FÖRDER-
MELDUNG

Der FFF Vergabeausschuss für die Film- und Fernsehförderung hat am 7. Mai 2025 getagt. Lesen Sie hier, welche Projekte empfohlen wurden.

Liebe Leser*innen,

gestern wurde nicht nur das 40. DOK.fest München im Deutschen Theater eröffnet, sondern wurden auch vielversprechende Projekte gefördert. Der Vergabeausschuss für die FFF Film- und Fernsehförderung hat zum zweiten Mal in diesem Jahr getagt, und ich freue mich, dass wir mehr als 50 Projekte mit insgesamt 7,4 Mio. Euro unterstützen. 4,2 Mio. Euro fließen in zwölf Produktionen für das Kino, darunter die neuen Projekte von Marc Rothemund, Lena Stahl, Natalie Spinell, Fatih Akin und Sebastian Niemann. 1,1 Mio. Euro fließen in drei TV-Projekte, darunter eine Serie über Ludwig II. Mit 570.000 Euro fördert der FFF Bayern die Filme von talentierten neuen Filmschaffenden. Besonders viele Projekte wurden im Bereich Stoffentwicklung unterstützt: Hier empfiehlt der Ausschuss 16 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 435.000 Euro. Mehr als 900.000 Euro fließen zudem in die Herausbringung von zehn neuen Kinofilmen. Drei Produktionen für das Kino nehmen FFF Praktikant*innen Incentives in Höhe von insgesamt 26.000 Euro in Anspruch.

EINIGE DER GESTERN EMPFOHLENEN PROJEKTE SIND:

 

Das gewisse Etwas

Eine fast perfekte Tarnung: Auf der Flucht vor der Polizei finden Vater und Sohn Zuflucht in einem Reisebus voller junger Menschen mit Beeinträchtigung, die mit ihrer Betreuerin auf dem Weg in ihren Sommerurlaub sind. Die beiden geben sich kurzerhand als fehlender Mitreisender und dessen Begleiter aus. Auf ihrer Reise finden sie nicht nur neue Freundschaften, Liebe und jede Menge Spaß, sondern auch eine neue Sicht auf das Leben. Marc Rothemund inszeniert Das gewisse Etwas nach einem Drehbuch von Murmel Clausen, Constantin Film produziert die Komödie.

 

Geister weinen nicht

Fatih Akin kommt für sein nächstes Kinoprojekt nach Bayern. Er inszeniert einen Liebesfilm nach einem Drehbuch von Ruth Toma. Geister weinen nicht, produziert von Bombero International, erzählt von einer unmöglichen Liebe: Nach ihrem Tod findet die 17jährige Aisha aus dem Jenseits den Weg in Elias’ Träume und eine leidenschaftliche Beziehung beginnt, bei der die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen.

 

Hui Buh und der Fluch des Dschinn

Die Münchner Rat Pack Filmproduktion realisiert den Animationsfilm Hui Buh und der Fluch der Dschinn. Regie führt Sebastian Niemann, der gemeinsam mit Dirk Ahner das Drehbuch geschrieben hat: Als ausgerechnet das liebenswert-chaotische Schlossgespenst Hui Buh dazu auserwählt wird, gemeinsam mit der tollpatschigen Dschinni Amira das Herz einer verfluchten Prinzessin aus 1001 Nacht zu befreien, stürzt er sich, zusammen mit seinen Freunden Julius, Konstanzia und Charles, in das größte Abenteuer seines Lebens und findet völlig unerwartet seine erste große Liebe – ob er nun will oder nicht.

 

Glück im Arsch

Der Kinofilm Glück im Arsch erzählt von einer scheinbaren Bilderbuchfamilie: Als am Vorabend zu Mutter Doris‘ 50. Geburtstag Tochter Toni ihren Vater Rainer im Gartenhaus beim außerehelichen Sex erwischt, steht plötzlich alles auf dem Spiel. Das Drehbuch schrieb Regisseurin Natalie Spinell gemeinsam mit Jenny Bräuer und Felix Hellmann, als Produktionsfirma fungiert Pssst! Film mit Sitz in München.

 

Ich bin ich – Paulas Weg

Zu Lebzeiten kaum beachtet, malte Paula Modersohn-Becker unabhängig und eigenwillig und gilt heute als Vorreiterin der Moderne und des Expressionismus. Zu ihrem 150. Geburtstag erzählt der Kinofilm Ich bin ich – Paulas Weg ihre Geschichte neu: feministisch, kompromisslos und mit Blick auf die Gegenwart. Regie führen Annelie Boros und Vera Brückner, das Drehbuch schrieben sie gemeinsam mit Anja Salomonowitz, produzieren wird den Stoff Kinescope Film.

 

Corpus Delicti

Der Roman Corpus Delicti von Juli Zeh wird verfilmt. Lena Stahl wird die Adaption inszenieren, produzieren wird den Stoff die Münchner Produktionsfirma Wiedemann & Berg Film. In einer nahen Zukunft kontrolliert die „Methode“ Gesundheit und Freiheit der Gesellschaft. Das Leben der systemtreuen Neurowissenschaftlerin Mia Holl verändert sich schlagartig, als ihr Bruder Moritz Holl zu Unrecht des Mordes beschuldigt und inhaftiert wird. Im Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit beginnt Mia, das System zu hinterfragen, und wird selbst zur Gejagten.

 

Ludwig II.0

Bayern, Ende des 19. Jahrhunderts: Der rätselhafte Tod von König Ludwig II gibt dem als Sonderermittler berufenen Gustav Zimmermann die Chance, sich in einem politischen Pulverfass zu beweisen. Während er tief in die Machenschaften des bayerischen Königshauses eintaucht, entfaltet sich die Geschichte eines visionären und exzentrischen Königs, der zwischen der individuellen Freiheit und seiner Rolle als König zerrieben wird. Darum geht es im Serienprojekt Ludwig II.0, das W&B Television für ARD Degeto und BR realisieren wird. Nina Vukovic und Sebastian Ko führen Regie, die Drehbücher für die acht Episoden schrieben Marianne Wendt, Anja Marquardt, Boris Kunz, Julia C. Kaiser, Christian Schiller, Lukas Becker, Magdalena Grazewicz, Hanna Hribar und Carolina Zimmermann.

 

Wie denn sonst?

Die Münchner Firma Apollonia Film produziert den HFF München-Abschlussfilm von Lena Stiller. In Wie denn sonst? stehen drei Frauen aus drei Generationen im Mittelpunkt. Sie kämpfen mit Verlust, Erinnerung und Neubeginn. Ein lebens­bejahender, philosophischer Dokumentarfilm über Vergänglichkeit, Wider­stands­kraft und der Frage: Wann lebt man wirklich und wann überlebt man nur?

 

Rotpunkt

Nachdem er ausgerechnet in der DDR von einem Freund gelernt hat, was Freiheit bedeutet, beginnt ein Nürnberger Kletterer eine Lebensreise, die ihn rund um den Globus führt. In der Fränkischen Schweiz heimisch, prägt Kurt Albert eine Subkultur, in der sich alles ums Klettern und das Lebensgefühl von Freiheit, Sportsgeist, Reiselust und easy going dreht. Mit dem „Rotpunkt“ schafft er ein Symbol, das Millionen Menschen verbindet. Das Treatment für den Dokumentarfilm Rotpunkt entwickelt Tom Dauer mit der Rohrdorfer Firma Filmfarm.

 

Papa oder Baba

Savaş Ceviz entwickelt mit der Münchner Produktionsfirma Yalla Productions den Stoff namens Papa oder Baba: Ulf, ein liebenswürdiger, harmoniesüchtiger „Softie“ möchte der beste Papa der Welt für seine zwei kleinen Stiefkinder sein, er träumt davon, dass sie ihn eines Tages Papa nennen. Aber dann taucht plötzlich Aslan auf, der charismatische türkische Bio-Baba der Kids. Ein turbulentes Duell um die Vaterrolle beginnt.

 

Alma

Ein jüdischer Schauspieler steht kurz vor dem Durchbruch – mit dem schlechtesten Drehbuch seiner Karriere. Da stirbt seine Mutter, die er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hat. Mit ihrer vermeintlichen Zwillingsschwester begibt er sich auf einen Roadtrip, um ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Diesen Stoff entwickeln die mit Sonnenplätze preisgekrönten Autoren Aaron Arens und Lukas Loose. Als Produktionsfirma von Alma fungiert Maverick Film mit Sitz in Inning am Ammersee.

 

Der Sound des Sommers

Der Sound des Sommers lautet der Titel für einen Stoff, den Kristina Magdalena Henn mit Dreifilm entwickelt: Ein brillanter, aber verbitterter Komponist wird gerichtlich zur Leitung eines Kinderchors verdonnert. Was als Strafe beginnt, wird zu einer unerwarteten Reise zurück zur Musik, zum Leben – und zu einem offenen Herzen.

 

Mit FFF Verleihförderung im Kino starten Das Leben der Wünsche (ProU Producers United Film), Heidi – Die Legende vom Luchs (Leonine Studios), Mädchen, Mädchen! und 22 Bahnen (Constantin Film Verleih), Karli & Marie (SquareOne Entertainment), Stiller (Studiocanal), Karla (eksystent Filmverleih), Cotton Queen (jip film & verleih), Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes (Weltkino Filmverleih) und Die zärtliche Revolution (W-Film Distribution).

Alle gestern geförderten Projekte finden Sie hier.

Ich freue mich, wenn wir uns im Kino sehen. Bei der Vorführung geförderter Filme nach Kinostart, aber auch bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises, für den fünf geförderte Filme in vielen Kategorien nominiert sind. Gratulieren möchte ich an dieser Stelle jetzt schon dem gesamten Team um Meike und Alexandra Kordes sowie Cosima von Spreti zur Lola für den besucherstärksten Film für Die Schule der magischen Tiere 3! Was für eine Erfolgsgeschichte! Außerdem sehen wir uns in Cannes, wo die FFF-geförderten Filme Das Verschwinden des Josef Mengele und Critical Condition laufen und der FFF Bayern mit drei Fachveranstaltungen für den internationalen Austausch präsent ist.

Eine gute Zeit und nun eine gute Lektüre!

Ihre Dorothee Erpenstein

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Creative
Europe
Desk
München

Le sujet, c’est ça!

Gestern hat es begonnen, das 40. DOK.fest München 2025 und macht München für die nächsten elf Tage zum bedeutenden Treffpunkt für Doku­mentar­film­schaffende. Diese Ausgabe ist die letzte unter Daniel Sponsel, der ab Oktober das Amt der HFF München-Präsidenten bekleiden wird. Seine bisherige Stellvertreterin Adele Kohout übernimmt das Festival nach seinem Weggang. Es ist auch die erste Ausgabe mit neuem Profil: Das Programm ist erstmals nicht mehr nach den gewohnten Wettbewerbs- und Ländersektionen sortiert, sondern entlang übergeordneter Themenfelder. Und der Preis heißt nicht mehr Viktor, sondern Viktoria.
Text von Olga Havenetidis
8 Minuten Lesezeit
F

Fußball-Metaphern, natürlich. Die wären in Diskussion mit Daniel Sponsel sehr wichtig, wie die künftige neue Leiterin des DOK.fest München Adele Kohout bei der Eröffnung der 40. Edition auf der Bühne im Gespräch mit Moderatorin Christina Wolf dem Publikum kundtat. Darunter vor allem dem neuen Team von Sponsel an der HFF München. Einen ganzen „Leitfaden“ für den Umgang mit ihm packte sie aus. Fußball-Methapern, deshalb „natürlich“, weil eine solche schonmal in der Film News Bayern stand: „München ist noch Dortmund“ lautete damals die Überschrift des Artikels über die Festivalausgabe im Jahr 2017. Damit brachte Sponsel den Bedarf des DOK.fest München an mehr Mitteln zum Ausdruck – um nicht mehr Borussia zu sein, sondern FC. Ein Blick in die Tabelle der Bundesliga 2016/2017 offenbart: Der FC Bayern wurde Meister, Dortmund landete hinter Leipzig auf Platz 3. Eröffnet wurde das DOK.fest München in dem Jahr bereits zum dritten Mal im Deutschen Theater in der Schwanthalerstraße. Dies war erstmals zum 30. Jubiläum 2015 der Fall gewesen.

Nun gab es gestern wieder ein Jubiläum zu feiern, das 40. Es gratulierte Ulrike Scharf, Staatsministerin im Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Dabei ging sie besonders auf die Themen der Dokumentarfilme ein, die ihr Fachgebiet intensiv berühren. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter gratulierte. „Das DOK.fest München geht uns alle an“, sagte er. In Zeiten wie dieser könne die Fiktion mit der Realität nicht mehr mithalten. Er hoffe, dass Filme, die sich mit den USA befassen, eines Tages als Retrospektive laufen.

Am Ende des offiziellen Parts sprach Daniel Sponsel über seinen Abschied vom DOK.fest und ging tief in die Vergangenheit. Er sprach über seine Kindheit und Jugend am Rand von Hamburg und wie er irgendwann sehen lernte, was es mit den Tümpeln, in denen er einst gespielt hatte, auf sich hatte – schmerzhafte Spuren des Zweiten Weltkriegs. Er spannte den Bogen bis zu seiner Begegnung mit Adorno und Erich Fried – vom letzteren erzählte der Eröffnungsfilm Friendly Fire. Regisseur Klaus Fried und Produzentin Julia Albrecht stellten den Film persönlich vor – eine Annäherung des Sohnes an den politischen Lyriker, der als Kind einer jüdischen Familie 1938 nach London emigrierte, mit seinen Kindern nie Deutsch sprach und mehrere der bekanntesten Liebesgedichte verfasst hat.

(c) Ronny Heine

Diese Ausgabe ist die letzte unter Daniel Sponsel, der ab Oktober das Amt der HFF München-Präsidenten bekleiden wird. Seine bisherige Stellvertreterin Adele Kohout übernimmt das Festival. © Ronny Heine

Friendly Fire läuft in der Reihe „Nie wieder ist jetzt? Filme über Erinnerung und Widerstand“, eine Reihe, deren Bedeutung Daniel Sponsel in seiner Rede hervorhob. Sechs weitere Filme sind hier zu sehe: In Die Möllner Briefe wird die Welle der Solidarität nach dem rechtsextremen Brandanschlag von Mölln 1992 anhand hunderter Zuschriften an die betroffenen Familien dokumentiert – ein kraftvolles Zeugnis zivilgesellschaftlichen Zusammenhalts. Im Osten was Neues begleitet einen ehemaligen Neonazi aus Ostdeutschland, der heute präventiv mit Jugendlichen arbeitet und dabei eindrucksvoll zeigt, wie Deradikalisierung gelingen kann. The Srebrenica Tape – From Dad, for Alisa ist ein sehr persönlicher Film: Der bosnische Filmemacher Emir M. übergibt seiner Tochter Alisa Videoaufnahmen, die er während des Krieges in Srebrenica gemacht hat. Der Film erzählt von Verlust, Weitergabe von Erinnerung und der Last familiärer Traumata. In Das Lied der Anderen geht es um die Geschichte von Protestliedern und Musik als Mittel des Widerstands – von den Bürgerrechtsbewegungen bis zur Gegenwart. It Happened on Our Ground blickt auf eine kleine deutsche Gemeinde, die sich jahrzehntelang geweigert hat, ihre NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, und dokumentiert den mühsamen Weg zu einer ehrlichen Erinnerungskultur. Schließlich porträtiert Soldaten des Lichts Überlebende der Résistance und zeigt, wie ihre Geschichten bis heute junge Aktivist:innen inspirieren, sich gegen aktuelle Formen von Ausgrenzung und Hass zu stellen.

Thema bei der Eröffnung war auch die neue Stuktur des kuratierten Programms: Die bisherigen Reihen wurden aufgelöst, die Filme sind nun thematisch gruppiert. Filme, die zuvor durch z.B. Länderzugehörigkeit getrennt gewesen waren, treten nun inhaltlich miteinander in Dialog, 2025 sind dies 105 Filme aus 58 Ländern.

Die Sektion „Migration und Grenzen“ nimmt geopolitische Verschiebungen in den Blick. Mit Filmen wie All Is Well, einer Beobachtung ukrainischer Geflüchteter in den Niederlanden, und On the Border, einer Analyse der EU-Grenzpolitik in der Sahara, werden gesellschaftliche Konfliktlinien sichtbar gemacht. Unter dem Fokus „Mensch und Natur“ hinterfragt Blame die Gefährdung der Wissenschaft durch Desinformation, während Only On Earth die fragile Balance zwischen Mensch und Umwelt in Galicien porträtiert. Kunst und kulturelle Praxis stehen im Zentrum von Filmen wie der Produktion Ai Weiwei’s Turandot, die den künstlerischen Dialog zwischen Ost und West dokumentiert, sowie Monk In Pieces, einer Hommage an die Komponistin Meredith Monk.

Die Wettbewerbe DOK.international, DOK.deutsch und DOK.horizonte bilden weiterhin das Herzstück des Festivals, auch wenn sie nun in die thematische Programmatik eingebettet sind. Neben Hauptpreisanwärtern wie Friendly Fire, Solidarity und Blame rücken Filme wie We Live Here und How to Build a Library Regionen in den Fokus, die im globalen Dokumentarfilm selten sichtbar sind.

 

(c) Edgar Reitz Filmproduktion

Boalândia

Vier der Filme und eine Experience im Programm hat der FFF Bayern gefördert

 

1

 

Boalândia (Edgar Reitz Filmproduktion) ist ein Film über den kulturellen Widerstand in den Peripherien Brasiliens. Die Protagonist*innen des Films kämpfen mit den Mitteln der Kunst um Sichtbarkeit, besetzen die Städte und erheben ihre Stimmen gegen Diskriminierung, Polizeigewalt, Rassismus und Homophobie. Drei Jahre lang haben die Filmemacher mit Kollektiven und Aktivist*innen zusammengearbeitet und gelebt, sie im Amazonas Regenwald, bei Protesten in der Hauptstadt und in den Subkulturen der Metropolen begleitet. Mit eigenen Filmen, Musik, Spoken Word und Performances erkämpfen sich die Protagonist*innen Aufmerksamkeit inmitten einer kompromisslosen und hoch beschleunigten sozialen Realität. Für Buch und Regie sind Patrik Thomas und Mathias Reitz Zausingerverantwortlich.

(c) Südkino Filmproduktion

Endlich unsterblich

2

 

Endlich unsterblich (Südkino Filmproduktion) von Autorin und Regisseurin Vera Brückner über die Band “Florian Paul und die Kapelle der letzten Hoffnung”, die will es nämlich wissen. Wie geht guter Pop? Wie geht eine ganze Karriere statt nur für wenige Wochen ein Hype zu sein? Stillstand ist in der Musikbranche der Untergang. Sänger und Frontmann Florian muss zwischen Tourneen und Gigs an neuen Songs arbeiten. Seine Band, die nur aus Profis besteht, sind die ersten die seine Ideen prüfen. Wir reisen mit einem, der “dazwischen” ist. Ein Romantiker, ein Getriebener, einer, der sein Leben zum Songschreiben macht. Ein Film zwischen München, Wuppertal und Mexiko. Über das Suchen und Finden von Musik und was bedeutet Musiker zu sein.

(c) madfilms Cruiziat & Egert

Ping Pong Paradise

3

 

Ping Pong Paradise (madfilms Cruiziat & Ebert) von Autor und Regisseur Jonas Egert über den jungen Tischtennisverein TTC Neu-Ulm. Dieser hat 2022 das beste Vereinsteam der Tischtennis-Geschichte zusammengestellt. Während für die neue Mannschaft um den deutschen Weltstar Dimitrij Ovtcharov und schwedischen Newcomer Truls Möregårdh eine Erfolgssaison beginnt, verblasst für den eigentlichen Kader des Vereins – drei gesperrte russische Spieler – langsam der Traum von einer Zukunft in Europa. Sportlicher Druck, politische Sanktionen und angewandter Sportkapitalismus zermürben dabei nicht nur den Trainer des Vereins, sondern gleich den ganzen Club.

(c) Leykauf Film

Spring in Kangiqsualujjuaq

4

 

Spring in Kangiqsualujjuaq (Leykauf Film) von Autorin und Regisseurin Marie Zrenner  In dem atmosphärischen Porträt der Inuit-Siedlung Kangiqsualujjuaq im arktischen Kanada geben drei junge Frauen Einblick in ihr Leben in einer Gemeinschaft auf dem Weg zur Rückeroberung von Identität und Selbstbestimmung.

(c) mYnsdstorm-Productions

Duchampiana

5

 

Duchampiana (Tchikiboum, mYndstorm productions ) läuft im VR Pop-Up Kino im Futuro Haus – einer Kooperation zwischen dem DOK.fest München, dem XR HUB Bavaria und der Neuen Sammlung – wird außerdem die FFF-geförderte VR-Experience Duchampiana von Lilian Hess präsentiert. Die künstlerische, ortsgebundene VR-Installation hinterfragt die objektivierenden Darstellungen von Frauen in der Kunstgeschichte, indem sie Marcel Duchamps berühmten Akt, der eine Treppe herabsteigt, belebt und seiner Protagonistin ermöglicht, ihren Kurs drastisch zu ändern.

Im Rahmen des DOK.forum finden erneut Panels, Werkstattgespräche und Pitching-Veranstaltungen statt. Ein aktueller Schwerpunkt liegt auf der Rolle von KI in Bildbearbeitung und Archivrecherche. Der DOK.forum Marketplace bringt internationale Projektteams mit Produzent*innen und Sendern zusammen. Für den Nachwuchs gibt es mit dem Young DOK Award erstmals eine Auszeichnung für Filmschaffende unter 30 Jahren.

Das Festival bleibt hybrid: Neben den Vorführungen an rund 20 Münchner Spielstätten wird ein Großteil des Programms parallel auf der digitalen Leinwand unter dem Label DOK.fest@home verfügbar sein. Der Zeitraum dafür ist leicht verschoben: Findet das DOK.fest München in Präsenz vom 7. bis 18. Mai an vielen Spielorten statt, darunter erstmals im Bergson Kunstkraftwerk, im Münchner Volkstheater, im Kino Solln etc. und sogar im Open Air Kino, läuft die digitale Leinwand vom 12. bis 25. Mai 2025.

Die letzte Ausgabe unter der Leitung von Daniel Sponsel hat nun also begonnen – und er verabschiedet sich mit einem Tusch: Ab diesem Jahr erhalten Produzent*innen, deren Werke im Wettbewerb DOK.international Main Competition laufen und die Deutschland als Produktionsland nachweisen, FFA-Referenzförderung in Höhe von 50.000 Punkten. Diese Referenzförderung gilt allein schon für die Teilnahme am Wettbewerb.

Übrigens gratulierten bei der Eröffnung nicht nur die Redner*innen auf der Bühne, sondern auch die 1.300 Gäste im Saal – mit einem Geburtstagständchen.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Olga Havenetidis
Fotos: Hanfgarn und Ufer Filmproduktion, DOK.fest, Ronny Heine, mYnsdstorm-Productions, Leykauf Film, madfilms Cruiziat & Egert, Südkino Filmproduktion, Edgar Reitz Filmproduktion

Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Termine

#2/25

FILM NEWS
BAYERN

DAS MEDIENMAGAZIN DES FFF BAYERN
FILM, SERIE, GAMES UND XR
Erschienen am 8. Mai 2025
(c) Studiocanal Aliocha Merker

FÖRDERUNG

STANDORT

TUTZING LEUCHTET WIEDER

Das neu eröffnete Kultur­theater Tutzing setzt als Bürgerkino auf ehren­amtliches Engagement und eine spenden­willige Gemeinde – und kann damit in Zeiten des Kulturschwunds eine Erfolgs­geschichte schreiben.

3. FILM ACADEMY DAY BEGEISTERTE FÜR JOBS AM SET

Der 3. Film Academy Day 2025 setzte erneut wegweisende Akzente für die Gewinnung von Nachwuchs­kräften. Er fand am Dienstag zum dritten Mal in Folge in den Bavaria Studios am Medien­standort Geiselgasteig statt. Die Veranstaltung, die von der Film Commission des FFF Bayern und der Bavaria Filmstadt konzipiert, organisiert und mit Unterstützung zahlreicher Partner und Branchenprofis umgesetzt wurde, bot auch in diesem Jahr eine einzigartige Gelegenheit, in die Welt der Filmberufe einzutauchen.
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PRODUKTION

PRODUKTIONS­SPIEGEL

Den regelmäßig aktualisierten Produktionsspiegel finden Sie hier online. Wenn Sie Ihre Produktionen ebenfalls listen möchten, nutzen Sie schnell und einfach das Anmelde-Fenster am Ende der Seite.

DER MENSCH WERDEN, DER MAN SEIN MÖCHTE

Der FFF-geförderte Dokumentar­film Wo/Men von Kristine Nrecaj und Birthe Templin (Filmkantine) taucht ein in die Tradition der Burrneshas: Frauen in Albanien, die sich aus unter­schiedlichen Gründen entscheiden, den Rest ihres Lebens als Männer zu verbringen. Sozial vollständig akzeptiert, beginnen sie zu denken, zu sprechen und sich zu verhalten wie Männer. Im Laufe der Jahre sind manche von ihnen äußerlich kaum noch als Frauen zu erkennen. Der Film startet am 15. Mai 2025 im Verleih von Missing Films in den deutschen Kinos.

„WIR WOLLEN AUF DIE GEFÜHLSEBENE DER ZUSCHAUER EINWIRKEN“

In der FFF-geförderten Experience „Lili Marleen – Damaskus“ des Münchner Rationaltheaters sollen Theater, Film und Virtual Reality auf bisher ungekannte Arte zusammenfließen.

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VERAN­STALTUNGEN

LE SUJET, C’EST ÇA!

Gestern hat es begonnen, das 40. DOK.fest München 2025 und macht München für die nächsten elf Tage zum bedeutenden Treffpunkt für Doku­mentar­film­schaffende. Diese Ausgabe ist die letzte unter Daniel Sponsel, der ab Oktober das Amt der HFF München-Präsidenten bekleiden wird. Seine bisherige Stellvertreterin Adele Kohout übernimmt das Festival nach seinem Weggang. Es ist auch die erste Ausgabe mit neuem Profil: Das Programm ist erstmals nicht mehr nach den gewohnten Wettbewerbs- und Ländersektionen sortiert, sondern entlang übergeordneter Themenfelder. Und der Preis heißt nicht mehr Viktor, sondern Viktoria.

SERVICE

FILM NEWS BAYERN – das Medienmagazin des FFF Bayern
Film, Serie, Games und XR | #2/25 |
www.fff-bayern.de

Redaktion: Dr. Olga Havenetidis (v.i.S.d.P.)
Autor*innen dieser Ausgabe: Dunja Bialas, Julien Hebenstreit, Christoph Oellers, Chris Schinke, Anna Steinbauer, Pascal Wagner

Headerbild: Regisseur Stefan Haupt mit Paula Beer und Albrecht Schuch am Set von Stiller

Anzeigen: Veronika Barthelmess

Wir wollen
auf die
Gefühls-
ebene der
Zuschauer
einwirken

In der FFF-geförderten Experience Lili Marleen – Damaskus des Münchner Rationaltheaters sollen Theater, Film und Virtual Reality auf bisher ungekannte Arte zusammenfließen.
Text von Jürgen Moises
6 Minuten Lesezeit
(c) Rationaltheater

Der Krieg in der Ukraine dauert an. Und obwohl es weiterhin keine Aussicht auf ein Ende der Gräuel gibt, ist dieser Krieg bereits historisch. Was ihn nämlich schon jetzt von allen anderen unterscheidet: Noch nie zuvor haben Drohnen eine solch große Rolle gespielt. Als ferngesteuertes Kriegsgerät erwecken die auch schon in Afghanistan, im Irak oder in Syrien eingesetzten Kampfdrohnen dabei oft den Eindruck, hier ginge es weniger blutig zu. Das gilt aber maximal für die Piloten, die sie steuern. Für die militärischen und vor allem zivilen Opfer bringt der Drohnenkrieg genausoviel Leid und Tod. Und das ist etwas, das wir beim Reden darüber nie aus dem Blick verlieren sollten. So sieht es auf jeden Fall der Leiter des Münchner Rationaltheaters Dietmar Höss.

Genau das ist auch der Grund, warum er in seiner Trilogie Lili Marleen den Krieg aus der Perspektive der Zivilbevölkerung schildert. Der erste Teil, Lili Marleen – Berlin, hatte 2017 in dem legendären, 1965 von Reiner Uthoff gegründeten Theater in der Hesseloherstraße in Schwabing Premiere. Es gab 20 ausverkaufte Vorstellungen. Zudem wurde das Stück ins Englische und Russische übersetzt. Jetzt steht mit Lili Marleen – Damaskus die Produktion des zweiten Teils an. Wobei es eigentlich mit Lili Marleen – Saigon zuerst nach Vietnam anstatt nach Syrien gehen sollte, wie Dietmar Höss am Telefon verrät. Die Idee war: Inspiriert vom Hollywood-Film Die durch die Hölle gehen das Theater in „eine Spielhölle“ zu verwandeln. Mit amerikanischen und vietnamesischen Soldaten. Und dazwischen als Prostituierte: Lili Marleen.

(c) Marile Glöcklhofer
Prof. Dr. Hans-Peter Söder, Alex Trommler, Valentin Diehl, Alicia Guenther, Raphael Wiegand, Dietmar Höss, Tanja Schweigl, (Videobild) Fiona Bumann

Dann erschien Höss die andere Geschichte aber dringlicher. Weil sie nicht wie der Vietnamkrieg in die Zeit von 1955 bis 1975, sondern mit dem 2011 in Syrien begonnenen und durch den Sturz Assads nicht zwangsläufig beendeten Bürgerkrieg in die Gegenwart führt. Hinzu kommt mit den Drohnen eine neue, moderne Art der Kriegsführung. Um das Ganze auch auf moderne Weise zu thematisieren, will Höss bei der Produktion Virtual Reality (VR) beziehungsweise Extended Reality (XR) als Technik einsetzen. Dafür hat sich der Theatermacher, gelernte Dokumentarfilmer und Filmproduzent beim FFF Bayern für eine XR-Prototypenförderung beworben und diese in Höhe von 30.000 Euro auch bekommen. „Ohne die Förderung durch den FFF“, sagt Höss, „hätten wir das als privates Theater nicht geschafft.“

Und das was Dietmar Höss und sein Theater- und Technik-Team da vorhaben, das hat es durchaus in sich. Dabei klingt die zentrale Story zunächst recht einfach. Da wären mit LM (Lili Marleen) und P (Pilot) zwei junge Drohnenpiloten, die sich patriotisch für ihr Land einsetzen wollen. Sie sitzen in einer Luftleitzentrale für Drohneneinsätze, deren Kommandozentrale das zentrale Bühnenbild im Stück darstellt. Ihr Auftrag: Mit der Drohne eine Zielperson in Aleppo auszuschalten. Das sieht zunächst sehr abstrakt aus, wie in einem Computerspiel. Dann wird aber der „Kollateralschaden“ ihres Angriffs, das Leid, die Angst der Zivilbevölkerung auf ihren Displays sichtbar. Und sie beginnen ihre Aktion in Frage zu stellen.

Leutnant: Wolf Orreal (Video: Jüdischer KZ Häftling, Name unbekannt)

An dieser Stelle kommt die VR-Technik, kommen die Zuschauer*innen ins Spiel. Denn diese sehen nicht nur die Kommandozentrale auf der Bühne. Sie können mit dem Aufsetzen einer VR-Brille während der Aufführung auch die „entpersonalisierte“ First-Person-Ansicht der Drohne erleben. Und mit einem Knopfdruck können sie außerdem die Perspektive der Opfer am Boden einnehmen. „Die Herausforderung ist“, so Dietmar Höss, „dass die Zuschauer das auswählen können, wie sie wollen.“ Sie können jederzeit zwischen den Perspektiven der Piloten, der Drohne und der Opfer wechseln. „Der Zuschauer schneidet sozusagen den Film im Kopf selber.“ Aber: „Die Geschichte muss komplett erzählt werden, ohne Unterbrechung.“

Und wenn das gelingt? „Dann haben wir etwas, glaube ich, ziemlich Einzigartiges entwickelt“, erzählt Höss. „Etwas, das es, zumindest soweit ich das kenne, so noch nicht gibt.“ Und genau das wollen sie nun mit ihrem auf fünf Minuten angelegten Prototypen erproben. Später soll dann im Idealfall eine „anderthalbstündige, abendfüllende Produktion“ daraus werden, die 2026 Premiere hat. Die Lili Marleen, die als eine übergreifende, auf das berühmte Soldatenlied anspielende Figur die Trilogie-Teile verbindet, soll die junge Schauspielerin Fiona Bumann spielen. Für die zweite, männliche Figur seien, so Höss, aktuell zwei Schauspieler in der näheren Auswahl. Und dann spielt natürlich das technische Team eine entscheidende Rolle.

(c) Roland Sadlek
Dietmar Höss

Dazu gehört zuallererst Valentin Diehl. „Das ist unser technischer Direktor, der uns bei der ganzen technischen Umsetzung hilft.“ Dann ist da Raphael Wiegand, Licht- und Tontechniker vom Marionettentheater „Kleines Spiel“. Und dann „haben sich jetzt schon mehrere Leute gemeldet, die Lust haben, da mitzumachen“. Und das auch ehrenamtlich, erzählt Höss. Denn trotz einer weiteren Förderung durch die Stadt München: „Wir sind da finanziell extrem eingeschränkt.“ Damit sie überhaupt wissen, was technisch möglich ist, hatten sie kürzlich einen der Gründer der „VR Familie“ im Haus. Einer 2019 entstandenen Facebook-Community zum Thema Oculus Quest. „Der hat uns einiges gezeigt. Das war hochinteressant.“ Außerdem stünden sie mit dem Stadttheater Augsburg, das seit 2020 eine „virtuelle Bühne“ hat, und dem XR Hub Bavaria im Austausch.

Dass sie jedenfalls im Rationaltheater technische Herausforderungen nicht scheuen, haben Höss & Co. mit ihren letzten Produktionen gezeigt. Da ging es um Robotik und KI. Für die eine haben sie einen fast drei Meter hohen Roboter gebaut. „Einen Wolpertinger, der aus mehreren Figuren bestand. Der war so hoch wie unsere Bühne.“ Das andere war „eine Art Talkshow“ mit Hannah Arendt und Albert Einstein, wo die KI unter anderem „mechanisches Klavier“ gespielt hat. Aber: „Wir wollen nicht, dass die Zuschauer sagen: Toll, das war ein toller Effekt!“, so Höss über die beiden Produktionen und Lili Marleen – Damaskus.

Das Ziel sei nun stattdessen: „Wir wollen mithilfe von VR auf die Gefühlsebene der Zuschauer einwirken, ohne dass sie das bewusst wahrnehmen.“ So wie es Dietmar Höss selbst vor drei oder vier Jahren bei einer VR-Vorführung im „Forum der Zukunft“ in München erlebt hat. Da war er virtuell in einer Wohnung. Dann ist eine Drohne explodiert. Und er machte die Erfahrung, dass er „nichts mehr selber in der Hand hat, nichts mehr kontrollieren kann.“ Da war ihm klar, „dass wir jetzt mit dieser Technik arbeiten“, erzählt Höss. Um auch den Besucher*innen des Theaters dieses Gefühl zu vermitteln. Und wenn es ihnen zu viel wird? Dann können die Zuschauer*innen die Brille wieder absetzen. 

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Jürgen Moises
Fotos: Rationaltheater, Mario Steigerwald, Roland Sadlek
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Le sujet,
c’est ça!

Deutsche Kinofilme 2025

Top 15


1

Wunderschöner*

 

Verleih: Warner Bros.
Start: 13.02.2025
Besucher seit Start: 1.302.859


2

Die drei ??? und der Karpatenhund*

 

Verleih: Sony Pictures
Start: 23.01.2025
Besucher seit Start: 1.172.922


3

Der Spitzname*

 

Verleih: Constantin
Start: 19.12.2024
Besucher seit Start: 1.037.146


4

Ein Mädchen namens Willow*

 

Verleih: Constantin
Start: 27.02.2025
Besucher seit Start: 494.713


5

Heldin

 

Verleih: Tobis Film
Start: 27.02.2025
Besucher seit Start: 339.033


6

Die Heinzels – Neue Mützen, Neue Mission

 

Verleih: Tobis Film
Start: 24.12.2024
Besucher seit Start: 223.456


7

Die Saat des Heiligen Feigenbaums

 

Verleih: Alamode/Filmagentinnen
Start: 26.12.2024
Besucher seit Start: 198.664


8

Kundschafter des Friedens 2

 

Verleih: Majestic/Warner Bros.
Start: 23.01.2025
Besucher seit Start: 148.420


9

September 5*

 

Verleih: Constantin
Start: 09.01.2025
Besucher seit Start: 131.027


10

Köln 75*

 

Verleih: Alamode/Filmagentinnen
Start: 13.03.2025
Besucher seit Start: 107.441


11

Feste & Freunde – Ein Hoch auf uns

 

Verleih: Leonine
Start: 02.01.2025
Besucher seit Start: 99.303


12

Ich will alles. Hildegard Knef

 

Verleih: Pfiffl Medien
Start: 03.04.2025
Besucher seit Start: 82.232


13

Das Licht

 

Verleih: X Verleih/Warner Bros.
Start: 20.03.2025
Besucher seit Start: 56.134


14

Hundslinger Hochzeit

 

Verleih: Stonewood Film/Filmperlen
Start: 16.01.2025
Besucher seit Start: 30.244


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Pfau – Bin ich echt?

 

Verleih: Wild Bunch/Central
Start: 20.02.2025
Besucher seit Start: 20.758


 

Filme ab Start 19.12.2024. Quelle: AllScreens e.V., Stand: 4. Mai 2025

* wurden vom FFF Bayern gefördert.

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„Frisch
ist eine
Marke“

Das Festival
der Ent­deckungen

Nicht unbedingt einer Meinung sein, sondern mehr voneinander und der Welt wissen – so beschreibt Festivaldirektor Christoph Gröner die Kraft des Kinoerlebnisses. Gemeinsam mit der Künstlerischen Leiterin Julia Weigl wird er das Filmfest München nach der Interimszeit von zwei Jahren um weitere fünf Jahre verantworten. Ein Gespräch mit dem Leitungsduo über Ideen, Visionen und Erfahrungen.
Interview von Olga Havenetidis
8 Minuten Lesezeit

Lieber Herr Gröner, liebe Frau Weigl, Gratulation zur Verlängerung!

Vielen herzlichen Dank.

 

Sie sind beide vor zwei Jahren schon interimsmäßig als Leitungsduo angetreten. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Julia Weigl: Wir haben diese Zeit als sehr intensiv erlebt, das passt aber natürlich zu den gesellschaftlichen Entwicklungen, die wir überall erleben und sehen. Die Filmbranche steckt im Wandel, sogar in vielen Teilen in der Krise. Demokratische Werte sind in sehr vielen Ländern in Gefahr, Kultur machen und unterstützen keine Selbstverständlichkeit mehr.

Christoph Gröner: Diese Verschiebungen spüren wir natürlich auch beim Festival machen, aber das spornt uns auch immer wieder aufs Neue an, eine Plattform für offenen Dialog zu sein und Brücken zu bauen, wo sie doch an vielen Stellen gerade abgerissen werden. Wir müssen weiter aufeinander zugehen, in der Filmbranche, in der Politik, in der Gesellschaft. Und unsere Gesellschafter, der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München zusammen mit BR und SPIO, unterstützen uns darin. Nur durch dieses Vertrauen konnten wir im letzten Jahr die Reichweite des Festivals deutlich steigern.

 

Nun kam die tolle Bestätigung für Ihren Erfolg. Welche neu angestoßenen Initiativen nehmen Sie mit rüber in die nächsten fünf Jahre?

Julia Weigl: Im Industrie-Bereich bauen wir jedes Jahr unser Programm weiter aus, Herzstück wird auch in den kommenden Jahren unsere CineCoPro Conference sein, die wir vor nun vier Jahren gemeinsam mit dem FFF Bayern ins Leben gerufen haben. Wir möchten deutsche Koproduktionen bei uns in München feiern, Produzierende inspirieren, neue internationale Partner kennen zu lernen und sich für künftige Projekte zusammenzutun. Dafür steht unsere Conference, aber auch unser CineCoPro Wettbewerb, der 2024 wieder eingeführt wurde – und in diesem Jahr fast zur Hälfte aus Weltpremieren bestehen wird.

Christoph Gröner: Darüber hinaus wollen wir weiterhin für Entdeckungen stehen – das zeigen natürlich auch diese Weltpremieren. Wir wollen neue Talente präsentieren, Impulsgeber sein und neue Facetten etablierter Filmschaffender herausarbeiten. Das macht uns enorm viel Spaß und hat bereits letztes Jahr mit Jessica Lange und Kate Winslet ganz wunderbar geklappt.

Welche neuen Konzepte würden Sie gerne noch entwickeln und umsetzen?

Christoph Gröner: Wir sehen den Weg zu einer Weiterentwicklung ganz stark von vertieften Kooperationen geprägt. Vom Museum Brandhorst und dem Amerikahaus über den Gasteig bis zum Deutschen Theater haben sich viele Beziehungen vertieft – ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor.

Julia Weigl: Wir entwickeln Konzepte mit diesen und anderen Partnern wie dem Festival der Zukunft oder den Kammerspielen auf Augenhöhe. Das öffnet Räume in jeder Hinsicht, die Orte, die Konzepte – und natürlich auch neue Zielgruppen.

 

Julia Weigl wird nun künstlerische Leiterin und Sie leiten nach wie vor das Festival künstlerisch zu zweit weiter. Wie können wir uns das vorstellen? Haben Sie eine Aufteilung?

Julia Weigl: Wir sehen uns weiterhin als Künstlerisches Leitungsduo und gestalten gemeinsam die großen inhaltlichen Linien und Perspektiven des Festivals. Das ist uns weiterhin ein großes Bedürfnis, hier für Dialog zu stehen und ein Miteinander nach innen und auch nach außen zu verkörpern. Aber natürlich werde ich mich mehr auf die Strukturierung der inhaltlichen Fragen und den Kontakt zum Programmteam konzentrieren und Christoph die Gespräche mit politischen Stakeholdern und Partnern führen.

Christoph Gröner: Ein Aspekt, der mir ganz wichtig ist. Im Titel Künstlerische Leiterin drückt sich aus, wie sehr Julia das Festival prägt. Und es ist international ein ganz wichtiges Signal, um Partnern zu verdeutlichen, dass jeder von uns beiden schnell entscheiden kann. Ein Vertrauenssignal nach innen und nach außen.

Ab diesem Jahr sammeln Filme, die beim Filmfest München den Förderpreis Neues Deutsches Kino gewinnen, FFA Referenzpunkte. Merken Sie schon einen Unterschied bei den Filmeinreichungen?

Julia Weigl: Tatsächlich merken wir keinen großen Unterschied, weil wir ja bereits seit Jahren die tolle Möglichkeit haben, aus außergewöhnlichen Projekten auszuwählen – und entsprechend die Reihe Neues Deutsches Kino hoffentlich wieder eine große Bandbreite des deutschen Filmschaffens zeigen wird. Wir sind gespannt auf die Reaktionen. Aber dass ein Erfolg hier nun auch die Finanzierung von Folgeprojekten mit sich bringt, freut uns ungemein.

Christoph Gröner: Wir sehen natürlich auch, dass genau diese Möglichkeit bereits große Anziehungskraft an anderer Stelle entfaltet. Unser CineCoPro-Wettbewerb, effektiv durch die Bayerische Staatsregierung über den FFF Bayern mit einer Preissumme von 100.000 Euro ausgestattet, zieht immer mehr Produzent*innen an – die Hälfte der Wettbewerbsfilme wird in diesem Jahr als Weltpremiere gezeigt. Zwar ist das kein Regularium, aber die Entwicklung zeigt: Koproduktion mit Deutschland wird immer wichtiger, und das Filmfest München ist dafür ein gutes Zuhause.

 

Das Filmfest München hat sich seit jeher durch seine charismatischen Programmer*innen ausgezeichnet. Bleibt es beim bisherigen Team oder gibt es Veränderungen?

Christoph Gröner: Wir haben im Programm natürlich ganz tolle Mitarbeiter*innen mit jeweils eigenen Schwerpunkten und Netzwerken, die ganz wichtig für das Festival sind. Eine Mischung aus Erfahrung und neuen Ideen ist für ein Festival sehr wichtig, und wir sind da sehr dankbar, mit jeder Programmsitzung immer wieder äußerst kreative Impulse für das Festival zu erleben.

Julia Weigl: Außerdem haben wir ja bereits im letzten Jahr eine neue Generation in unser Programmteam geholt, die natürlich auch weiterhin bei uns im Team sind.

In diesem Jahr bildet die Dach-Region den Schwerpunkt der CineCoPro Conference. Welche Highlights erwarten die Teilnehmer*innen?

Julia Weigl: Die Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren in der Region ganz offensichtlich noch einmal vertieft, gleichzeitig sind die Veränderungen sehr dynamisch. Neue Förderinstrumente entstehen und verändern sich laufend. Dass wir nun aus der erweiterten Dach-Region mit Südtirol spannende Produzent:innen bei uns begrüßen werden, zeigt sich schon an ersten Reaktionen der internationalen Partner.

Christoph Gröner: Und gemeinsam mit dem FFF Bayern und erstmals auch German Films stellen wir eine ebenso spannende deutsche Delegation zusammen. Man darf also inspirierende Diskussionen erwarten – und mehrere hochkarätige Weltpremieren aus den Regionen. Dazu in den nächsten Wochen mehr.

 

Mit dem Festival der Zukunft geht das Festival neue Wege der Zusammenarbeit. Wie wird die Verzahnung aussehen?

Julia Weigl: Wir arbeiten konzeptuell und kommunikativ bei einem XR Track zusammen, der sein Zuhause am Forum des Deutschen Museums findet. Für uns ist besonders spannend, dass wir ergänzend zu unseren jahrelangen Kooperationen mit der Kunstwelt, dem Theater oder der Buchbranche nun auch im Bereich Technologie und Wissenschaft neue Partner finden. Film ist das perfekte Amalgam, um verschiedene Ansätze von Kreativität zusammen zu führen.

Als zweitgrößtes Festival neben der Berlinale steht das Filmfest München unangefochten da – wie schätzen Sie Ihre Möglichkeiten ein, die Zahl der Uraufführungen weiter zu erhöhen und für die Industry noch wichtiger zu werden?

Christoph Gröner: Wir haben die Grundlagen dafür in den letzten Jahren gelegt. Klareres Profil und Vorteile bei den Akkreditierungen, internationalisierte Kommunikation, neues Design und mit den CineWaves einheitliche Preissymbole bei unseren Wettbewerben. All dies sind Elemente, die Anziehungskräfte entfalten – ganz natürlich.

Julia Weigl: Wir wollen das Erlebnis der letzten Jahre für Akkreditierte, mit München und dem Filmfest München als Ort des entspannten und gewinnbringenden Zusammenseins, natürlich weiter stärken. Wenn wir uns anschauen, wie viele Firmen und neue Partner Happy Hours oder andere Veranstaltungen bei uns unterstützen wollen, stimmen die ersten Indikatoren. Wir freuen uns darauf, dass viele Menschen nach München kommen und es noch mehr werden als im letzten Jahr.

 

Sehen Sie sich weiterhin als Boutique-Festival? Oder identifizieren Sie sich neu?

Julia Weigl: Diese Formulierung bezieht sich ja vor allem darauf, dass wir uns bei Premieren internationaler Filme ganz genau fragen: Können wir für einen von uns für toll empfundenen Film den richtigen Platz bieten? Deshalb schauen wir ganz genau, wie können wir Filme kontextualisieren, wie befördern wir die Sichtbarkeit, indem wir Filme mit internationalen Festivals gezielt und bewusst teilen.

Christoph Gröner: Im Sinne dieser Genauigkeit wollen wir weiterarbeiten. Im Vordergrund sehen wir uns als ein Festival der Entdeckungen und die Nr. 1 Plattform des deutschen Films in all seinen Facetten.

 

Sie schreiben, Sie möchten „Dialog ermöglichen“. Was wünschen Sie sich von Ihren Gesellschaftern, den akkreditierten Fachbesucher*innen und dem Publikum, damit das gelingt?

Christoph Gröner: Ganz einfach, das was jeden guten Dialog ausmacht. Zuhören, nicht gleich auf die eigene Haltung pochen oder ablehnen, sondern sich öffnen für den Austausch und ein Verständnis füreinander.

Julia Weigl: Film berührt uns, mal positiv, mal negativ – und im Kino miteinander. Das heißt nicht, dass wir danach die gleiche Meinung haben. Sondern mehr voneinander und der Welt wissen – das ist doch die Kraft des Kinoerlebnisses.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Olga Havenetidis
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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3. Film Academy
Day begeisterte
für Jobs am Set

„Frisch ist
eine Marke“

Einer der berühmtesten ersten Sätze der Weltliteratur, einer der vielleicht am schwersten zu verfilmenden Romane – den FFF-geförderten Kinofilm Stiller wird Studiocanal in diesem Jahr herausbringen. Als bayerische Produktionsfirma ist Walker + Worm Film beteiligt.
Text von Christoph Oellers
9 Minuten Lesezeit
(c) Studiocanal GmbH Marc Reimann

Stiller nach dem Roman von Max Frisch. Das sind 93 Minuten netto Spielfilm für 448 Seiten Buch. Nach fast einer Stunde bricht ein Spätherbstgewitter über den Zürichsee hinein, überrascht ein gedeihendes Heteropaar beim sparsamen Picknick im Biergarten. Sie solle die alte Geschichte vergessen, rät noch der Mann. Sie flüchten unter eine bereits dem Laub ledige Platane. „Und jetzt?“, fragt der naturgeduschte Mann. „Komm mit!“, sagt die ebenso durchnässte Frau. Im Bett ihres Hotelzimmers fragt sie, was für eine Narbe er über dem rechten Ohr habe. Er erzählt von einer Höhlenerkundung in New Mexico mit einem Freund gleichen Namens, die nach drei Tagen in einem tödlichen Kampf endete. Wie tollwütige Tiere sei man aufeinander los.

An der Oberfläche ist dieser Film wie das Frischbuch ein Kriminalfall um einen Mörder / Nichtmörder, einen Passschwindler und mutmaßlichen Geheimagenten Anfang der 1950er-Jahre, der sechs Jahre untergetaucht war, „verschollen seit Januar 1946“, wie es im Roman heißt. Der Mann wird beim Grenzübertritt in die Schweiz festgenommen, Staatsanwalt und Verteidiger schalten sich ein. In Wahrheit geht es um die Frage, warum jemand nicht zu sich findet, warum jemand nicht mehr Ich im Alltagsschatten sein will, vor sich flieht, zu seinem vermeintlich eigentlichen Ich im Licht uneingeschränkter Freiheit vorstoßen will. „Ich ist ein anderer“. Arthur Rimbauds Diktum liegt 150 Jahre, der dem Buch vorangestellte Satz von Philosoph Sören Kierkegaard („indem die Leidenschaft zur Freiheit in ihm erwacht […], wählt er sich selbst […]“) 180 Jahre, Platons Höhlengleichnis 2400 Jahre zurück.  Demgegenüber steht die These des Soziologen Theodor Adorno von 1951, also aus der Zeit von Frischs Roman, dass es bei vielen Menschen bereits eine Unverschämtheit sei, wenn sie Ich sagen.

(c) Studiocanal GmbH Marc Reimann

Der FFF Bayern zu Besuch am Set von Stiller (v.l.): Tobias Walker, Philipp Worm, Stefan Haupt, Paula Beer, Stefan Kurt, Judith Erber, Carlos Gerstenhauer.

Jahrzehntelang galt Stiller als nicht verfilmbar. Es fehlte offenbar eine zündende Idee, wie das Problem der zwei Figuren in einer Person filmisch gelöst werden sollte. Frisch selbst hätte es gerne gesehen, wenn sich das italienische Weltkino der Sache angenommen hätte: Luchino Visconti, der Thomas Manns Tod in Venedig oder Giuseppe Tomasi di Lampedusas Gatopardo grandios verfilmte, sollte Regie führen, Marcello Mastroianni Stiller verkörpern. Darauf jedenfalls ist Regisseur Stefan Haupt gestoßen, als er für den Film recherchiert hat. Es ist zweifellos ein Herzensprojekt von ihm, dem gebürtigen Zürcher.

„Am Zürichhorn bin ich aufgewachsen, da habe ich gespielt“, sagt Haupt. Kleine Pause. „Wie Frisch 50 Jahre zuvor.“ Am Zürichhorn spielen zentrale Stellen des Films, zentrale Begegnungen zwischen Stiller/White und Julika – wie die Gewitterszene unter der Platane. Ende der 1980er-Jahre war es Haupt schon um Stiller gegangen. Er war Chorleiter und wollte die Höhlengeschichte in einem experimentellen Chorkonzert erzählen. Der Verlag hatte abgelehnt, Frisch hob den Daumen, nachdem sich die beiden getroffen hatten. Und jetzt hat Haupt über eine Generation später in dieser Erstverfilmung des Romans unter anderem mittels raffinierten Flashbacks und wechselnden Farbtönen eine kongeniale Lösung gefunden für das Spiel mit der doppelten Identität und ihrem janusköpfigen Wesen.

Der Anstoß zum Film kam von Haupt und von Anne Walser, der Geschäftsführerin der Schweizer Produktionsfirma C-Film. Sie war es, welche die Rechte von Suhrkamp einholte und das Einverständnis der Max-Frisch-Stiftung sicherte. Das Projekt sei jedoch viel zu groß gewesen, um es allein zu stemmen. Man entschied sich zunächst, auf Hochdeutsch zu drehen. Um in Deutschland möglichst starke Unterstützung zu erhalten, verständigte sich Walser mit Walker + Worm Film, dem Münchner Produzentenduo Tobias Walker und Philipp Worm, auf eine 50:50-Beteiligung. „Normal macht man das nicht, normal hat einer den Lead“, sagt Walser. So aber konnten insgesamt sieben Millionen Euro Fördergelder in beiden Ländern locker gemacht werden. Der FFF Bayern hat 750 000 Euro beigesteuert.

Die Romanvorlage ist 1954 erschienen. (c) Suhrkamp Verlag

Philipp Worm und Tobias Walker teilen sich im Rückgebäude eines Altbaus in der Münchner Maxvorstadt einen großen Schreibtisch, auf dem man auch Pingpong spielen könnte. Bildschirme, Rechner, zwei Wasserflaschen und einmal Champagner türmen aus der zur Tischmitte hin hügelig werdenden Päckchen-, Skripte-, Bücher-, und Stiftelandschaft. An der Wand zeugen die Plakate zu Was Marielle weiß und Sisi & Ich von jüngsten beziehungsweise jüngeren Erfolgen der 15-jährigen Unternehmensgeschichte. Beide Produzenten sind bereits mit dem nächsten Großprojekt beschäftigt, mit der nächsten Literaturverfilmung – Eurotrash von Christian Kracht. Krachts Gattin Frauke Finsterwalder führt Regie und die Kolleg*innen von C-Film sind wieder mit im Boot. „Das ist immer eine sehr angenehme, reibungslose, im besten Sinn produktive Zusammenarbeit mit denen“, sagt Worm. Wie Walser in der Schweiz erkennt er in Deutschland großes Stiller-Potenzial. „Frisch ist eine Marke.“ Er sei noch immer in den Schulen präsent und Stiller sei obendrein sein bekanntestes Werk. „Jeder kennt doch wenigstens den Eingangssatz: Ich bin nicht Stiller!“ Worm hat Stiller zu österreichischen Schulzeiten gelesen, Walker aus eigenem Interesse als Teenager. „Ich sehe die Frage nach der eigentlichen Identität als aktueller denn je an – gerade im Zeitalter von Virtual Reality und Social Media, wo man sich seine ideale Identität auf Instagram postet“, sagt er. Auch die Frage nach dem Verhalten als Mann sei damals wie heute Thema. Der Mann nach MeToo, der Mann und sein Verhalten Frauen gegenüber. Einmal zitiert der Film aus dem mittlerweile fünften Notizheft des Gefangenen White zu seinem alter Ego Stiller. Verteidiger und Staatsanwalt beraten über den Fall, sind ratlos, weil die Ermittlungen stocken. Der Verteidiger sieht im Geschriebenen „lauter Märchen“, der Staatsanwalt übernimmt und trägt vor:

„Er hat wenig Freunde unter Männern. Er kommt sich selbst nicht als Mann vor unter ihnen. In seiner Grundangst nicht zu genügen und als Mann zu versagen, hat er eigentlich auch Angst vor den Frauen.“  Der Staatsanwalt schenkt sich Whiskey ein. „[…] denn nähme er ihre Liebe wirklich ernst, so wäre er genötigt, sich selbst anzunehmen – davon aber ist er weit entfernt!“

(c) Christoph Oellers

Die Produzenten Philipp Worm und Tobias Walker in ihrem Büro in der Münchner Maxvorstadt.

Walker + Worm sind in das Projekt eingestiegen, als es schon eine Drehbuchfassung gab und wesentliche dramaturgische Entscheidungen gefallen waren. Drehbuchautor Alex Buresch sagt: „Wir wollten die Rolle der Frauen stärken, wir wollten uns auf das Paar Stiller / Julika konzentrieren, wir wollten keine Offstimme, die Tagebuchstellen oder innere Monologe spricht und wir wollten ein anderes Ende.“ Im Buch hat der Staatsanwalt mit einem sehr düsteren Kapitel das letzte Wort. Dieser lange Epilog ist erst im Nachgang entstanden, weil der Suizid der Hauptfigur in der Urfassung Bauchschmerzen bei Freund, Lektor und Verleger Peter Suhrkamp hervorrief. Suhrkamp ist das Buch gewidmet. Stefan Haupt wiederum glaubt, dass das jetzt im Film gefundene Ende Werk und Autor sehr gerecht werde. „Es passt zu Frisch und es passt zur heutigen Zeit.“

Mit dem Einstieg von Walker + Worm Film war klar, dass die beiden Hauptrollen von Schauspielern aus Deutschland gespielt werden. „Wir haben uns sehr schnell auf Albrecht Schuch als Hauptdarsteller verständigt“, sagt Worm. Das Casting hat die große und international geschätzte Simone Bär verantwortet, die im Januar 2023 noch vor Beginn der Dreharbeiten gestorben ist. Im Casting für die weibliche Hauptrolle kristallisierte sich rasch Paula Beer als die Person heraus, die am besten mit Schuch harmonierte. Die beiden haben bereits in der zweiten Staffel von Bad Banks zusammengearbeitet.

Das Team hat Ende 2023 an 31 Tagen in Davos, Zürich und München gedreht. Fünf Szenen wurden im supermodernen Hyperbowl-Studio in Penzing am Lech kreiert, das seit 2020 besteht. Fünf Szenen an einem Tag. „Normalerweise schafft man zwei am Tag“, sagt Kameramann Michael Hammon. Obendrein war für ihn viel Neuland dabei. „Vor allem die Spiegelungseffekte der Autos sind tückisch.“ Dank der akribischen Vorbereitung im Verein mit Stefan Haupt gelang es – „sogar ohne große Überstunden“. Am Ende des Tages waren zwei Taxifahrten in Zürich und von Davos weg, zwei surreal anmutende Szenen im Oldsmobile 1950 in wüstiger USA sowie der Kampf in der Höhle zwischen den beiden Stillers im Kasten. Diese Szene hat den letzten Schnitt, den Picture Lock nicht überlebt. Die Gründe liegen darin, dass man die Vorstellungskraft der Zuschauer*innen mit all ihrer je eigenen Emotionalität und subjektiven Wahrnehmung ansprechen und sie nicht vor ein Bilderrätsel, vor eine weitere Denksportaufgabe – wer ist denn hier eigentlich wer – stellen will. Auf der Tonspur ist die Höhle noch präsent.

(c) Studiocanal GmbH Aliocha Merker

Neben Paula Beer (Headerbild oben) spielt Albrecht Schuch die Hauptrolle.

Buresch sieht im Schnitt die letzte Instanz. „Das Drehbuch wird im Schnitt fertiggeschrieben.“ Die Münchnerin Franziska Köppel ist die Editorin und versteht sich als Künstlerin, weit weg von der klassischen Dienstleistung Schnitt. „Man nimmt ganz, ganz viel Einfluss, man ist dramaturgisch wichtig.“ Vom ersten Drehtag an war sie dabei. Fünf Monate hat sie insgesamt an dem Film gearbeitet – stets eng mit Regisseur Haupt. Sie hatte einen besonderen Blick auf die Dinge – sie war die Jüngste im Team, sie war diejenige, die als einzige vorab nicht den Roman gelesen hatte, ihn nicht aus frühen Lesetagen kannte. „So war ich Kontrollinstanz für all die Zuschauer*innen, die ohne Vorwissen in den Film gehen.“ Drei Monate ließ sie den Film ruhen, um im vergangenen Sommer die finale Fassung zu erstellen. „Mit frischem Blick.“ Vor allem mit der Musik sei noch viel gemacht worden, es seien aber auch Szenen umgestellt, gekürzt oder weggelassen worden. Eine Situation beim Zahnarzt zum Beispiel ist nach vorne gewandert, obgleich sich die Passage im Buch erst ziemlich weit hinten abspielt (Beginn des siebten und letzten Notizheftes). Köppel musste harte Entscheidungen treffen, die auch ihre Lieblingsszenen zwischen Stiller/White und Gefängniswärter Knobel betrafen. Um persönliche Vorlieben sei es nun mal nicht gegangen, sondern um das Bestmögliche für den Film. Und da seien sich alle im Team einig gewesen. „So blieb ganz viel Raum für Kreativität – trotz des Drucks, den wir hatten.“  Sie ist überzeugt, „dass uns die Balance aus Liebe, Beziehung, Identität gelungen ist.“ 

Im Herbst bringt Studiocanal Stiller in die deutschen Kinos. „Die Vorweihnachtszeit ist die beste Kinozeit“, sagt Produzentin Anne Walser. Zuvor wird der Film auf mehreren internationalen Festivals Welt- wie Länderpremiere feiern.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Christoph Oellers
Fotos: Studiocanal GmbH Marc Reimann Aliocha Merker, Christoph Oellers
Redaktion und digitales Storytelling: Olga Havenetidis
Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Der Mensch werden, der man sein möchte

3. Film Academy
Day begeisterte
für Jobs am Set

Der 3. Film Academy Day 2025 setzte erneut wegweisende Akzente für die Gewinnung von Nachwuchs­kräften. Er fand am Dienstag zum dritten Mal in Folge in den Bavaria Studios am Medien­standort Geiselgasteig statt. Die Veranstaltung, die von der Film Commission des FFF Bayern und der Bavaria Filmstadt konzipiert, organisiert und mit Unterstützung zahlreicher Partner und Branchenprofis umgesetzt wurde, bot auch in diesem Jahr eine einzigartige Gelegenheit, in die Welt der Filmberufe einzutauchen. Gerichtet ist der Film Academy Day an Schüler*innen, die einen Lehrberuf anstreben, sowie an Interessierte an einem Quereinstieg.
Text von Olga Havenetidis
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Zahlreiche Schulklassen nutzten die Chance, sich über Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten in der Filmbranche zu informieren. Im Fokus stand die Ansprache von Schulabsolvent*innen, die nach ihrem Abschluss eine Ausbildung in einem kreativen oder technischen Filmberuf über den Weg der Ausbildung in einem Lehrberuf anstreben.

Besonders beliebt war auch in diesem Jahr das interaktive Filmset im Studio 6, das unter der Leitung von Regisseur Oliver Mohr und einer Crew umgesetzt wurde. Für das 50-minütige Programm inszenierten die Profis eine mysteriöse Szene in einem Hip Hop-Club. Die Zuschauer*innen beteiligten sich aktiv am Dreh und arbeiteten mit den Profis zusammen. Im Anschluss an die Szene stellte die Crew die verschiedenen Berufe und Aufgabenbereiche am Set detailliert vor. Der interaktive Ansatz hat vermittelt, wie vielseitig und dynamisch die Arbeitswelt hinter den Filmkulissen ist. Das Filmset wurde mit Unterstützung der Partner Bavaria Studios, Cine Mobil, Arri Rental und der FTA – Film- und Theaterausstattung realisiert.

(c) Constantin Kummer

Das Organisationsteam um die Film Commission des FFF Bayern und die Bavaria Filmstadt hatte viele Unterstützer*innen aus der Branche.

Nach der Teilnahme am interaktiven Filmset bot das Infoareal den Besucher*innen die Möglichkeit, sich über verschiedene Einstiegs-, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren. Etliche Branchenprofis, darunter Vertreter*innen von Constantin Film, Stabil e.V., Bavaria Film Gruppe, Bayerischer Rundfunk, die Bundesagentur für Arbeit mit der ZAV, Filmfest München sowie die Initiative „Ich will zum Film“ von Crew United, gaben Einblicke in ihre Arbeit und beantworteten Fragen zu Karrierechancen. Auch verschiedene Berufsverbände engagierten sich, darunter der Berufsverband Herstellungs- und Produktionsleitung (b:hp), der Verband der Requisite und Setdecorating (VdRS), der Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostüm (VSK) und der Berufsverband Filmton (Bvft) und boten Informationen zu den verschiedenen Berufsbildern. Vorgestellt wurden Berufe im Bereich Regie, Schauspiel, Kamera, Szenenbild, Kostüm, Produktionsleitung, Aufnahmeleitung , Motiv-Aufnahmeleitung, DIT Videooperator, Ton, Licht, Bühne und Script Continuty /Script Supervising.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Olga Havenetidis
Foto: Constantin Kummer
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Aktuelle
Kinostarts

Tutzing
leuchtet
wieder

Das neu eröffnete Kultur­theater Tutzing setzt als Bürgerkino auf ehren­amtliches Engagement und eine spenden­willige Gemeinde – und kann damit in Zeiten des Kulturschwunds eine Erfolgs­geschichte schreiben.
Text von Dunja Bialas
8 Minuten Lesezeit
(c) Dunja Bialas
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Ein kleines Schild mit der Aufschrift „Kino“ weist einem den Weg vom S-Bahnhof Tutzing zum Kulturtheater. Die Alteingesessenen werden es kaum beachten, denn das Kino in der Kirchenstraße existiert schon seit 1953. Siebzig Jahre lang hieß es „Kurtheater“,  im Dezember 2023 zog sich Kinobetreiber Michael Teubig nach 20 Jahren aus Altersgründen zurück.

Damit war das einzige Kino Tutzings geschlossen. Die Pächter, Robert Harthauser und sein Sohn Maximilian, die das Kino unbedingt erhalten wollten, machten sich auf die Suche nach neuen Betreiber*innen. „Das Kino wird weitergehen!“ schrieben sie auf gelbe Zettel, die sie im Ort aufhängten. Es wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die sich „Tutzing macht Kino!“ nannte. Es kam ein neues Konzept ins Spiel – und mit ihm die Frau, die dem Kino heute vorsteht.

Lucie Vorlickova ist eine patente Persönlichkeit, das macht sich beim Treffen im Kino-Foyer des Kulturtheaters gleich bemerkbar, wo sie die erstaunliche Erfolgsgeschichte der Kinotransformation erzählt. Nach dem Aus des Kurtheaters schien es zunächst unmöglich, eine Nachfolge zu finden. Ein Kino mit nur einem Saal und 120 Plätzen ist heute nicht nur angesichts der Konkurrenz der Streaming-Kanäle schwer zu bespielen. Die 10.000-Seelen-Gemeinde hat eine attraktive Umgebung und ein großes Angebot an Outdoor-Freizeitaktivitäten, auch das füllt keinen Kinosaal. Im Fünf-Seen-Land gibt es außerdem die Breitwand-Kinos von Matthias Helwig. Die schwierige Bespielbarkeit des Tutzinger Kinos ließ sich den Bilanzen der letzten Kinojahre entnehmen: Die kommerziellen Anwärter*innen winkten ab.

So musste eine andere Lösung gefunden werden. Es entstand die Idee zu einem Bürgerkino. Bürgerkinos haben sich als Betriebsform neben den kommerziellen und den kommunalen Kinos erfolgreich etabliert, auch das Casablanca-Kino in Nürnberg, das regelmäßig mit den Programmprämien der BKM und des FFF Bayern ausgezeichnet wird, ist eines. Diese Form des Kinos lebt im Wesentlichen von der Bürgerbeteiligung und setzt damit unmittelbar auf das Commitment der Gemeinde. Es ist nicht nur ein Kino für die Bürgerinnen und Bürger – sondern eben auch eines von ihnen.

Lucie Vorlickova erzählt, wie sie das Projekt auf den Weg brachte: Seit ihrem Zuzug aus Prag vor knapp zehn Jahren interessiert die ehemalige Steuerberaterin und Unternehmerin das Leben in der beschaulichen Gemeinde. Ein Kino, das womöglich für immer geschlossen hat, wollte sie nicht hinnehmen. „Viele Geschäfte und Restaurants haben seit der Pandemie zugemacht“, erzählt sie, „es wurde immer dunkler in Tutzing. Jetzt leuchtet es wieder am Abend.“ Es gehe ihr dabei auch um Lebensqualität, um Abwechslung und Horizonterweiterung. „Kultur gehört einfach dazu. Das Kino hilft mit seinen Filmen, mit der Gegenwart zurechtzukommen, in Zeiten von Kriegen, Klima, Katastrophen.“

(c) Dunja Bialas

Lucie Vorlickova umringt von den Kinoengeln Sophie Sperber, Leiterin des Kino-Chors (r.), und Lissy Wohlfahrt.

Für die Wiedereröffnung hat sie eng mit der Pächterfamilie Harthauser zusammengearbeitet. Das Gebäude wurde in der Schließungszeit renoviert, der Eingangsbereich bekam eine elegante Theke im Retro-Stil. Das passt gut zu dem Kino, das in den Siebzigerjahren umgestaltet wurde. Es wartet mit lilafarbenen Kinosesseln und einem orangefarbenen Samtvorhang auf, der schwer über die große Leinwand fällt. Die Farben sind ungewöhnlich für ein Kino; sie wirken überraschend harmonisch und strahlen gleichzeitig etwas Plakatives aus. Fortgesetzt wird dies in der neuen Corporate Identity des Kinos: Das Logo von Daniela Laußer besteht aus einer lilafarbenen Sprechblase und einem stilisierten Kamerakörper, auf dem zwei Filmrollen in Dunkelorange angebracht sind. Das spiegelt auch die Mission des Kinos wider, das auf Begegnung setzt.

Nicht nur beim Gemeinschaftserlebnis im Kino, sondern vor und nach dem Film soll ein Gefühl des Zusammenseins entstehen. „Ich wollte einen kulturellen Treffpunkt schaffen“, sagt Vorlickova, der Austausch von Bevölkerungsgruppen, die sonst nicht miteinander in Kontakt kommen, war ihr wichtig. Heute gibt es das Senioren-Kino, das Babykino und „Ciné en vogue“ mit dem Feldafinger Verein Bouc Bel Air.

Zunächst aber musste sie ein Netzwerk aufbauen, um den Kinobetrieb überhaupt aufnehmen zu können. Mit Stefan Bauer vom Kino in Kochel gab es einen wichtigen Erfahrungsaustausch, genauso wie mit dem Filmemacher Joerg Hermann vom KiTT im badenwürttembergischen Tettnang. Beide Kinos werden als gemeinnütziger Verein betrieben. „Ohne sie wäre unser Bürgerkino nicht entstanden“, betont Vorlickova.

Ihr Konzept sah vor, nicht nur ein Kino anzubieten, sondern auch Lesungen, Theater oder andere kulturelle Aktivitäten, für die der Kinosaal eine Bühne bekam. Die Umbenennung des Kurtheaters in „Kulturtheater“ war damit besiegelt. Über drei Säulen sollte das Vereinskino nach den Berechnungen der Unternehmerin finanzierbar sein. Zunächst einmal musste für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ein Startkapital in der Höhe von 80.000 Euro gefunden werden. Sie bilden das Betriebskapital und deckten die Anschaffung der Technik, darunter ein Digitalprojektor und eine Dolby-5.1-Tonanlage. Für den laufenden Betrieb errechnete Vorlickova mindestens 33.000 Euro, die aus Mitgliedsbeiträgen finanziert werden. Angeboten werden auch Fördermitgliedschaften, insgesamt aber wirkt auch hier das „Solidaritätsprinzip“: Der reguläre Mitgliedsbeitrag ist zwischen 30 und 120 Euro frei wählbar, außerdem gibt es Jugend-Ermäßigungen. Die dritte Säule des Kinos ist das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder, die ausdrücklich eingeladen sind, im Kino-Alltag tatkräftig mitzuhelfen.

Vorlickova nennt sie „Engel“. Die Kinoengel machen den Einlass, wie etwa Sophie Sperber, die im Vorstand ist und den Kino-Chor leitet, und Lissy Wohlfahrt, die während des Gesprächs ins Foyer kommt und sich für die Kasse bereit macht. Es gibt noch mehr Engel: Die Backengel backen für spezielle Events und bringen zum Senioren-Kino Kuchen mit – „zu Ostern gibt es Osterhasen!“ –, Putz-Engel sorgen für die Sauberkeit. Auch die Chefin putzt. „Letzte Woche habe ich sauber gemacht und mir gesagt: Der nächste, der sein eigenes Popcorn mitbringt, bekommt Hausverbot!“

Hier gibt es kein Popcorn, das macht viel Arbeit und ist bei den „volatilen“ Besucherzahlen, mit denen das Kino zu tun hat, schwer zu kalkulieren. Die Snacks, die an der Theke verkauft werden, werden von einem Supermarkt mengenrabattiert überlassen, sie liegen in einem offenen Regal aus, man bezahlt in Eigenverantwortung – Vorlickova setzt die Idee des Mitmachkinos bis ins Detail um.

(c) Dunja Bialas

Die Kirche spiegelt sich im Fenster des Kino-Foyers. Ein alter Projektor wirbt für den Kinobesuch.

Das Konzept der Kinoengel kommt vom Kinoprofi Markus Eisele, der unter anderem in München und Fürstenfeldbruck zusammen mit Christian Pfeil mehrere Kinos betreibt. Da Lucie Vorlickova viel von Unternehmensführung, aber kaum etwas von der Kinobranche wusste, hatte sie sich mit ihm zu einem mehrstündigen Crashkurs getroffen. „Er hat sich drei Stunden Zeit genommen und mir das Kinogeschäft erklärt.“ Dann ging es an die Spendenakquise. Mit Veranstaltungen wurde für das Konzept geworben, Handzettel wurden auf dem Markt verteilt. Alle waren angesprochen. Ein Kreis von ehrenamtlichen Helfer*innen war schnell gefunden. Mit den „Engeln der ersten Stunde“, darunter auch Sophie Sperber, gelang es, innerhalb von zwei Monaten Spendenzusagen in Höhe des errechneten Startkapitals zu bekommen. Auch die benötigte Anzahl an Mitgliedern konnte gewonnen werden. „Die Leute hatten Vertrauen“, sagt Vorlickova, was sie auch auf ihren wirtschaftlichen und unternehmerischen Hintergrund zurückführt. Damit stand dem Betrieb nichts mehr im Weg.

Seit der Eröffnung am 3. Oktober 2024 gibt es nun in Tutzing wieder ein Kino. Von Donnerstag bis Sonntag ist Spielbetrieb, in elf Vorführungen jede Woche kommen oft über hundert Leute. Eine fest angestellte Kinoleitung koordiniert die Vorführungen, die Disposition erfolgt von Robert Lubrich bei Peter König in Hamburg, der für Tutzing gehobene aktuelle Filme, Arthouse, Kinder- und Jugendfilme sowie Best-Ager-Filme auswählt. Dem Vorstand sitzt auch der Berliner Filmhistoriker und Publizist Friedemann Beyer bei, der über die Presse von der Initiative erfahren hat. Beyer präsentiert von Oktober bis Ostern die filmhistorische Monatsreihe „Tutzinger Filmerkundungen“. Die erste Staffel ist Größen der Filmgeschichte gewidmet, die einen Bezug zum Starnberger See haben.

Als zwei Besucherinnen ins Kino kommen, um sich nach dem nächsten Film zu erkundigen, berät Vorlickova sie höchstpersönlich. Man merkt, wie wichtig ihr ist, dass die Tutzinger mit offenen Armen empfangen werden. Sie hat noch weitere Pläne für das Bürgerkino, ein Crowdfunding soll Gelder für barrierefreie Umbaumaßnahmen ermöglichen. Außerdem eignet sich die leicht abfallende Wiese vor dem Kino perfekt für ein Sommer-Open-Air.

Vom Foyer aus sieht man durch die Glasfront die alte Tutzinger Dorfkirche, die hinter den Wohnhäusern aufragt. Vis-à-vis gibt es nun auch einen modernen Begegnungsort für alle Bürgerinnen und Bürger. Im Kulturtheater schlägt das Herz von Tutzing mit neuer Kraft.

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Dunja Bialas
Fotos: Dunja Bialas
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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Das Festival
der Ent­deckungen

Straight Outta Kempten

Mit ihrer ersten gemeinsamen Arbeit ist das Team von Byting Games beim Deutschen Computerspielpreis 2025 für den Besten Prototyp nominiert. Mit Stuntboost holen die Kemptener Neunzigerfeeling, Skating-Flair und Punkrock ins Wohnzimmer – nicht zuletzt durch zwei Förderzusagen vom FFF Bayern.
Text von Pascal Wagner
7 Minuten Lesezeit
(c) Byting Games
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Auf dem Fingerskateboard durchs Kinderzimmer, Punkrock auf den Ohren, das Miniaturbrett behände zwischen umfunktionierten Kassetten, AAA-Batterien und Magnetbaustecksätzen hindurchmanövriert – mehr Teenager-Lebensgefühl der 1990er lässt sich in den ersten Sekunden eines Videospiels wohl kaum vermitteln. Genau das ist Stuntboost: Nur ich und mein Fingerboard in der übergroßen Welt einer Wohnung aus der nostalgischen Vergangenheit. Fast nur mit der Maus steuert sich das Brett zwischen Hindernissen entlang und Halfpipes herunter, die eigene Geschwindigkeit wird in Zentimeter pro Sekunde gemessen. Nur wer Geschick zeigt, schafft es ins Ziel, und nur wer die beste Route findet, ideal beschleunigt und auch mal einen waghalsigen Sprung riskiert, hat Chancen, auf dem Leaderboard ganz nach oben zu kommen: Ein Garant für die “Einmal versuch ich’s noch”-Spirale, die so manche Spielkonsolen-Session vor dem Jahrtausendwechsel definiert hat.

Stuntboost ist das Werk von Byting Games aus Kempten, gegründet vom damaligen Solo-Developer Julian Höltge, der als Game Director hinter Design und Code des Spiels steckt. Er entwickelt Stuntboost gemeinsam mit Tobias Kozel, Audio und Art Director, dessen Vision die Stimmung des Spiels möglich gemacht hat. “Ich entwickle Spiele, seit ich zurückdenken kann“, sagt Julian Höltge. In meiner Kindheit durfte ich anfangs nur eine Stunde pro Woche am Computer sitzen. Das war natürlich zu wenig, also fing ich an, Videospiele auf Papier zu basteln. Irgendwann fand ich heraus, wie man echte Videospiele entwickelt – und dann gab’s kein Zurück mehr. Ich verbrachte mehr Zeit mit dem Entwickeln als mit dem Spielen.“ Im Game-Design-Studium in Kempten lernten sich Höltge und Kozel kennen, gemeinsam bestritten sie Game Jams, bei denen Kozel Höltgen mit seinem Gespür für Musik, Visuelles und 3D-Technik beeindruckte. Als Höltge 2023 schließlich die Firma Byting Games gründete, kündigten beide ihre damaligen Jobs und widmeten sich voll der Spieleentwicklung.

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So, wie Höltge in seiner Kindheit bereits Spiele aus Papier nachbaute und um eigene Ideen ergänzte, ist auch Stuntboost aus dem Beobachten und Adaptieren diverser anderer Spiele entstanden, die die beiden Macher beeindruckten. Höltgen spricht offen über seinen Inspirationsprozess: “Mich faszinierte ein kleines Studentenprojekt namens Zineth. Ein Spiel, in dem es kein Geschwindigkeitslimit gibt. Beschleunigt wird durch geschickte Nutzung der Umgebung: Durch Manipulation der Schwerkraft und das Sliden an Wänden kann man so schnell werden, dass es einem sogar gelingt, bis zum Mond zu springen. Diese grenzenlose Steuerung, die trotzdem Geschick erfordert, hat mir ein Gefühl von Freiheit und Flow vermittelt, das ich in einem eigenen Spiel wiedergeben wollte. Der Gameplay-Loop ist quasi von Trackmania geklaut: Ein Level so schnell wie möglich abschließen und das immer wieder, um Rekorde zu brechen und Medaillen zu sammeln. Das Skateboard bot sich an, da man viel über Rampen und Halfpipes fahren sollte, um sich in die Luft zu katapultieren.” Dazu kommen Leveldesign-Inspirationen aus knallharten Plattformer-Titeln, die mit Bewegung arbeiten: Das schwierige, aber dank vieler Optionen sehr zugängliche Celeste ebenso wie das mit Schwung und Beschleunigung arbeitende Flashgame N. Artstyle und Vibe von Stuntboost wiederum entstanden aus einer pragmatischen Mischung eigener Vorlieben und der Beschränkungen des Entwicklungsprozesses, gepaart mit Themen, die das Skateboarding geradezu natürlich ergänzten. “Um den typischen Indie-Lowpoly-Look aufzuwerten, verfolgen wir einige stilistische Entscheidungen: Dicke Outlines um Objekte, wie zum Beispiel in Jet Set Radio. Das verbessert die Lesbarkeit der Level, was besonders bei dem schnellen Gameplay wichtig ist. Global Illumination durch Lightmapping wie in Mirror‘s Edge und Life is Strange. Damit können wir trotz eigener Game-Engine eine stimmige Beleuchtung erreichen und auch einfache 3D-Modelle gut aussehen lassen. Pixelige Texturen sind außerdem aus technischen Gründen notwendig und sorgen dafür, dass der Spieler nicht vergisst, dass es sich immer noch um ein Indie-Spiel handelt,” führt Kozel aus. Auf die Indie-Identität des Spiels sind die beiden Devs stolz.

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In das Thema Fingerskating fügte sich schließlich der Griff zur 90er- und frühen 2000er-Nostalgie beinahe von selbst. Immerhin kam Höltge die Idee für das Setting, da er selbst als Kind das Fingerbrett springen ließ. Die Entscheidung auf eine Spielwelt in Spielzeuggröße untermauern die Entwickler auch mit der Darstellung von Spielmechaniken: Zeitrennen etwa finden nicht einfach nur gegen die Uhr statt, sondern gegen eine Reihe umfallender Dominosteine. Wackelaugen öffnen Türen, wenn man sie ansieht. Die Musik der Spiele greift auf Referenzen an die Tony-Hawk‘s-Reihe, aber auch Burnout, FlatOut, Need for Speed oder SSX on Tour zurück. Um auf teure Lizenzen zu verzichten, hat Kozel den ganzen Soundtrack selbst komponiert – und die Stimmung der Inspirationen hervorragend eingefangen und auf Spielzeuggröße komprimiert. Das Kinderzimmersetting von Stuntboost ist ein ganz und gar rundes Paket. Dazu passt auch das Highscore-basierte Spielsystem, das zum Wiederholen und Besserwerden ermutigt. Medaillen messen den Rang der Spieler in jedem Level und werden wiederum genutzt, um spätere, vertracktere Level freizuschalten. Um das motivierend statt frustrierend zu gestalten, braucht es vor allem eines: Jede Menge Testing. “Das Testing ist viel Trial and Error. Meistens sitze ich beim Testen daneben und widerstehe dem Drang zu helfen. Statt mir während dem Testen Notizen zu machen, zeichne ich den Bildschirm auf und kann mich somit voll auf die Emotionen und Spielweise der Testenden konzentrieren. Im Anschluss gibts nen kleinen Austausch und einen Fragebogen,” führt Höltge aus. Hilfestellung kommt nicht nur aus Familie und Freundeskreis, auch die Game-Dev-Community in Kempten ist, nicht zuletzt dank des vorhandenen Studiengangs, gut vernetzt. “Zusätzlich haben wir im Dezember eine Beta veranstaltet, und beim GameDev-Stammtisch in Kempten zeigen wir unser Spiel monatlich. Das befreundete Studio Kreative Kraut organisiert hier ein Treffen zwischen Entwicklern und Interessierten, die dann gegenseitig ihre Games anzocken. Dieses Event eignet sich auch immer super, um sich mit ehemaligen Kommilitonen kurz zu schließen, wie zum Beispiel den Gründern der Kreative Kraut selbst.”

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Nun sind Byting Games für ihren ersten Award überhaupt nominiert: Den Deutschen Computerspielpreis 2025 in der Kategorie Bester Prototyp, der am 14. Mai in Berlin verliehen wird. 25.000 Euro Preisgeld sind Ihnen damit bereits sicher, der gleiche Betrag steht noch einmal für das Siegerteam auf dem Spiel. Das Niveau an Polish und die Zeit für den spielbaren Prototyp und seine Features, darunter sogar bereits optionale Grafikoptionen wie besonders rechenintensive, nostalgischere Lichteinstellungen, wäre ohne Förderung nicht möglich gewesen. 20.000 Euro gab es vom FFF Bayern für die Entwicklung des Konzepts, weitere 48.000 Euro für die Entwicklung des Prototyps. “Ohne eine Förderung hätte ich Tobi nur kurzfristig anstellen können und hätte selber wieder einen Nebenjob aufsuchen müssen. Mit der Förderung konnte mehr Zeit in Stuntboost fließen, und wie wir wissen, braucht’s davon besonders viel,” so Höltge, froh über den Verlauf der Entwicklung. Und auch wenn es bis zur Preisverleihung noch Daumendrücken heißt, stehen die Pläne für danach laut Höltge bereits fest – auch wenn einige davon noch vom Gesamterfolg des Spiels abhängen. “Wenn Stuntboost fertig ist, werden wir zunächst ein kleineres Spiel entwickeln, um den gesamten Entwicklungsprozess schneller durchlaufen zu können. So können wir schneller Erfahrung sammeln und kleinere Risiken eingehen. Es wird aus jeder noch so kleinen Idee sowieso eine größere, daher ist es wichtig, sich immer wieder den Kern des Spiels vor Augen zu führen und sich auf diesen zu fokussieren, statt im ‘Feature Creep’ zu versinken. Aus diesem Grund hat Stuntboost keine Story, keinen Multiplayermodus und keinen Level Editor. Das kann man sich noch nach dem Release überlegen. Falls das Geld knapp wird, suchen wir uns einen Nebenjob oder Auftragsarbeiten. Dadurch, dass Byting Games eine kleine Firma ist, sind wir hier recht flexibel. Gleichzeitig liebe ich das Arbeiten in kleinen Teams – daran soll sich also nichts ändern.”

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Pascal Wagner
Fotos: Byting Games

Gestaltung: Schmid/Widmaier

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