchen Schatz und seiner beschwerlichen Suche nach ihm erzählt Julia von Heinz’ neuer Kinofilm, die Literaturverfilmung Treasure. Bei der geschichtsträchtigen Vater-Tochter-Erzählung handelt es sich um die Adaption des 1999 erschienenen Romans Zu viele Männer der australischen Autorin Lily Brett. Das Buch, das die Geschichte einer New Yorker Journalistin erzählt, die gemeinsam mit ihrem Vater beschließt, eine Reise zu den Wurzeln der Familie nach Polen zu unternehmen, wo die beiden von der Holocaust-Vergangenheit eingeholt werden, zählt lange schon zu den Lieblingsbüchern der Filmemacherin Heinz, die zuletzt mit ihrem Spielfilm Und morgen die ganze Welt und der Fernseharbeit Eldorado KaDeWe auf sich aufmerksam machte. Ihre Mutter brachte der Filmemacherin die Romane Bretts nahe, die sich dem dunklen Kapitel der Shoa widmen sowie den familiären Traumata, die sich durch so viele Biografien bis heute ziehen.

Peter Hartwig

Julia von Heinz

Bretts literarischer Ton ist bei aller Themenschwere ein unnachahmlich leichter, bisweilen humorvoller. Die Heldinnen der Autorin sind unverwechselbare Originale wie auch ihre New Yorker Protagonistin Ruth aus Zu viele Männer. „Meine Mutter hat Lily Brett Ende der 80er für sich entdeckt, jedes Buch von ihr gelesen und mir weitergegeben. So wurde ich auch schnell zum Fan. Für mich als Teenagerin war Brett eine völlig neue Stimme. Der Humor bei all dem Schmerz … das war eine unbekannte Kombination“, betont Julia von Heinz im Gespräch über ihre gerade rechtzeitig zur Berlinale fertiggestellte Filmarbeit. Bereits im Jahr 2014 optionierten Heinz sowie ihr Schreib- und Lebenspartner John Quester den literarischen Stoff in der Hoffnung, ihn möglichst bald auf die Leinwand bringen zu können.

Literarische Vorlage für Treasure war der Roman Zu viele Männer von Lily Brett

Treasure beginnt am Warschauer Flughafen im Jahr 1991. Tochter und Vater, gespielt von Lena Dunham und Stephen Fry, sind soeben zeitversetzt voneinander gelandet. Mit ihrer Reise im postsozialistischen Setting beginnt auch eine Reise ins tiefste Innere einer Familie, zu den Punkten ihres größten Schmerzes und ihrer Verletzlichkeit. Die Zuschauer erleben mit Dunham und Fry zwei, die wie gemacht scheinen für ihre Rollen. Von den ersten Momenten des Films wird die Zuneigung der beiden sichtbar, aber auch ihre tiefen Konflikte. Der gravierendste besteht im Wunsch des Holocaustüberlebenden, seine Tochter zeit ihres Lebens vor seinen schrecklichen Erfahrungen während der Naziverfolgung und im Konzentrationslager zu beschützen und fernzuhalten. Bei der Tochter entsteht so jedoch eine Leerstelle, die sie unbewusst mit Ängsten und Obsessionen zu füllen weiß.

Die große Herausforderung des Films bestanden für Julia von Heinz und John Quester darin, die über 700 Buchseiten voller Introspektion der Protagonistin, ihrer inneren Mono- und Dialoge einen prägnanten bildhaften Ausdruck zu verleihen. Der Co-Drehbuchautor Quester hierzu: „Der innere Monolog der Protagonisten ist größtenteils eine Obsession und Beschäftigung mit dem Dritten Reich. In unserem Film tätowiert die von Lena Dunham Gespielte sich selbst die KZ-Nummer der Mutter auf das Bein. Hier geht es um die Identifikation mit den Eltern. Unter der Oberfläche liegt das transgenerationelle Trauma. Die Eltern dieser Familien versuchen ihre Kinder zu schützen, indem so wenig wie möglich erzählen. Sie können aber nicht verhindern, dass so das Trauma durch ihr Schweigen weitergegeben wird.“

Lena Dunham, Julia von Heinz und Stephen Fry

Dass der Vater sich überhaupt zu der Reise zu den Wurzeln der Familie, zunächst nach Warschau, dann nach Lodz hat breitschlagen lassen, scheint an vielen Stellen des Films überraschend. Wo Ruth von Neugierde nach Wissen über die Hintergründe getrieben ist, blockt Edek ab. „Hier gibt es nichts zu sehen“, betont er und besteht zunächst darauf, im Auto sitzenzubleiben, als die beiden von ihrem liebevoll ergebenen Fahrer Stefan (Zbigniew Zamachowski) zum ehemaligen Familien- und Firmensitz der Rothwax‘ gebracht werden. Dass es hier mitnichten nichts zu sehen gibt, wie der Vater zunächst betont, erfahren die Zuschauer*innen bald schon in eindringlichen Szenen, in denen Edek gemeinsam mit seiner Tochter die Räumlichkeiten seines ehemaligen Elternhauses durchschreitet. Untergebracht ist hier nun eine polnische Familie, die den beiden amerikanischen Gästen mit einer Mischung aus Missgunst und Schuldgefühl begegnen. Die Polen sind sich natürlich bewusst, auf enteignetem Besitz zu leben, den die nationalsozialistischen Besatzer Polens polnischen Juden wie der Familie Rothwax weggenommen hatten.

Inspiration für die filmische Reise von Ruth und Edek Rothwax fand das Autorenduo von Heinz-Quester bei einer eigenen Reise durch Polen. Julia von Heinz hierzu: „Nachdem wir den Roman optioniert hatten, haben wir 2015 eine Reise nach Polen unternommen, bei der wir Orte und Stationen besucht haben, die in Lily Bretts Roman zentral sind. Wir haben das Haus, in dem ihr Vater aufgewachsen ist, besucht. Und auch den Friedhof, der im Film vorkommt.“ Die Friedhofszene gehört zu einer der intensivsten in Treasure. Die Zuschauer erleben das Vater-Tochter-Paar beim Identifizieren der Grabstätten von Vorfahren und Verwandten des Vaters. Zum Andenken legt Ruth einen kleinen Stein auf einen der Grabsteine.

„Wir waren schließlich auch an Lily Bretts Geburtsort. Ihre Eltern hatte es als Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz ins bayerische Feldafing verschlagen – als DP. Die Mutter hatte, um Lily Bretts Vater wiederzufinden sämtliche Displaced Person Camps abgeklappert, bis sie ihn wiederfand. Diese Begebenheit machte uns auch klar, dass wir den Bayerischen Rundfunk und den FFF Bayern mit an Bord bringen mussten.“

Der Gang von Vater und Tochter zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau stellt den schwierigsten Teil ihrer Reise dar, die Szenen sind auch das Schwerkraftzentrum des Spielfilms Treasure. Die dort vor Ort entstandenen Szenen sind keine filmische Selbstverständlichkeit, wie Produzent Fabian Gasmia, mit dem von Heinz 2017 die gemeinsame Produktionsfirma Seven Elephants gründete, betont: „Es war uns wichtig, den Film nach Auschwitz, an den Ort des wirklichen Geschehens zu bringen. Vorab war uns bewusst, dass eine Drehgenehmigung fast ein Ding der Unmöglichkeit sein würde. Wir haben dennoch einen Brief an das dortige Memorial geschrieben. Von der Stelle erhielten wir schließlich die Gelegenheit, unser Vorhaben genauer darzulegen.“ Entstanden sind so Szenen, die am Lagereingang spielen, am Zaun der bedrückenden Stätte entlangführen. Schließlich gab es Grenzen beim Dreh. Julia von Heinz zufolge war sich das Filmteam dieser allzu deutlich bewusst. „Man muss sich vorstellen, dass die menschliche Asche, die Tag und Nacht aus den Schornsteinen regnete, dort noch liegt. Ganz Auschwitz ist ein großer Friedhof.“ Aufnahmen, die auf dem Gelände spielen, mussten so mithilfe von VFX-Technik nachgestellt werden. Für die Szene, die in den Ruinen der ehemaligen Gefangenenbaracke von Edek spielt, war es von Heinz und ihrem Team wichtig, sie in der Nähe der Erinnerungsstätte aufzunehmen und nicht in einem Studio in München oder Berlin. Atmosphärisch merkt man dies dem Film an, auch von den ungeheuren Dimensionen des Vernichtungslagers erhalten Zuschauer einen erschütternden und bleibenden Eindruck.

Uraufführung in der Reihe Special Gala bei der Berlinale 2024: Lena Dunham, Stephen Fry, Julia von Heinz, Lily Brett und Zbigniew Zamachowski

Dass ein Film wie Treasure mit seiner tiefschürfenden Thematik einen überzeugenden Cast benötigen würde, davon waren von Heinz und ihr Filmteam von Beginn an überzeugt. Um an ihre Idealbesetzung für die Protagonistin Ruth zu gelangen, nutzte die Regisseurin den Schwung, den sie aufgrund ihres bei den Filmfestspielen von Venedig gefeierten Und morgen die ganze Welt hatte. In einem Interview mit dem Branchenmagazin Variety tat von Heinz kund, dass sie als nächstes Projekt eine Verfilmung des Lily Brett-Romans Plane, mit Lena Dunham in der Hauptrolle. Die Schlagzeile hierzu schrieb sich fast von selbst. Und die Künstleragentur CAA, die zu dem Zeitpunkt sowohl die Regisseurin als auch Dunham unter Vertrag hatte, stellte sicher, dass Dunham das Drehbuch zu Treasure auch wirklich zu lesen bekam. Kurz darauf sagte die US-Schauspielerin, die erst später, während der Dreharbeiten erfahren sollte, dass auch ihre jüdische Familie aus Lodz stammt, das Projekt zu.

Angesichts der Ereignisse vom 7. Oktober, den mörderischen Angriffen der radikalislamischen Hamas auf Israel, könnte die Thematik des transgenerationellen Traumas jüdischer Familien in Treasure dringlicher kaum sein, befand übereinstimmend das Filmteam und drängte auf einen früheren Veröffentlichungstermin als ursprünglich gedacht, im April 2024. „Wir haben das Projekt bei der Berlinale nachgereicht, weil es durch das aktuelle Geschehen umso mehr an der Zeit war, an das Vergangene zu erinnern“, stellt Julia von Heinz fest. John Quester setzt hinzu: „Das Thema hat eine bedrückende Aktualität bekommen. So traurig das ist. Unsere Erzählung hat einen universellen Kern. Das transgenerationelle Trauma ist etwas, das sich in vielen Zeiten und Kulturen ereignet.“

Das Geheimnis, der Schatz, um den die eindringliche Vater-Tochter-Geschichte Treasure kreist, sei an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Es mag auch nur auf den ersten Blick auf die Maße der Blechkiste passen, die Ruth auf dem Rücksitz des polnischen Automobils in Händen hält. Da ist nicht Nichts, wie der Vater an einer früheren Stelle des Films betont. Wenn wir Zuschauer in dem Moment in die Gesichter der beiden Darsteller Dunham und Fry blicken, wissen wir, hinter dem Unausgesprochenen steht immer mehr. Viel mehr. Vielleicht alles.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Chris Schinke
Fotos: FilmNation/Bleecker Street/Annew Wilk, Peter Hartwig, Suhrkamp Verlag,
Seven Elephants/ Julia Terjung, Berlinale

Redaktion und digitales Storytelling: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Call Me
By My Name

Call Me By
My Name

Mit ihrem thematisch wie künstlerisch mutigen, erzähltechnisch raffiniertem und dabei sehr emotionalem Film Shahid waren Regisseurin Narges Kalhor und Produzent Michael Kalb ins Forum der Berlinale eingeladen.
von Marga Boehle
7 Minuten Lesezeit

Narges Kalhor

Es ist ihre eigene Geschichte, die Narges Kalhor erzählt. Ein mutiger Schritt und ein Blick nicht nur auf ihr Schicksal, sondern auch auf das anderer Asylsuchender. Narges Kalhor, in Teheran geboren und aufgewachsen, war 2009 mit ihrem Kurzfilm Die Egge zum Nuremberg International Human Rights Film Festival eingeladen und beantragte politisches Asyl. Aufsehen erregte ihr Fall international, da sie die Tochter eines ranghohen Kulturberaters des damaligen iranischen Präsidenten Ahmadinehjad ist.

Der Kampf mit der Bürokratie bei der Namensänderung ist nur eines der Themen des vielfältigen, schwer in ein Genre zu fassenden Films, irgendwo zwischen politischem Drama und persönlicher Tragikomödie. Im Mittelpunkt steht eine Frau – die Regisseurin –, die ihren Namen ändern will. Das Shahid aus Narges Shahid Kalhor soll verschwinden, es bedeutet „Märtyrer“ und geht auf ihren skurrilen Urgroßvater zurück, der, folgt man seiner Erzählung, nach seinem heldenhaften Tod im Iran diesen Ehrennamen erhielt. Als Narges diesen Namen ablegen will, taucht der alte Mann plötzlich auf und versucht, mit Hilfe seiner tanzenden Gefährten, seine Urenkelin umzustimmen.

Immer wieder verschwimmen die zeitlichen Ebenen, bewegt sich die Erzählung zwischen nervenaufreibenden bürokratischen Terminen beim Kreisverwaltungsreferat, Sitzungen beim Psychiater, Träumen, in denen die Protagonistin von ihrem Urahn verfolgt wird, Begegnungen auf der Straße und bei den Dreharbeiten mit anderen Asylsuchenden. Es ist ein Mix aus Realität und Fiktion, dokumentarischen und performativen Elementen – Film im Film, Theater, Schattenspiel, Tanz, erzählerischen und bildlichen Überlieferungen.

Die Regisseurin inszeniert eine Schauspielerin als sich selbst, rückt den weiblichen Blick in den Mittelpunkt, denn immer noch wird Geschichte/werden Geschichten vor allem aus männlicher Sicht erzählt. 

In Shahid mischt sich in die Erzählung des Urgroßvaters dessen Frau ein, und aus ihrer Sicht klingt die vermeintliche Heldensaga ganz anders. „Ich freue mich auf eine Zukunft, in der Frauen ihre Geschichte schreiben. Wenigstens im Cinema,“ meint Narges Kalhor. Vielleicht bekomme ihr Film in der Zukunft eine andere Bedeutung, lese man ihn anders. Jetzt stellt sie auch Fragen nach dem aktuellen Zustand in Iran: „Die Vergangenheit kennen wir, aber was ist unsere Haltung heute? Besonders wir Frauen aus dieser Gesellschaft, in der Diaspora, aus dem Nahen Osten, wie fühlen wir uns, was wollen wir?“ fragt die Regisseurin.

Der feministische Widerstand gegen patriarchale Strukturen und gegen die Homogenität der Gesellschaft sind ihr ein Anliegen. Neue Narrative können ihrer Meinung nach helfen, Geschichte(n) zu überdenken. Diversität, das Cinema der Migranten, das Kino aller Gesichter und ihrer Geschichten in der westlichen Welt und vor allem der noch immer so oft fehlende weibliche Anteil, auch in der Filmindustrie, sind Kalhors Themen.

Die setzt sie visuell vielfältig um. Kalhor, die in Teheran und später an der HFF München Spielfilmregie studierte und die Filmgeschichte genau kennt, bedient sich zum Beispiel beim deutschen Expressionismus, ist inspiriert von Stummfilmen, die ihren Ursprung vor dem ersten Weltkrieg haben. Das klassische Narrativ ist nicht ihr Ding, sie schätzt experimentelle Filme und ist ein Fan des französischen Essay-Films à la Agnes Varda. „Ich mag die Ich-Perspektive, die Geschichte von anderen in einem moralischen Zusammenhang zu erzählen.“

Shahid ist eine gesellschaftskritische Satire über die Pflicht zum Widerstand, nicht nur im Iran, sondern auch hierzulande. Kalhors Kampf gegen ihre Vergangenheit, der sich im Wunsch nach Entledigung eines Teils ihres Namens manifestiert, ist auch einer gegen die Tradition einer patriarchalen Kultur.

Vor und hinter der Kamera stehen zwei unterschiedliche iranische Frauen, die in Deutschland leben und nach einer Lösung der alltäglichen Konflikte in der neuen Heimat und den oft tödlichen in der alten suchen. Die Regisseurin Narges Kalhor mischt sich immer wieder mit ihren Kommentaren und Regieanweisungen in diese Konflikte ein. Die Grenze zwischen Heldentum und Scheitern, auch des gesamten Filmprojekts, ist fließend.

Narges ist von Beruf auch Editorin, schnitt auch ihren eigenen Film. Daher weiß sie, dass oft die besten Bilder entstehen, wenn die Kamera zufällig mitläuft: „Da zeigen die Menschen ihre echten Gesichter.“ Solche Momente verwendet sie als Wendepunkt der Geschichte. Einmal unterhalten sich am Rande des Sets Schauspieler über Narges‘ Asylantrag – so viel Glück wie sie hätten nicht alle. Eine reelle Situation, die die Kamera einfing, eine Reflexion über die gesellschaftliche Hierarchie unter Opfern.

Gedreht wurde an 20 Drehtagen mit multinationalem Team, in der Metropolitan Street in den Bavaria Filmstudios sowie in verschiedenen Locations in Augsburg, München und im Hinterbergwerkstudio in Wiesbaden. Nachwuchstalente standen gemeinsam mit erfahrenen Kolleg*innen vor der Kamera. Die Kostüme sowie die großen „Pardeh-Khani“-Zeichnungen in der Tradition persischer Miniaturmaler wurden von Künstler*innen im Iran geschaffen und via London nach Deutschland gebracht.

In der Postproduktion wurde neben dem Einsatz von moderner virtueller Studiotechnik auch mit KI generierten Inhalten experimentiert. Eine Spielwiese für Produzent Michael Kalb, der technikaffin ist und mit Tools im Bildbearbeitungsbereich bei szenischen Aufnahmen experimentierte, etwa wenn Teile des Gemäldes anfangen sich zu bewegen. Der KI-Einsatz war nicht nur kostentechnisch relevant, sondern passt auch inhaltlich, stellen sich doch immer wieder Fragen wie: Wer erzählt welche Geschichte, was ist aus welcher Perspektive richtig und falsch, welchen Bildern kann man glauben, welchen nicht.

Der HFF München-Abschlussfilm von Narges Kalhor In the Name of Scheherazade war auch bereits FFF-gefördert

Ihren Produzenten Michael Kalb lernte Kalhor 2019 bei der Weltpremiere ihres Abschlussfilms In the Name of Scheherazade in Lyon kennen. Damals beschlossen sie eine zukünftige Zusammenarbeit. Kalhor: „Für diese Art von Filmen braucht man mutige Produzenten, die bereit sind, mit Risiko reinzugehen.“ Kalb, der gerade mit Daria Kuschevs Debüt Wie im Himmel so auf Erden im Max Ophüls Wettbewerb vertreten war und als einer von fünf Produzent*innen auf Einladung von German Films am Networking des Berlinale Co-Production Market teilgenommen hat, war von Anfang an begeistert an ihrer Seite. Er las drei Drehbuchversionen und war früh auch inhaltlich involviert. Ihm ist als Produzent die Begleitung der kreativen Arbeit wichtig.

„Narges war sehr gut vorbereitet und wusste genau, was sie wollte,“ erzählt er. Die Stimmung sei super gewesen, es gab nie Überstunden. Besonders glücklich ist Kalb über den Umstand, dass er nachträglich fürs Team auf Tarif-Gage aufstocken konnte. Bei einem Budget von 300.000 Euro ein Kunststück. „Die Finanzierung hätten wir ohne den FFF nicht geschafft,“ sagt er.  Auch nicht ohne die tatkräftige Unterstützung aller involvierten Partner, die auf die üblichen Marktpreise verzichteten. Kalb absolvierte auch eine Schulung zum Green Consultant und begleitet in dieser Funktion jetzt auch andere Produktionen. Und Co-Produzent ZDF/Das kleine Fernsehspiel sowie die Förderer FFF Bayern und HessenFilm können eine offizielle Grüne Produktion ausweisen.

Was es bedeutet, in eine fremde Kultur geworfen zu werden, erzählt der Film auch mit viel Humor. Kalhor: „Das Leben ist traurig genug, ich möchte kein Kino zum Mitweinen, kein Mitleid wecken, sondern etwas mitteilen. Auch wenn wir große Verluste erlitten haben, haben wir Stärke, sind wir lebendig und geben die Opferrolle ab.“

Narges sieht sich weniger als Regisseurin denn als Autorenfilmerin. Wie wichtig ist es ihr, alles in einer Hand zu haben? „Weil es autobiografisch ist, und diese Art von Film aus der Ich-Perspektive, muss ich bei allem dabei sein. Wir entscheiden im Team, aber am Ende des Tages ist mein Nachname der Titel des Films, ist es mein Leben, da muss ich von A-Z Verantwortung übernehmen.“ Die offizielle Namensänderung gab sie allerdings auf – das sei so  komplex und teuer in Bayern, da habe sie lieber den Führerschein gemacht.

Das Plakat von Shahid

Ab dem 1. August soll Shahid im Eigenverleih, gemeinsam mit Schmidbauerfilm, in die Kinos kommen.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Marga Boehle
Fotos: Leonie Huber, Michael Kalb Filmproduktion
Redaktion und digitales Storytelling:
Dr. Olga Havenetidis

Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Kater und
Krokodil
kommen

Bon
Cinéma

Das geschichtsträchtige Theatiner-Kino in München hat neue Betreiber*innen, die ein großes Erbe antreten. Wir stellen sie und ihre Pläne vor.
von Dunja Bialas
5 Minuten Lesezeit
S

Sie sind die Neuen: Claire Schleeger, 27, und Bastian Hauser, 38, leiten seit Jahresbeginn das Theatiner-Kino. Mit ihnen wurde ein Betreiberwechsel in einem der bedeutendsten Münchner Arthouse-Kinos vollzogen, auf den viele Kenner der Szene seit langem gehofft hatten. Erst jetzt, über neunzigjährig, konnte sich Kinobetreiberin Marlies Kirchner zu diesem Schritt durchringen. Seit 1975 hatte sie das Theatiner alleine geführt und zu einer der besten Spielstätten Europas gemacht. 2018 erhielt das Kino mit dem „Europa Cinema Award“ die höchste Programm-Auszeichnung.

Zwei Jahre zuvor hatte Dieter Kosslick Marlies Kirchner die Berlinale-Kamera überreicht, 2022 wurde sie zum „Officier des Arts et des Lettres“ des französischen Kulturministeriums ernannt.

Ein großes Erbe also, das die jungen Kinobetreiber*innen antreten. Beim Treffen im Foyer der „Theatiner Filmkunst“, wie das Kino eigentlich heißt, strahlen sie Optimismus und Tatendrang aus. Als ersten Akt haben sie die „BC Filmtheater Betriebs-GmbH“ gegründet, BC stehe für „bon cinéma“, ein Versprechen für das gute Kino, das sie gemeinsam machen wollen.

Die Liebe zum Kino brachte Claire Schleeger und Bastian Hauser zunächst zum Filmclub „U-Kino“ der LMU München. Seit dreizehn Jahren arbeitet Hauser jetzt schon im Theatiner, begonnen hatte er als Vorführer an den analogen 35mm-Projektoren. Schleeger, die derzeit in Komparatistik promoviert und die Uni ihr „erstes Standbein“ nennt, kam einige Jahre später zum Theatiner. Das Kino im persönlichen Austausch mit ihrem Publikum zu führen, ist ein Stil, den sie sich von Kirchner abgeschaut haben. Auch sie hatte immer Empfehlungen parat und sich über das Publikums-Feedback gefreut. Der tägliche Gang ins Kino war ihr auch deshalb so wichtig – bis die Pandemie das jäh beendete.

Claire Schleeger übernahm die Social-Media-Kanäle und jobbte im Kassenhäuschen, wo auch schon Marlies Kirchner Eintrittskarten von bunten Papierrollen für die Besucher abgerissen hatte. „Der Kontakt an der Kasse ist immer auch Gelegenheit, um mit den Besucher*innen über die Filme ins Gespräch zu kommen“, sagt Schleeger.

Seit der empfindlichen Zäsur der monatelangen Kinoschließung in den Jahren 2020 und 2021 ist Marlies Kirchner nicht mehr zurückgekehrt. Hauser übernahm große Teile des operativen Geschäfts mit Filmdisposition und Abrechnungen und zusammen mit Schleeger zunehmend auch die wöchentliche Programmplanung. Für Sonderprogramme hatte Kirchner ihrem Team ohnehin schon länger die kuratorische Verantwortung übergeben. Seit 2015 veranstaltet das Kino Retro-Filmreihen im Rahmen der Filmkunstwochen München, die von Bernd Brehmer, der Kollege aus dem Werkstattkino, Ulrich Mannes, Herausgeber des Sigi-Goetz-Entertainment und ebenfalls Mitarbeiter des Theatiner, sowie Claire Schleeger und Bastian Hauser erdacht werden. Im Ferienmonat August erzielen sie damit Rekordzahlen. Dafür wird seit Jahren auch der verbliebene 35mm-Projektor wieder in Betrieb genommen – für Filmkopien, die die Historie des Theatiner aufgreifen.

Die „Theatiner Filmkunst“ mit einer der ersten Cinemascope-Leinwände Deutschlands wurde 1956 im Ensemble der Theatinerpassage neu errichtet und steht heute unter Denkmalschutz. Bereits ein Jahr später übernahm der Verleihpionier Walter Kirchner das Kino und brachte mit seinem Verleih „Neue Filmkunst“ zunächst Werke heraus, die während des Nationalsozialismus verboten waren.

Bald konzentrierte er sich auf die Filme der Nouvelle Vague und anderer europäischer Wellen. Der zeitgenössische europäische Autorenfilm wurde zum Markenzeichen der Theatiner Filmkunst.

Schleeger betont, wie wichtig ihnen die internationale Ausrichtung des Kinos ist. Sie versteht Kino als „offenen Begegnungsort unterschiedlicher Generationen, Nationalitäten und Interessen der Stadtgemeinschaft“. Gerne finden sich im Theatiner die von den Filmen angesprochenen „Communities“ ein, aus Frankreich, Spanien, Italien sowie die Cineast*innen der Stadt, von der Taxifahrerin bis zum Opernsänger. „Auch aufgrund der Untertitel ist unser Publikum breit gefasst“, sagt Schleeger. So kommen etwa auch Menschen mit Hörbeeinträchtigung. Die moderaten Eintrittspreise haben in der exklusiven City-Lage zudem einen demokratisierenden Effekt: Schleeger und Hauser bieten bewusst ein niederschwelliges und für alle offenes Kulturerlebnis an.

Das im Theatiner mit internationalen Arthouse-Filmen, Dokumentarfilmen, Filmgesprächen und Festivals überaus vielfältig ist. Jetzt wollen sie zusätzlich mit historischen Filmreihen das Filmerbe lebendig halten, nach dem Vorbild der Pariser Kinos. Als nächstes ist eine Reihe zu Jean Eustache geplant, für die Schleeger und Hauser mit Kinobetreiber Thomas Kuchenreuther zusammenarbeiten. Synergien ergeben sich auch aus Kooperationen mit anderen Künsten. Die Initialzündung gab Axel Ranisch mit seinem Kurzfilm The Bear / Voix humaine, den er im Rahmen des Opernfestivals mit Live-Gesang im Kinosaal aufführte. Das war 2013. Seitdem haben sich die Kooperationen vertieft und vervielfältigt, auch mit Institutionen der Münchner Kunstszene und der Akademie der Bildenden Künste. So wurde 2021, begleitend zur Ausstellung in der Pinakothek der Moderne, Joseph Beuys’ Multiple Das Schweigen im Theatiner-Foyer und Ingmar Bergmans Film auf der Leinwand gezeigt.

Wie wird das Theatiner der Zukunft aussehen? Hauser geht erst einmal die technische Seite durch: Der DCP-Projektor wird durch das neueste Modell ersetzt. Kleinere denkmalschutzwahrende Restaurierungen werden vorgenommen. Schleeger ergänzt: Kern werden weiterhin die aktuellen europäischen Arthouse-Filme sein. Das Programm wird sich daneben weiter filmhistorisch und interdisziplinär ausrichten, Festivals wie die Französische Filmwoche, Underdox oder Cinema Italia werden zu Gast sein. Auch jungen Projekten wollen sie Raum geben. Wie der Filmzeitschrift „Revü“, die an der HFF von Filmstudierenden herausgegeben wird und zum Heft-Release den Kinosaal mit junger Lässigkeit belebt. „Es ist sogar eine eigene Filmreihe angedacht“, verrät Schleeger. Und was würden sie sich wünschen, wenn sie einen Wunsch frei hätten? „Dass das Filmfest München ins Theatiner zurückkehrt“, sagen sie spontan. Argumente dafür gibt es allemal. Das Publikum zumindest wäre schon da.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Dunja Bialas
Fotos
: Dunja Bialas, Andreas Teich, Theatiner Filmkunst
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Ein Omnibus­film
bei der
Berlinale